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Foto (C) GREG BAKER / AFP / picturedesk.com
Der spektakulärste Rückruf der letzten Zeit betraf das Samsung Smartphone Galaxy Note 7: Bereits kurz nach der Markteinführung wurde ein Produktionsfehler bekannt, der beim Laden zu Überhitzung und teils sogar zur ­Explosion des Akkus führen kann.

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Wie KonsumentInnen vor gesundheitsschädlichen Produkten zeitgerecht gewarnt werden und weshalb Produktrückrufe ernst zu nehmen sind.
Erzählungen über diverse Fremdkörper in Lebensmitteln kursieren etliche. Zuletzt hat ein Münchener Mitte Jänner eine tote Maus in seinem Salat vorgefunden – gekauft bei einem Diskonter, eingeschweißt, „vorgewaschen und verzehrfertig“. Wie die Maus in die Plastikverpackung gelangen konnte, bleibt unklar.

Das produzierende Unternehmen gilt als Vorzeigebetrieb, auch bei der Überprüfung in der Causa Maus konnte durch die Lebensmittelkontrolle nichts beanstandet werden. Zurück bleibt der beschädigte Ruf des Produzenten und der Handelskette.

Plastik im Schokoriegel

Noch größeres Aufsehen erregte ein Plastiksplitter, den eine deutsche Konsumentin in einem Mini-Schokoriegel fand. Die Erstickungsgefahr wurde als hoch eingestuft, im Februar 2016 musste der Konzern Mars (Masterfoods) Millionen Schokoriegel zurückbeordern – neben Deutschland waren weltweit 58 Länder, auch Österreich, betroffen. Zur Verunreinigung dürfte die Verschlusskappe einer Fabriksleitung, durch die flüssige Schokolade fließt, geführt haben. Die Wahrscheinlichkeit, auf eine verunreinigte Schokolade zu stoßen, ist allerdings noch geringer als ein Lottogewinn.

Information über Gefahren

Welche und weshalb Produkte aus dem Verkehr gezogen werden, erfahren österreichische KonsumentInnen über die AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH). Dort leitet Ingrid Kiefer, Ernährungswissenschafterin und Gesundheitspsychologin, die Risikokommunikation.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen (BMGF) sowie des Landwirtschaftsministeriums informiert die AGES (www.ages.at) über Gefahren und Risiken. Kommuniziert die AGES im Auftrag des BMGF eine öffentliche Produktwarnung (bzw. informiert über Firmen-Produktrückrufe), ist die wesentliche Voraussetzung gegeben, dass es sich um eine gesundheitsschädliche Ware handelt.

Mittlerweile beziehen über 16.000 KonsumentInnen den AGES-Newsletter, mehr als 14.800 Menschen lassen sich von der AGES-App über Warnungen und Rückrufe informieren (Download über die Website).

Warnsystem kann Leben retten

Dass Produktwarnungen Leben retten können, ist keinesfalls übertrieben. Erinnerungen an das Jahr 2010 und den Listerien-Skandal werden wach. Damals war mit Listerien (Bakterien) verseuchter Käse aus der Oststeiermark in den Handel gelangt, in Folge starben sieben KonsumentInnen in Österreich und Deutschland, andere erkrankten schwer. Mehrere Klagen wurden verhandelt, auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) vertrat Geschädigte.

Nicht immer sind es die Unternehmen (verpflichtende Eigenkontrollen), die eine Unregelmäßigkeit oder Gefahrenquelle finden und diese den Behörden melden.

Fremdkörper und Verunreinigungen können auch bei einer amtlichen Kontrolle oder durch die Meldung von VerbraucherInnen entdeckt werden. „Der Unternehmer und der Handel müssen sofort Gegenmaßnahmen treffen“, erklärt Ingrid Kiefer. „Das heißt, die Ware muss sofort aus den Regalen geräumt und vom Markt genommen werden.“ Üblicherweise wird an der Kasse oder im Schaufenster einer Handelskette auf einen Produktrückruf aufmerksam gemacht.

Um möglichst alle KonsumentInnen zu erreichen, spielen neben Veröffentlichungen durch den Hersteller oder Inverkehrbringen in Medien und auf der Firmen-Website auch der Produktwarnungs-Newsletter und die App der AGES eine große Rolle.

Wird eine Lebens- oder Futtermittelwarnung über das internationale Behörden-Warnsystem abgesetzt (und dieses Produkt auch nach Österreich geliefert), informiert die AGES-Kontaktstelle die Lebensmittelaufsichten der Bundesländer.

Wenn die Natur Streiche spielt

„Wenn wir uns die Rückrufe und Warnungen der letzten zwei Jahre ansehen, dann stehen die Lebensmittel mit 65 Prozent an erster Stelle“, erzählt die Risikokommunikations-Leiterin.

