Zahnräder der Solidarität

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AK, ÖGB und Betriebsräte sind Zahnräder der Solidarität. Sie sind historisch ge­wachsen und ergänzen einander. Auch sie haben einen Anteil daran, dass Österreich ein wirtschaftlich so stabiles Land ist.

Inhalt

  1. Seite 1 - Regierung will spalten
  2. Seite 2 - Thinktank für Lohnabhängige
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Mit Erfolg vertreten AK, ÖGB und die Betriebsräte die ArbeitnehmerInnen. Doch die aktuelle Regierung verfolgt das Ziel, diese Organisationen zu schwächen.
Hätten arbeitende Menschen keine kollektiven Organisationen, wären sie der Willkür der Arbeit­geberseite schutzlos ausgeliefert. Deshalb haben sich schon vor Jahrhunderten die Vorläufer der ersten Gewerkschaften gegründet. Als Folge davon gibt es heute in Österreich Betriebsräte, ÖGB und Arbeiterkammer.

Doch nun bemühen sich Regierung, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung mit aller Macht, das Rad der Zeit zurückzudrehen. Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit gibt es dafür genug. So werden Betriebsräte bei der AUVA eingeschüchtert, weil sie sich gegen die dort geplanten Einsparungen starkgemacht haben. Sie werden mit Klagen bedroht.

Das neue Arbeitszeitgesetz erlaubt die Einführung von 12-Stunden-Schichten, ohne dass der Betriebsrat befragt werden muss. Und schon bevor Türkis-Blau ihr Amt antrat mussten die Gewerkschaften Rückschläge hinnehmen. So wurde beispielsweise der ehemalige Kollektivvertrag der MetallerInnen in sechs unterschiedliche Industrie-Kollektivverträge aufgespaltet.

Regierung will spalten

Nun könnte der Arbeiterkammer eine empfindliche Budgetkürzung drohen, denn die Regierung hat die Kürzung der Kammerumlage, also der Finanzgrundlage der AK, in den Raum gestellt. In diesem Zusammenhang spielt das Finanz­ministerium eine Rolle – mit der Idee, Jahreseinkommen bis 11.000 Euro von den Kammerbeiträgen zu ­befreien.

All diese Maßnahmen zielen auf die Zerstückelung kollektiver Organisationsstrukturen und die Individualisierung lohnabhängiger Menschen ab. Um sich dagegen wehren zu können, muss man sich erst einmal darüber klar werden, welche bestehenden Strukturen es in der österreichischen ArbeiterInnenbewegung gibt. Was ist der Auftrag von ÖGB, Arbeiterkammer und Betriebsräten? Und wie greifen die verschiedenen Räder ineinander?

Historisch gewachsen

Klar ist: Die Errichtung der Demokratie in Österreich ging mit der Errichtung der Arbeiterkammern, sprich der demokratischen Mitbestimmung der Beschäftigten, Hand in Hand. Denn nur ein Jahr, nachdem sich das erste demokratisch gewählte Parlament konstituiert hatte, beschloss es die Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte. Diese sollten den Handelskammern als „gleichwertige Partner“ gegenüberstehen. Die Gewerkschaften waren spätestens mit Ende des 19. Jahrhunderts kämpfende Massenorganisationen.

Während des Austrofaschismus und der NS-Zeit wurden die Organisationen der ArbeiterInnenbewegung entweder aufgelöst oder in völlig verzerrter Form in den Staatsapparat integriert. Noch im Jahr 1945 wurde die Arbeiterkammer wieder errichtet, in der darauffolgenden Phase des Wiederaufbaus entstand die bis in die Gegenwart bekannte und bewährte Sozialpartnerschaft. Genau diese Grundlage wird derzeit von Regierung und Unternehmerverbänden attackiert.

Thinktank für Lohnabhängige

Die Arbeiterkammer ist die gesetzliche Interessenvertretung der unselbstständig Beschäftigten in Österreich. Ihr Gegenstück ist die Wirtschaftskammer. Die Hauptarbeit der AK besteht zum einen darin, den Gewerkschaften und Betriebsräten als eine Art Thinktank zur Verfügung zu stehen.

Die Bundesarbeitskammer und die Kammern in den jeweiligen Bundesländern erarbeiten Gesetzesvorschläge und geben Stellungnahmen zu Verordnungen und Gesetzen ab. Auch bei Kollektivvertragsverhandlungen, die aufseiten der ArbeitnehmerInnen von den Gewerkschaften geführt werden, spielt die AK eine wichtige Rolle. Die Verhandlungsteams der Gewerkschaften stützen sich auf von AK-ExpertInnen ausgearbeitete Daten und Fakten, auf deren Grundlage die Forderungskataloge ausgehandelt werden.

Für die allermeisten Menschen stellt die AK die erste Anlaufstelle bei Rechtsproblemen am Arbeitsplatz dar. Sie prüft Arbeitsverträge auf ihre Rechtmäßigkeit, berät im Kündigungsfall oder wenn der Chef Anweisungen erteilt, die möglicherweise bedenklich sind. Hinzu kommt ein großes Angebot jenseits des Berufslebens. Die AK berät bei Pensionsfragen, mietrechtlichen Problemen oder auch im KonsumentInnenschutz.

