Wohlstandsbericht 2022: Rückschritt wegen Inflation
Der Wohlstandsbericht der AK beschäftigt sich mit der Frage, ob Österreich fünf zentralen Zielen nähergekommen ist, die es braucht, um einen gesellschaftlichen Fortschritt zu erzielen. Diese Ziele sind fair verteilter materieller Wohlstand, Vollbeschäftigung und gute Arbeit, Lebensqualität, Intakte Umwelt und ökonomische Stabilität. Noch im vergangenen Jahr fiel die Betrachtung überraschend positiv aus. Dank starkem Sozialstaat kam Österreich gut durch die Coronakrise. Doch im Wohlstandsbericht 2022 zeigen sich deutliche Rückschritte.
Jedes der fünf Hauptziele unterteilt die AK für den Wohlstandsbericht 2022 in sechs Teilziele. So entstehen insgesamt dreißig Indikatoren. Davon sind gerade einmal fünf im positiven Bereich. Auch der Ausblick auf das kommende Jahr ist eher negativ.
Größte Rückschritte bei Lebensqualität und ökonomischer Stabilität
Die größten Rückschritte macht der Wohlstandsbericht 2022 bei der Entwicklung der Lebensqualität und der ökonomischen Stabilität aus. Im Bereich der Lebensqualität seien vor allem die das sinkende Haushaltseinkommen und die steigende Vermögenskonzentration besorgniserregend. „Verteilungskonflikte zwischen Krisengewinner:innen und -verlierer:innen werden sich weiter zuspitzen“, heißt es im Bericht.
Einen ähnlichen Rückschritt gab es, wenig überraschend, im Bereich der ökonomischen Stabilität. Die enorme Inflation – im September 2022 war sie mit 10,5 Prozent so hoch wie seit siebzig Jahren nicht mehr – habe eine destabilisierende Wirkung. Das wirkt sich negativ auf die Finanzmärkte und die Investitionsfähigkeit aus.
Wohlstandsbericht 2022: Schlechte Arbeitsbedingungen
Auch im Bereich Vollbeschäftigung und gute Arbeit weist der Wohlstandsbericht 2022 einen Rückschritt statt eines Fortschritts aus. Grund dafür ist, dass Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit nach wie vor hoch seien, heißt es in dem Bericht. „Gleichzeitig gibt es in Bezug auf die Arbeitsbedingungen einige Verschlechterungen. So klagen immer mehr Arbeitnehmer:innen über einen hohen Arbeitsdruck.“
Die Entwicklung der Lebensqualität stuft der Wohlstandsbericht 2022 zwar als neutral ein, das allerdings nur, weil sich Fort- und Rückschritte die Waage halten. „Sorgenkind ist die Armutsgefährdung – da das untere Einkommensdrittel kaum Erspartes hat, drohen viele Haushalte durch die wirtschaftlich negative Entwicklung in Armut abzurutschen“, heißt es einerseits. In den Bereichen Bildung, Gesundheit und leistbares Wohnen müsse Österreich dringend Maßnahmen setzen. Andererseits sind die allgemeine Lebenszufriedenheit und die empfundene Sicherheit unverändert auf hohem Niveau.
Beim Umweltziel ist die Stagnation auffällig. Hier misst der Wohlstandsbericht einen leichten Rückschritt. Der liegt vor allem daran, dass die Anforderungen an die Klimapolitik zwar wachsen, gleichzeitig in Österreich aber keine Änderungen oder verstärkten Bemühungen in dieser Richtung erkennbar seien.
Lösungsvorschläge aus dem Wohlstandsbericht 2022
Um den Rückschritt wieder aufzuholen und die Gesellschaft als Ganzes weiterzuentwickeln, schlägt der Wohlstandsbericht insgesamt vier Lösungen vor. Zum einen müsse die Regierung die Energie- und Inflationskrise bekämpfen und die Umverteilung von Vermögen vorantreiben. Zum anderen müssten die Arbeitgeber:innen den aktuellen Bedarf an Arbeitskräften nutzen, um deren Arbeitsbedingungen zu verbessern. Gleichzeitig müsste der Strukturwandel – also der sozial-ökonomische Umbau – gezielter angegangen werden. Nur so könne die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen erreicht werden.
#AK Wien Direktorin @SilviaHruska: Es ist wichtig, eine Gesamtstrategie zu verfolgen, wenn man gesellschaftlichen Fortschritt erreichten möchte. #Wohlstandsbericht 1/2 pic.twitter.com/nNjk5GtbtE
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) October 5, 2022
Vor allem in der Einführung einer Abgabe auf Übergewinne sieht Tobias Schweitzer bei der Präsentation des Wohlstandsberichts 2022 ein zentrales Instrument, um die Maßnahmen fair zu finanzieren. Er ist Bereichsleiter Wirtschaft der AK Wien. Silvia Hruška-Frank, Direktorin der AK Wien, mahnt, dass die Rückschritte dringend wieder aufgeholt werden müssten. Sie weist vor allem auf die schlechteren Arbeitsbedingungen hin, die auch auf die Einführung des 12-Stunden-Tags zurückzuführen sind. „Seit 20 Jahren haben wir so einen starken Anstieg von Druck am Arbeitsplatz nicht gesehen.“