Was die Wohnkosten-Explosion stoppen kann

Kleine Modellhäuschen stehen auf immer höheren Münzstapeln und symbolisieren so die steigenden Wohnkosten.
Die Wohnkosten in Österreich steigen. Doch die Politik hat Möglichkeiten, um gegenzusteuern. | © Adobestock/fotomek
Überteuerte Mieten und Betriebskosten, steigende Grundstücks- und Baupreise sowie hohe Zinsen setzen österreichische Haushalte unter Druck. Der ÖGB fordert mit einem „Wohnungspolitischen Programm“ konkrete Eingriffe, damit Wohnraum wieder leistbar wird – und zwar für alle.
Die Wohnkosten sollten weniger als 30 Prozent des Nettoeinkommens ausmachen, besagt eine gängige Regel. „Doch das ist vielfach nicht mehr der Fall“, sagt Angela Pfister, Ökonomin in der volkswirtschaftlichen Abteilung des ÖGB. Besonders Menschen mit geringen Einkommen würden mittlerweile eher 40 Prozent oder mehr fürs Wohnen ausgeben. Private Mieten, Betriebskosten, Wohnungs-, Grundstücks- und Baupreise sowie Kreditzinsen sind stark gestiegen und werden für viele Personen zur Belastung. Wohnen ist aber kein Luxus wie eine Fernreise, auf die man verzichten kann, wenn das Geld knapp wird.

In den vergangenen Jahren sind die Wohnkosten explodiert

Konkret sind die Mieten seit dem Jahr 2022 um bis zu 25 Prozent gestiegen. Sie waren Teil einer Teuerungsspirale, wie Helene Schuberth, ÖGB-Chefökonomin im Interview mit Arbeit&Wirtschaft analysierte. Wie sehr das Haushalte in die Enge treibt, zeigt die Statistik-Austria-Umfrage „So geht’s uns heute“. Sie erfasst alle drei Monate Veränderungen der Lebensbedingungen, des Einkommens und des Wohlergehens der Bevölkerung. Die Ergebnisse vom ersten Quartal 2024 zeigen, dass für 18,7 Prozent der Befragten die gesamten Wohnkosten für ihren Haushalt eine „schwere finanzielle Belastung“ darstellten. In der Untergruppe der Mieter:innen im privaten Segment waren die Wohnkosten gar für 26,9 Prozent eine spürbare Strapaze. Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind noch stärker betroffen. 41,2 Prozent der Ein-Eltern-Haushalte mit mindestens einem Kind unter 25 Jahren gaben eine schwere Wohnkostenbelastung an. Beim untersten Einkommensfünftel betraf das im ersten Quartal 39,1 Prozent.

Portrait Ökonomin Angela Pfister auf einer Parkbank beim Interview zum Thema Wohnkosten.
Die Ökonomin Angela Pfister sieht die Politik in der Pflicht, leistbaren Wohnraum zu schaffen, zum Beispiel mit einer jährlichen Wohnbaumilliarde. | © Markus Zahradnik

Deshalb fordert der ÖGB politische Maßnahmen, die im „Wohnungspolitischen Programm“ festgeschrieben sind. Sie sind in drei Hauptforderungen zusammengefasst: Wohnen müsse für alle leistbar sein, es müsse dauerhaft in sozialen Wohnbau und klimafitte Sanierungen investiert werden, und es brauche einen Turbo für den Austausch fossiler Heizungssysteme in Mietwohnungen. Die vielen Forderungen, die zu diesen Kernpunkten zusammengefasst werden, zeigen, wie viele Möglichkeiten es gäbe, die Bevölkerung beim Thema Wohnkosten zu entlasten.

Für den ÖGB ist insbesondere der soziale Wohnbau ein Schlüsselfaktor. Denn die steigenden Kosten für Mietwohnungen hätten dazu geführt, dass für immer mehr Haushalte der private Wohnungsmarkt nicht mehr leistbar sei. Doch der soziale Wohnbau steht laut Ökonomin Angela Pfister aufgrund der massiven Bodenspekulationen unter Druck. Gemeinnützige Bauträger finden kaum noch Grundstücke. Darüber hinaus wurden der Arbeiterkammer zufolge zwischen den Jahren 2018 und 2023 sogar 100.000 Wohnungen zu viel gebaut. Sie seien nicht dem Wohnbedarf geschuldet, sondern der Veranlagung von Fonds sowie Spekulant:innen. „Wohnungen dürfen nicht länger Spekulationsobjekte sein“, sagt Pfister dazu. Es sei Aufgabe der Politik, bezahlbare und dauerhaft gesicherte Wohnverhältnisse zu schaffen, Bund und Länder seien gefragt.

Maßnahmen zu Senkung der Wohnkosten

Der soziale Wohnbau wirke sich laut Pfister auch auf den gesamten Mietmarkt preisdämpfend aus. Die im Februar präsentierte Wohnbauförderungsmilliarde für die Länder – geplant ist, bis 2026 insgesamt eine Milliarde Euro in den gemeinnützigen Wohnbau zu investieren – sei deshalb ein wichtiger Schritt. Doch sie dürfe weder zeitlich begrenzt noch auf drei Jahre aufgeteilt sein. „Der Bund sollte den Ländern auf Dauer jährlich eine Wohnbaumilliarde zuweisen“, so Pfister. Zudem müssten die Wohnbauförderungsbeiträge, die zu je 0,5 Prozent von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen finanziert werden, wieder zweckgebunden werden. „Gegenwärtig werden diese oftmals nicht für den Wohnbau verwendet, sondern die Länder stopfen damit teilweise Budgetlöcher“, erklärt Pfister.

Der ÖGB fordert eine gezielte Bodenpolitik, damit es auch Grundstücke für den geförderten Wohnbau gibt. So sollten etwa Grundstücke, die in öffentlicher Hand sind, ausschließlich mit geförderten Wohnungen bebaut werden können. Wichtig seien laut Pfister zudem die Abschaffung befristeter Mietverträge und die Reparatur der Mietpreisbremse, die zu spät gekommen sei. Der Mietpreisdeckel, der ab 2024 in bestimmten Wohnungen eine Mietpreiserhöhung um maximal fünf Prozent jährlich erlaubt, sei viel zu hoch und wirke aufgrund der Inflation de facto nicht. Und gerade im frei finanzierten privaten Bereich, wo die höchsten Mieten verlangt werden, gibt es nach wie vor keine Eingriffe. Der ÖGB verlangt eine Rücknahme der jüngsten Erhöhungen von 2023 und, solange die Inflation hoch ist, einen Mietpreisstopp. Positiv sieht Pfister die Leerstandsabgabe, die aber noch von den Ländern umzusetzen ist.

Die Forderungen des „Wohnpolitischen Programms“ bilden zusammen ein Paket an Forderungen, durch deren Umsetzung Wohnen wieder erschwinglich werden könnte. „Es reicht nicht, nur da und dort etwas zu machen, sondern man muss das Thema leistbarer Wohnraum umfassend angehen“, sagt Pfister und wendet sich damit insbesondere an die bald zu bildende neue Regierung. Die aktuelle habe zwar Schritte gesetzt, aber die wirklich großen Themen sei sie nicht angegangen – und die Lage werde immer schwieriger.

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Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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