Thinktank für Lohnabhängige
Die Arbeiterkammer ist die gesetzliche Interessenvertretung der unselbstständig Beschäftigten in Österreich. Ihr Gegenstück ist die Wirtschaftskammer. Die Hauptarbeit der AK besteht zum einen darin, den Gewerkschaften und Betriebsräten als eine Art Thinktank zur Verfügung zu stehen.
Die Bundesarbeitskammer und die Kammern in den jeweiligen Bundesländern erarbeiten Gesetzesvorschläge und geben Stellungnahmen zu Verordnungen und Gesetzen ab. Auch bei Kollektivvertragsverhandlungen, die aufseiten der ArbeitnehmerInnen von den Gewerkschaften geführt werden, spielt die AK eine wichtige Rolle. Die Verhandlungsteams der Gewerkschaften stützen sich auf von AK-ExpertInnen ausgearbeitete Daten und Fakten, auf deren Grundlage die Forderungskataloge ausgehandelt werden.
Für die allermeisten Menschen stellt die AK die erste Anlaufstelle bei Rechtsproblemen am Arbeitsplatz dar. Sie prüft Arbeitsverträge auf ihre Rechtmäßigkeit, berät im Kündigungsfall oder wenn der Chef Anweisungen erteilt, die möglicherweise bedenklich sind. Hinzu kommt ein großes Angebot jenseits des Berufslebens. Die AK berät bei Pensionsfragen, mietrechtlichen Problemen oder auch im KonsumentInnenschutz.
Die Gewerkschaften, in denen immerhin knapp über 1,2 Millionen Menschen organisiert sind, führen wie bereits erwähnt die KV-Verhandlungen.
Hier werden, gemeinsam mit VertreterInnen aus den Betriebsräten, die Eckpunkte gültiger Arbeitsbedingungen verhandelt. Auch das 13. und 14. Monatsgehalt gibt es nicht per Gesetz, sondern aufgrund des gewerkschaftlichen Einsatzes. Kollektivverträge regeln außerdem Urlaubszeiten, Gehaltstabellen und Gehaltssprünge sowie neben der Normalarbeitszeit auch die Überstunden und Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsarbeit. Die Warnstreiks der MetallerInnen und der SozialarbeiterInnen im Jahr 2018 wurden von Fachgewerkschaften des ÖGB organisiert. Im Sommer mobilisierte der ÖGB 100.000 Beschäftigte und deren Familienangehörige zu einer Großdemonstration gegen den 12-Stunden-Tag. Gewerkschaften melden sich zu Wort, wenn die Interessen arbeitender Menschen durch die Regierung oder ArbeitgeberInnen angegriffen werden. Die Ermöglichung des 12-Stunden-Tages durch die Bundesregierung dient auch der Untergrabung der gewerkschaftlichen Position. Dadurch wird der gewerkschaftliche Alltag konfrontativer, als in Österreich bislang üblich. Das spiegelt sich auch quer durch die Branchen in den heurigen Lohnrunden wider.
Sprachrohr am Arbeitsplatz
Der Betriebsrat wiederum ist jene Struktur, die diese neue konfrontative Atmosphäre am ehesten spürt. Das Arbeitsverfassungsgesetz sieht für jeden Betrieb mit mindestens fünf MitarbeiterInnen einen Betriebsrat vor. Und doch wird dieses Grundrecht von immer mehr Betrieben umgangen. In vergangenen Jahren verhinderten verschiedene Unternehmen in Österreich Betriebsratsgründungen – unter anderem der private Fernsehsender Servus TV und die Einzelhandelskette Müller.
Problem atypische Beschäftigung
Auch in anderer Hinsicht sind Betriebsräte zunehmend gefordert. Immer mehr Unternehmen setzen auf undurchsichtige Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, Befristungen und Werkverträge. Hier müssen die drei Räder der österreichischen ArbeiterInnenbewegung ineinandergreifen, indem die Arbeiterkammer Aufklärungs- und Recherchearbeit leistet, die Gewerkschaften Kampagnen für gute Arbeitsbedingungen starten und Betriebsräte ihre Belegschaften vertreten, einbinden und mobilisieren.
Nicht zuletzt sitzen BetriebsrätInnen auch in den Verhandlungsgremien für Kollektivverträge. Daneben dienen Betriebsratsmitglieder als direkte AnsprechpartnerInnen im Betrieb. Sie werden von der Belegschaft in geheimer Abstimmung direkt gewählt. Ab einer gewissen Größe der Betriebe sind die Betriebsratsvorsitzenden von der normalen Lohnarbeit freigestellt. Diese Maßnahme soll Zeit schaffen, damit sie die KollegInnen bei ArbeitnehmerInnenschutz, Karenz oder drohenden Kündigungen unterstützen können. Damit Betriebsratsmitglieder das dafür nötige Wissen erwerben können, organisieren Gewerkschaften und Arbeiterkammer Schulungen. Ein sinnvoller Kreislauf also, in dem die drei Räder ineinandergreifen.
Wenn nötig, scheuen Arbeiterkammer oder Gewerkschaft auch nicht davor zurück, vor das Arbeitsgericht zu ziehen, um die Interessen von Beschäftigten durchzusetzen. So konnten zwei Reinigungskräfte, die im Technischen Museum auf Werkvertragsbasis beschäftigt waren, im vergangenen Sommer hohe Abfindungssummen einklagen. Das Museum hatte den beiden Kollegen plötzlich die Weiterbeschäftigung verweigert. Durch die gemeinsame Solidarität kam die Arbeitgeberseite mit ihrem Handeln nicht einfach durch. Ohne die finanzielle und anwaltliche Unterstützung durch die AK hätte es die Klage vielleicht nicht gegeben. AK, ÖGB und Betriebsräte sind Zahnräder der Solidarität. Mächtige Interessen wollen, dass sie immer schwerer ineinandergreifen können. Dem gilt es sich zu widersetzen.
Weiterführender Link:
Die Arbeiterkammer Steiermark hat eine Broschüre über die österreichische Betriebsverfassung erstellt. Darin finden sich viele nützliche Infos darüber, wie AK, ÖGB und Betriebsrat zusammenwirken sollen:
tinyurl.com/yc8kjpep
Christian Bunke
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/18.
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