Wohnen in Österreich wird zum Luxusgut
Diese Investitionswut lässt sich mit Zahlen untermauern. Das Unternehmen EHL Immobilien hat das Transaktionsvolumen von Immobilieninvestments in Österreich aufgeschlüsselt. Im Jahr 2009 das (aufgerundet) 1,3 Milliarden Euro. Zehn Jahre später, also 2019, waren es 6,0 Milliarden Euro. Also mehr als das Viereinhalbfache. Der durchschnittliche Hauptmietzins im privaten Segment stieg in dieser Zeit um 64 Prozent. Die Löhne aber gleichzeitig nur um 32 Prozent. Das bedeutet, dass der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen wuchs. Arbeitnehmer:innen hatten trotz steigenden Reallöhnen weniger Geld übrig.
Auf dem Immobilienmarkt scheint also ein höheres Angebot nicht für sinkende Preise zu sorgen, wie es eine Grundregel der Betriebswirtschaft eigentlich vorsieht. Ganz im Gegenteil. In Wien wurden vergangenes Jahr doppelt so viele Wohnungen gebaut, wie es laut Zuzug gebraucht hätte. Trotzdem sind die Preise gestiegen. Das liegt daran, dass Immobilienkonzerne sich nicht an der Nachfrage orientieren, sondern an der Marge. Familien mit geringem Einkommen, die eine Vierzimmer-Wohnung suchen, versprechen weniger Rendite als eine unvermietete Luxuswohnung, die sie nach ein paar Jahren der Wertsteigerung einfach weiterverkaufen können.
Der Immobilienboom macht außerdem fair eingepreistes Bauland knapp. Denn plötzlich konkurrierten gemeinnützige Bauunternehmen, die günstigen Wohnraum schaffen wollen, auf dem Markt mit Privatinvestor:innen, die bereit sind, deutlich mehr Geld pro Quadratmeter auszugeben. Diese Firmen haben dann häufig nicht einmal Wohnraum geschaffen, sondern lediglich Anlageobjekte. Die Studie „Wohnbauboom in Wien 2018 bis 2021“ kommt zu dem Schluss, dass beinahe jede fünfte neu gebaute Wohnung in der Hauptstadt leer blieb. Weil die Eigentümer:innen mit der Wertsteigerung mehr Profit machen konnten als mit der Vermietung. Eine Leerstandsabgabe, die das verhindern könnte, gibt es nicht.
Inflation treibt auch Mietkosten nach oben
Mit den enormen Preissteigerungen kam der nächste Schock auf dem Wohnungsmarkt. Viele Mietverträge haben Klauseln enthalten, die es den Vermieter:innen erlauben, die Miete an die Inflation anzupassen. Bei Kategoriemieten kam es im Jahr 2022 zu drei Anhebungen um insgesamt 17,5 Prozent. Vermieter:innen durften auch die Indexmieten anpassen. Weil die Regierung die Erhöhung der gedeckelten Mieten im Jahr 2021 ausgesetzt hat, kommt es 2023 außerdem zu einer doppelten Anpassung.
Gegen all diese Mieterhöhungen hätte die Regierung vorgehen können, tat es aber nicht. Stattdessen schütteten ÖVP und Grüne diverse Einmalzahlungen aus, die in erster Linie den Vermieter:innen zugutekommen.
In der neuen Folge des Podcasts "Klassenkampf von oben" analysieren @michaelmazohl und @natascha_strobl mit Expert:innen aus der @arbeiterkammer Wien eines der derzeit brisantesten politischen und gesellschaftlichen Themen: Wohnen.
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— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) April 6, 2023
Auch befristete Mietverträge drehen immer weiter an der Miet-Spirale. Verlangen Vermieter:innen hier mehr Geld, als Ihnen per Gesetz zusteht, könnten die Mieter:innen das zu viel gezahlte Geld einklagen. Das Problem ist nur, dass sie damit automatisch die Wohnung los sind am Ende des Mietvertrags. Der wird nicht verlängert werden.