Bei Nahrungsmitteln sind es auch oft falsche Kennzeichnungen, die eine Produktwarnung nach sich ziehen. Kiefer: „Das kann etwa ein nicht ausgewiesenes Allergen sein: Ein Produkt wird als glutenfrei beschrieben, enthält aber Gluten. Von der Schädlichkeit ist nur ein Teil der Bevölkerung betroffen, trotzdem ist es wichtig, dass die Warnung weit gestreut wird und alle informiert werden.“

Dass auch immer wieder Bio-Lebensmittel betroffen sind, verwundert, hat jedoch einen simplen Hintergrund: „Wir mussten 2015 vor relativ vielen Hirseprodukten mit Tropan-Alkaloiden warnen. Zur gleichen Zeit wurde nämlich der Stechapfelsamen reif, der normalerweise aussortiert wird, doch mit der Aussortierung gab es damals Probleme.“

Explosive Alltagsgegenstände

Beobachtet werden alle erdenklichen Produktgruppen von Lebens- und Arzneimitteln über Kosmetik, Bekleidung bis hin zu Spielzeug – seit 2015 auch der Sektor Freizeit und Sport oder Haushalt und Mobiliar.

Produktwarnungen finden sich rund ein halbes Jahr auf der AGES-Website. Auch auf das Samsung Smartphone Galaxy Note 7 wird aufmerksam gemacht. Der spektakulärste Rückruf der letzten Zeit: Bereits kurz nach der Markteinführung wurde ein Produktionsfehler bekannt, der beim Laden zu Überhitzung und teils auch zur Explosion des Akkus führen kann. Samsung startete eine Rückrufaktion.

Aufgrund der potenziellen Brand- und Explosionsgefahr hat auch die US-Luftfahrtbehörde (FAA) am 8. September 2016 die Empfehlung ausgesprochen, das Gerät während eines Fluges nicht in Betrieb zu nehmen oder an Bord aufzuladen. Eine Warnung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) folgte am Tag darauf. Nachdem auch einige Austauschgeräte des Galaxy Note 7 entflammt waren, stoppte Samsung die Produktion. Im Oktober 2016 gab die Firma das gänzliche Produktionsende bekannt. Der Imageverlust ist freilich gewaltig.

„Ein Ersatz für das Handy kann über Gewährleistung bzw. Schadenersatz angestrebt werden“, erklärt Martina Weiland-Pachali, Konsumentenschützerin der AKNÖ. Die Produkthaftung umfasst Personen- und Sachschäden, die durch Fehler verursacht werden, die das Produkt beim Inverkehrbringen durch den Haftpflichtigen (im Regelfall der Hersteller) aufwies. Personenschäden werden uneingeschränkt ersetzt. Explodiert das Handy und verursacht es dabei einen Schaden in der Wohnung, muss mit einem Selbstbehalt gerechnet werden. Weiland-Pachali: „Im Rahmen der Produkthaftung bekomme ich für Sachschäden, die an einer vom Produkt verschiedenen Sache aufgetreten sind, erst jenen Schaden ersetzt, der 500 Euro übersteigt.“ Fällt die Schadenssumme geringer aus, haben KonsumentInnen schlicht Pech.

Eher selten werden Produkte von den Unternehmen aus dem Verkehr gezogen, wenn sie bei Tests schlecht abschneiden. Christian Kornherr, Leiter des Bereichs Untersuchungen beim Verein für Konsumenteninformation (VKI; www.vki.at): „Es kommt relativ selten vor, dass wir Produkte testen, die sich als nicht verkehrsfähig herausstellen und deshalb vom Markt genommen werden müssen.“ Allerdings wird bei den VKI-Tests auch immer wieder Bedenkliches gefunden, sei es ein Pilzbefall an Nüssen, ein Weichmacher in Spielzeug oder giftige Chrom-VI-Rückstände in Lederschuhen.

„Allein aufgrund unserer Tests gibt es noch keinen Produktrückruf, sondern nur dann, wenn auch die Behörden tätig werden“, erklärt Kornherr. Der VKI ist Teil der internationalen Testplattform ICRT (International Consumer Research and Testing), die unter anderem Kindersitze überprüfte – dabei fiel ein Sitz gar aus der Verankerung. Das Ergebnis wurde der Produktionsfirma kommuniziert, der Kindersitz freiwillig vom Unternehmen zurückgerufen.

Mehr Gewinn trotz Debakel

Interessant: Rückrufaktionen bringen Unternehmen zwar in Bedrängnis, treiben deshalb aber nicht zwangsläufig in den Ruin: Trotz des Galaxy-Debakels steigerte Samsung seinen Gewinn.

Produktwarnungen & Produktrückrufe auf der AGES-Homepage:
www.ages.at/produktwarnungen

Von
Sophia Fielhauer-Resei und Christian Resei
Freie JournalistInnen

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.

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