Wenn die Natur Streiche spielt
„Wenn wir uns die Rückrufe und Warnungen der letzten zwei Jahre ansehen, dann stehen die Lebensmittel mit 65 Prozent an erster Stelle“, erzählt die Risikokommunikations-Leiterin.
Bei Nahrungsmitteln sind es auch oft falsche Kennzeichnungen, die eine Produktwarnung nach sich ziehen. Kiefer: „Das kann etwa ein nicht ausgewiesenes Allergen sein: Ein Produkt wird als glutenfrei beschrieben, enthält aber Gluten. Von der Schädlichkeit ist nur ein Teil der Bevölkerung betroffen, trotzdem ist es wichtig, dass die Warnung weit gestreut wird und alle informiert werden.“
Dass auch immer wieder Bio-Lebensmittel betroffen sind, verwundert, hat jedoch einen simplen Hintergrund: „Wir mussten 2015 vor relativ vielen Hirseprodukten mit Tropan-Alkaloiden warnen. Zur gleichen Zeit wurde nämlich der Stechapfelsamen reif, der normalerweise aussortiert wird, doch mit der Aussortierung gab es damals Probleme.“
Explosive Alltagsgegenstände
Beobachtet werden alle erdenklichen Produktgruppen von Lebens- und Arzneimitteln über Kosmetik, Bekleidung bis hin zu Spielzeug – seit 2015 auch der Sektor Freizeit und Sport oder Haushalt und Mobiliar.
Produktwarnungen finden sich rund ein halbes Jahr auf der AGES-Website. Auch auf das Samsung Smartphone Galaxy Note 7 wird aufmerksam gemacht. Der spektakulärste Rückruf der letzten Zeit: Bereits kurz nach der Markteinführung wurde ein Produktionsfehler bekannt, der beim Laden zu Überhitzung und teils auch zur Explosion des Akkus führen kann. Samsung startete eine Rückrufaktion.
Aufgrund der potenziellen Brand- und Explosionsgefahr hat auch die US-Luftfahrtbehörde (FAA) am 8. September 2016 die Empfehlung ausgesprochen, das Gerät während eines Fluges nicht in Betrieb zu nehmen oder an Bord aufzuladen. Eine Warnung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) folgte am Tag darauf. Nachdem auch einige Austauschgeräte des Galaxy Note 7 entflammt waren, stoppte Samsung die Produktion. Im Oktober 2016 gab die Firma das gänzliche Produktionsende bekannt. Der Imageverlust ist freilich gewaltig.
„Ein Ersatz für das Handy kann über Gewährleistung bzw. Schadenersatz angestrebt werden“, erklärt Martina Weiland-Pachali, Konsumentenschützerin der AKNÖ. Die Produkthaftung umfasst Personen- und Sachschäden, die durch Fehler verursacht werden, die das Produkt beim Inverkehrbringen durch den Haftpflichtigen (im Regelfall der Hersteller) aufwies. Personenschäden werden uneingeschränkt ersetzt. Explodiert das Handy und verursacht es dabei einen Schaden in der Wohnung, muss mit einem Selbstbehalt gerechnet werden. Weiland-Pachali: „Im Rahmen der Produkthaftung bekomme ich für Sachschäden, die an einer vom Produkt verschiedenen Sache aufgetreten sind, erst jenen Schaden ersetzt, der 500 Euro übersteigt.“ Fällt die Schadenssumme geringer aus, haben KonsumentInnen schlicht Pech.
Eher selten werden Produkte von den Unternehmen aus dem Verkehr gezogen, wenn sie bei Tests schlecht abschneiden. Christian Kornherr, Leiter des Bereichs Untersuchungen beim Verein für Konsumenteninformation (VKI; www.vki.at): „Es kommt relativ selten vor, dass wir Produkte testen, die sich als nicht verkehrsfähig herausstellen und deshalb vom Markt genommen werden müssen.“ Allerdings wird bei den VKI-Tests auch immer wieder Bedenkliches gefunden, sei es ein Pilzbefall an Nüssen, ein Weichmacher in Spielzeug oder giftige Chrom-VI-Rückstände in Lederschuhen.
„Allein aufgrund unserer Tests gibt es noch keinen Produktrückruf, sondern nur dann, wenn auch die Behörden tätig werden“, erklärt Kornherr. Der VKI ist Teil der internationalen Testplattform ICRT (International Consumer Research and Testing), die unter anderem Kindersitze überprüfte – dabei fiel ein Sitz gar aus der Verankerung. Das Ergebnis wurde der Produktionsfirma kommuniziert, der Kindersitz freiwillig vom Unternehmen zurückgerufen.
Mehr Gewinn trotz Debakel
Interessant: Rückrufaktionen bringen Unternehmen zwar in Bedrängnis, treiben deshalb aber nicht zwangsläufig in den Ruin: Trotz des Galaxy-Debakels steigerte Samsung seinen Gewinn.
Produktwarnungen & Produktrückrufe auf der AGES-Homepage:
www.ages.at/produktwarnungen
Sophia Fielhauer-Resei und Christian Resei
Freie JournalistInnen
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
resei@gmx.de
die Redaktion
aw@oegb.at