Wohnpolitik: Der Bund tut nichts

Der Grundriss eines Wohnhauses. Daneben sind zwei Kräne. Symbolbild für die unfertige Wohnpolitik in Österreich.
Es tut sich nichts: Der Bund scheut sich vor Maßnahmen, die die Wohnpolitik sozial machen können. | © Adobestock/elxeneize
Private treiben die Bodenpreise in lichte Höhen und der Bund schaut zu. Nötig wäre eine sinnvolle Wohnpolitik, die gegen Leerstand vorgeht. Denn leistbarer Wohnraum wird dringend gebraucht.
Energiebonus, Wohnbonus, Wohnschirm, Wohnbeihilfe – Sozialpolitik kann Wohnpolitik nicht ersetzen. Und letztere liegt in vielen wesentlichen Punkten in der Kompetenz des Bundes – mit dem Resultat, dass nichts weitergeht. „Viel ist nicht passiert“, sagt Lukas Tockner, Experte für Kommunalpolitik und Wohnen der Arbeiterkammer (AK) Wien. Mitten in der Wohnkrise lässt die im Regierungsprogramm groß angekündigte Mietrechtsreform auf sich warten. Dabei liest sich das Programm ganz gut. „Im Bereich Wohnen wollen wir leistbare Mieten, die Bildung von Eigentum, Nachhaltigkeit und Fairness fördern“, heißt es da. Von den 40 Punkten wurde bisher genau einer umgesetzt, nämlich der Wegfall der Makler:innenprovision zulasten der Mieter:innen.

Eine aus Holzklötzen gebaute Stadt mit Begriffen wie "Leerstand" und "Betongold". Symbolbild für die Wohnpolitik des Bundes.
Wohnbau für die Vielen statt rentablen Leerstand für Spekulant:innen. | © Adobestock/pholidito

Trotz aktuell bleierner Inaktivität im Mietrecht dominiert unter Fachleuten die Meinung, dass es Bundessache bleiben soll. Alexander Huber, Ökonom beim Momentum Institut: „Auch wenn aktuell dabei nichts herauskommt, wäre ein Fleckerlteppich an Lösungen nicht zielführend.“

Auf dem privaten Wohnungsmarkt werden Mieten und auch der Kauf eines Eigenheims allerdings immer teurer, wobei dieser Dauertrend in den Städten und Ballungszentren prononcierter ist, wie Tockner betont. Die enormen Preissprünge treffen auch Eigentümer:innen in spe. „Das Hauptziel muss deshalb sein, der Spekulation Einhalt zu gebieten“, sagt Huber.

Wann platzt die Blase?

Denn die Immobilienblase wächst und wächst – und platzt dennoch nicht. Das war nicht immer so. So richtig ging das mit der Finanzkrise 2008 los. Wir erinnern uns: Bankenkrise, Eurokrise, Crash auf den Finanzmärkten machten statt Aktien das Anlegen in Immobilien attraktiv. „Mit der Finanzkrise wurden auch in Österreich Wohnungen plötzlich zu Betongold. Das hat auf Wohnungs- und Grundstücksspreise, aber auch auf Mieten starken Druck ausgeübt“, sagt Tockner – Druck, der seither nicht nachlassen will. Denn entgegen der Erwartung hat die Corona-Krise für einen weiteren Preisschub auf dem ohnehin überbewerteten Immobilienmarkt gesorgt. „2020/21 sind die Preise dann noch einmal um 20 Prozent gestiegen – in ganz Österreich“, betont AK-Experte Tockner.

Blutleeres Betongold

Das Groteske daran: In Wien wurde in den vergangenen Jahren doppelt so viel Wohnraum gebaut, wie gebraucht wird. Ein Überangebot auf dem Markt sollte ja laut Lehrbuch zu sinkenden Preisen führen. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Preissteigerungen sind vor allem dem Bauboom im frei finanzierten Bereich geschuldet. Da entstehen vielerorts „Luxuswohnungen“, die vielfach unbewohnt bleiben. „Die Immobilienfirmen haben oft gar kein Interesse, diese Wohnungen zu vermieten, weil sich der Gewinn aus diesem Investment rein aus der Wertsteigerung ergibt“, sagt Huber.

Abgesehen vom stadtplanerischen und klimapolitischen Unfug, Wolkenkratzer mit unbewohnten Zwei-Zimmer-Apartments am Donaukanal oder anderswo zu errichten, schrumpft dadurch das Angebot an leistbarem Wohnraum für jene, die ihn benötigen. Denn die Privaten treiben die Bodenpreise in lichte Höhen, und die Gemeinnützigen werden aus dem Wettbewerb um Baugrundstücke gedrängt.

Zugleich hat die Preisentwicklung auch eine reale Dimension: Wien ist ein Magnet für Zuwander:innen. Zu Jahresbeginn lebten mehr als 9,1 Millionen Menschen in Österreich, davon fast zwei Millionen in Wien. „Es ist also nicht so, dass wir keinen Bedarf hätten“, sagt Tockner. Thomas Madreiter, Planungsdirektor beim Österreichischen Städtebund, erinnert an das Wien der 1980er-Jahre und die dynamische Entwicklung der Stadt: „Die Trendwende kam 1989 mit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Bis dahin schrumpfte Wien, die Talsohle lag bei 1,5 Millionen, und mittlerweile sind wir bei hohen 1,9 Millionen angelangt. Da sind also quasi Linz und Graz dazugekommen. Fazit: Wir müssen und werden in Wien Wohnungen bauen.“

Wohnpolitik: Vermieten oder zahlen

Leerstand ist dort ein großes Problem, wo die Preise hoch sind und Wohnraum knapp ist. Das ist einerseits in den Städten der Fall, aber auch auf dem Land, vor allem dort, wo es viele Ferienwohnungen gibt, die zwei Wochen im Jahr genutzt werden, doch Menschen aus der Region, die Wohnraum benötigen, nicht zur Verfügung stehen. „Da haben sich sogar ÖVP-Bürgermeister:innen für eine Leerstandsabgabe ausgesprochen – was zeigt, dass das Problem wirklich groß ist“, betont Huber.

Die Einführung einer landesweiten Leerstandsabgabe kann laut Bundesverfassungsgesetz allerdings nur vom Nationalrat beschlossen werden – der dies bisher bleiben ließ. In drei Bundesländern – in Salzburg, der Steiermark und Tirol – gibt es mittlerweile eine Leerstandsabgabe light. „Das Problem ist, dass Länder und Gemeinden zwar eine Abgabe einführen dürfen, aber nicht in einer Höhe, die tatsächlich einen Lenkungseffekt hätte. Dafür muss der Bund her“, sagt Momentum-Ökonom Huber.

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