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Inhalt

  1. Seite 1 - Sozialstaat und Arbeitswelt konstruktiv weiterentwickeln
  2. Seite 2 - Sozialstaat schafft Perspektive
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Arbeitgeber stellen dies gerne anders dar, doch eine umfassende Studie zeigt: Die Qualität des Standorts steht und fällt mit dem Sozialstaat.
Der Wirtschaftsmotor brummt, die Beschäftigung steigt, die Gewinne der Unternehmen sprudeln, und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich bleibt auf sehr hohem Niveau. Viel besser kann ein Standortzeugnis eigentlich nicht ausfallen. Das WIFO kommt in der Studie „Sozialstaat als Standortfaktor“ zur Erkenntnis, dass die Erfolge des Standorts Österreich – insbesondere seine Qualität und Krisenfestigkeit – wesentlich auf den funktionierenden Sozialstaat zurückzuführen sind.

Klarerweise passt dieser positive Befund nicht in das traditionelle Jammerbild von Industriellenvereinigung (IV) und Wirtschaftskammer (WKO), die immer wieder vom vermeintlich „abgesandelten“ (© Christoph Leitl, ehemaliger WKO-Präsident) oder abstiegsgefährdeten Wirtschaftsstandort reden.

Die Gretchenfrage

Die Gretchenfrage: Wie kann die Standortqualität erhalten und erhöht werden?
Dass die Standortqualität nicht vom Himmel fällt, ist klar. Wie sie erhalten und erhöht werden kann, wird aber höchst unterschiedlich beantwortet. Die Argumente von mächtigen Unternehmenslobbys einerseits und von ArbeitnehmerInnenvertretungen andererseits liegen dabei weit auseinander. So ist etwa für die IV und die WKO die Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) – also die Steuer auf Gewinne von beispielsweise Aktiengesellschaften oder GmbHs – nach wie vor die entscheidende Stellschraube, um den Standort zu fördern.

Aber warum eigentlich? Argumentiert wird mit einem erhofften Anstieg der Investitionen; allein, Belege für diese Annahme gibt es nicht. Fundierte Studien finden im langjährigen Vergleich keine Anzeichen dafür, dass sinkende Gewinnsteuersätze zu mehr Investitionstätigkeit führen. Überdies sind die Abgabensysteme in jedem Land unterschiedlich und daher sicher nicht 1:1 vergleichbar: So sind diese zum Beispiel in Skandinavien, dem Vorbild für die WKO bei der KöSt, zwar niedriger als in Österreich. Effektiv ist aber die Besteuerung ausgeschütteter Gewinne höher, weil die Dividendensteuer höher ist. Was Unternehmenslobbys bei ihrer Kampagne für die Senkung dieser Steuer betreiben, ist also Rosinenpicken. Ihre Forderungen dienen zumeist nur Großunternehmen.

Viele Komponenten der Attraktivität eines Standortes werden oft ignoriert.
Außerdem ignorieren sie dabei vollkommen, dass sich die Attraktivität eines Standorts aus vielen Komponenten zusammensetzt: der Infrastruktur, qualifizierten Arbeitskräften, Rechtssicherheit, sozialer Sicherheit und Nachfrage bzw. KundInnennähe.

Konstruktiv weiterentwickeln

Gewerkschaften und Arbeiterkammern wollen den Sozialstaat und die Arbeitswelt konstruktiv weiterentwickeln. Sie sehen die Menschen mit ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen im Mittelpunkt und nicht die Kapitalinteressen einiger weniger. Die guten sozialen Errungenschaften und Standards sind zentrale Vor­aussetzungen für gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolg.

Die guten sozialen Errungenschaften und Standards sind zentrale Vor­aussetzungen für gemeinsamen wirtschaftlichen Erfolg.

Anliegen wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Umsetzung von Ausbildungs- und Beschäftigungsoffensiven für unterschiedliche Zielgruppen, die Erhöhung der Arbeitsplatzqualität, mehr Zeitautonomie und bessere Planbarkeit der Arbeit, bessere Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen demnach weit oben auf der Prioritätenliste einer verantwortungsvollen Politik stehen. Klar ist, dass davon letztlich auch die Unternehmen profitieren.

Sozialstaat schafft Perspektive

Stattdessen verfolgt die Bundesregierung die allzu simple, allgemeine Devise: die Senkung der Abgabenquote auf 40 Prozent. Das Problem: Eine solch massive Verringerung von Einnahmen für den öffentlichen Haushalt kann sich nun einmal nicht ausgehen, ohne dass gleichzeitig Leistungen des Sozialstaats gekürzt werden. Diese Politik führt zu einer Erosion des sozialen Fundaments und beschneidet damit auch Perspektiven Österreichs, und zwar sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich.