Die Gewerkschaften, in denen immerhin knapp über 1,2 Millionen Menschen organisiert sind, führen wie bereits erwähnt die KV-Verhandlungen.

Hier werden, gemeinsam mit VertreterInnen aus den Betriebsräten, die Eckpunkte gültiger Arbeitsbedingungen verhandelt. Auch das 13. und 14. Monatsgehalt gibt es nicht per Gesetz, sondern aufgrund des gewerkschaftlichen Einsatzes. Kollektivverträge regeln außerdem Urlaubszeiten, Gehaltstabellen und Gehaltssprünge sowie neben der Normalarbeitszeit auch die Überstunden und Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsarbeit. Die Warnstreiks der MetallerInnen und der SozialarbeiterInnen im Jahr 2018 wurden von Fachgewerkschaften des ÖGB organisiert. Im Sommer mobilisierte der ÖGB 100.000 Beschäftigte und deren Familienangehörige zu einer Großdemonstration ­gegen den 12-Stunden-Tag. Gewerkschaften melden sich zu Wort, wenn die Interessen arbeitender Menschen durch die Regierung oder ArbeitgeberInnen angegriffen werden. Die Ermöglichung des 12-Stunden-Tages durch die Bundesregierung dient auch der Untergrabung der gewerkschaft­lichen Position. Dadurch wird der gewerk­schaftliche Alltag konfrontativer, als in Österreich bislang üblich. Das spiegelt sich auch quer durch die Branchen in den heurigen Lohnrunden wider.

Sprachrohr am Arbeitsplatz

Der Betriebsrat wiederum ist jene Struktur, die diese neue konfrontative Atmosphäre am ehesten spürt. Das Arbeitsverfassungsgesetz sieht für jeden Betrieb mit mindestens fünf MitarbeiterInnen einen Betriebsrat vor. Und doch wird dieses Grundrecht von immer mehr Betrieben umgangen. In vergangenen Jahren verhinderten verschiedene Unternehmen in Österreich Betriebsratsgründungen – unter anderem der private Fernsehsender Servus TV und die Einzelhandelskette Müller.

Problem atypische Beschäftigung

Auch in anderer Hinsicht sind Betriebsräte zunehmend gefordert. Immer mehr Unternehmen setzen auf undurchsichtige Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, Befristungen und Werkverträge. Hier müssen die drei Räder der österreichischen ArbeiterInnenbewegung ineinandergreifen, indem die Arbeiterkammer Aufklärungs- und Recherchearbeit leistet, die Gewerkschaften Kampagnen für gute Arbeitsbedingungen starten und Betriebsräte ihre Belegschaften vertreten, einbinden und mobilisieren.

Nicht zuletzt sitzen BetriebsrätInnen auch in den Verhandlungsgremien für Kollektivverträge. Daneben dienen Betriebsratsmitglieder als direkte AnsprechpartnerInnen im Betrieb. Sie werden von der Belegschaft in geheimer Abstimmung direkt gewählt. Ab einer gewissen Größe der Betriebe sind die Betriebsratsvorsitzenden von der normalen Lohnarbeit freigestellt. Diese Maßnahme soll Zeit schaffen, damit sie die KollegInnen bei ArbeitnehmerInnenschutz, Karenz oder drohenden Kündigungen unterstützen können. Damit Betriebsratsmitglieder das dafür nötige Wissen erwerben können, organisieren Gewerkschaften und Arbeiterkammer Schulungen. Ein sinnvoller Kreislauf also, in dem die drei Räder ineinandergreifen.

Wenn nötig, scheuen Arbeiterkammer oder Gewerkschaft auch nicht davor zurück, vor das Arbeitsgericht zu ziehen, um die Interessen von Beschäftigten durchzusetzen. So konnten zwei Reinigungskräfte, die im Technischen Museum auf Werkvertragsbasis beschäftigt waren, im vergangenen Sommer hohe Abfindungssummen einklagen. Das Museum hatte den beiden Kollegen plötzlich die Weiterbeschäftigung verweigert. Durch die gemeinsame Solidarität kam die Arbeitgeberseite mit ihrem Handeln nicht einfach durch. Ohne die finanzielle und anwaltliche Unterstützung durch die AK hätte es die Klage vielleicht nicht gegeben. AK, ÖGB und Betriebsräte sind Zahnräder der Solidarität. Mächtige Interessen wollen, dass sie immer schwerer ineinandergreifen können. Dem gilt es sich zu widersetzen.

Weiterführender Link:
Die Arbeiterkammer Steiermark hat eine ­Broschüre über die österreichische Betriebs­verfassung erstellt. Darin finden sich viele ­nützliche Infos darüber, wie AK, ÖGB und ­Betriebsrat zusammenwirken sollen:
tinyurl.com/yc8kjpep

Von
Christian Bunke

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/18.

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aw@oegb.at

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