Wenn man ihn lässt, dann kann der Sozialstaat enorm viel.
Wenn man ihn lässt, dann kann der Sozialstaat enorm viel: Er ermöglicht allen Menschen, ob reich oder arm, ein Leben in Würde, schafft Bildungschancen, sorgt für ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem. Sein Ziel ist der Ausgleich in Wirtschaft und Gesellschaft. In schwierigen Wirtschafts- und Lebenslagen bietet er Sicherheit für die nächsten Schritte und macht so den Wirtschaftsstandort insgesamt krisenfester. Wie schafft er all das?

  • Soziale Sicherheit wirkt gegen Polarisierung und Ausgrenzung. Das trägt zu einem Mehr an Chancengleichheit und damit auch zu größerem Sicherheitsgefühl und gegenseitigem Vertrauen bei, das für das Funktionieren der Wirtschaft unumgänglich ist.
  • Der Sozialstaat glättet durch Arbeitsmarkt- und Konjunkturpakete konjunkturelle Schwankungen. Stabilisierend wirkt er dabei auch durch die Lebensstandardsicherung in schwierigen Lebenslagen.
  • Das öffentliche Angebot bzw. die öffentliche Finanzierung von Dienstleistungen für Gesundheit, Pflege, Kinderbetreuung und Bildung schafft außerdem direkt Arbeitsplätze.
  • Sozial-, arbeitsmarkt-, bildungs- und familienpolitische Maßnahmen erhöhen die Arbeitsmarktchancen der Menschen und sichern über einen hohen Beschäftigungsstand wiederum die Finanzierungsgrundlage des Sozialstaats.
  • Der Zugang zu und die Qualität von Bildungsangeboten sowie Gesundheitsleistungen sind wichtige Determinanten der Lebensqualität. Gut qualifizierte und gesunde Arbeitskräfte sind auch für Unternehmen essenziell.
  • Der Sozialstaat unterstützt auch Anpassungsprozesse, die durch den Strukturwandel und die Digitalisierung nötig sind, indem er Menschen bei Umschulungen und Weiterbildungen unterstützt oder Unternehmen Anpassungsförderungen (z. B. Förderung von Kurzarbeit) zukommen lässt.
  • Durch eine Minderung der Ungleichheit können auch Menschen mit geringem Einkommen ihre Ausgaben besser bestreiten. Und gerade sie sind es, die den Großteil ihres Einkommens eben nicht sparen, sondern konsumieren. Dies wiederum hilft bei der Stabilisierung der Inlandsnachfrage, die für Unternehmen – gerade in Krisenzeiten – wichtig ist.

Die „reine“ Marktwirtschaft schafft weder ein „Fair Play“ noch eine gerechte Verteilung der Einkommen.

Die „reine“ Marktwirtschaft schafft weder ein „Fair Play“ noch eine gerechte Verteilung der Einkommen – dies zeigen die bisherigen Erfahrungen deutlich. Der Sozialstaat mindert durch Umverteilung die Schieflage bei der Einkommensverteilung. Auch das WIFO bestätigt, dass sozialer Ausgleich, wirtschaftlicher Erfolg und hohe Produktivität in der Regel mit einer hohen Sozial- und Abgabenquote einhergehen. In reichen Ländern wie Österreich ist die Sozialquote höher als in armen Staaten. Vice versa lässt sich feststellen, dass Länder mit hoher Sozialquote in der Regel gesamtwirtschaftlich erfolgreicher sind.

Um die hohe Standortqualität weiterhin aufrechterhalten zu können, ist eine stabile Finanzierungsgrundlage für den Sozialstaat unabdingbar.

Um die hohe Standortqualität weiterhin aufrechterhalten zu können, ist eine stabile Finanzierungsgrundlage für den Sozialstaat unabdingbar. Und diese widerum benötigt eben eine entsprechende Steuer- und Abgabenquote.

Stabile Erwartungen

Nur durch verlässliche Rahmenbedingungen – und dazu gehören eben die konkreten Sozialleistungen, aber auch öffentliche Einrichtungen – kann die Stabilität von Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig erhalten bleiben. Diese Verlässlichkeit und Stabilität sind für alle Menschen wertvoll, da eine gewisse Planbarkeit im Leben ermöglicht wird. Außerdem ermutigt „Sicherheit im Wandel“ Menschen auch zu anstehenden Veränderungen, die etwa die Digitalisierung mit sich bringt.

Weltweit beneidet

Und natürlich profitieren auch Unternehmen davon, da so langfristige Kapazitätsplanungen möglich sind und bereits getätigte Investitionen nicht durch Unsicherheit oder gar Unruhen entwertet werden. Auch vernünftige Arbeitsbeziehungen, wie sie die österreichischen Sozialpartner seit Jahrzehnten auf kollektiver und betrieblicher Ebene vorgelebt haben, sind eine Win-win-Situation: Diese waren stets ein Garant für sozialen Frieden, reibungsloses Wirtschaften und ein verantwortungsbewusstes Miteinander. Darum werden wir zu Recht weltweit beneidet.

Weitere Informationen:
tinyurl.com/yam73oxv

Von
Adi Buxbaum und Vera Lacina

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/19.

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adi.buxbaum@akwien.at
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