Verbesserungen für die Beschäftigten in den Bereichen
- Arbeitszeit
- Freizeit
- Einkommen
- Gesundheit
Die Rolle der Gewerkschaften bei diesem Vorhaben ist von enormer Bedeutung: Wer sonst sollte sich für diese Verbesserungen einsetzen? Von der ehemaligen türkis-blauen Regierung war hier nicht viel zu erwarten. Im Gegenteil: Die meisten Reformen orientierten sich lediglich an den Interessen der Wirtschaft. Wir blicken zurück auf die Zeit vor dem „Ibiza-Skandal“, die unserem Land zahlreiche Verschlechterungen im Arbeits- und Sozialrecht bescherte, mit denen Beschäftigte nach wie vor leben müssen.
Verbesserungen nur für Arbeitgeber
So wurde das Arbeitszeitgesetz novelliert, was uns den 12-Stunden-Tag brachte. Egal, wie sehr auch versucht wurde, diese Änderungen als etwas darzustellen, das Vorteile für alle bringen würde: Verbesserungen ergaben sich dadurch lediglich für die Arbeitgeber, die seither ihre MitarbeiterInnen noch flexibler einsetzen können. Freiwilligkeit für die ArbeitnehmerInnen hingegen besteht größtenteils nur auf dem Papier. „Der Druck des Arbeitgebers und die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust spielen bei der Leistung von Überstunden oftmals eine entscheidende Rolle. Es ist daher scheinheilig, von Freiwilligkeit zu sprechen“, kritisiert David Mum, Ökonom und Leiter der Grundlagenabteilung sowie Mitglied der Bundesgeschäftsführung der Gewerkschaft GPA-djp. Im Hinblick auf das Leben der arbeitenden Bevölkerung bedeutet das eine steigende Belastung der Gesundheit, vor allem wenn länger am Stück gearbeitet wird, was die Unfallwahrscheinlichkeit erhöht, wenn Ruhezeiten verkürzt werden und wenn Arbeit an Wochenenden und Feiertagen leichter möglich ist.
Zum Glück gescheitert
Geplant war zudem die Sozialhilfe neu, durch die die Mindestsicherung beseitigt werden sollte. Dazu kam es zum Glück nicht. Wohl aber zur Reform der Sozialversicherung: Versicherungsträger wurden zusammengelegt, und es kam zu einer Entmachtung der ArbeitnehmervertreterInnen zugunsten der Arbeitgeber. Die Abschaffung der AUVA konnte durch Proteste der AUVA-BetriebsrätInnen und der Gewerkschaften zwar verhindert werden, doch eines wurde dadurch klar: Das gute Leben für alle ist keine Zielsetzung gewesen, die von der ehemaligen Regierung verfolgt wurde. Im Gegenteil: „Sie zielte auf eine Schwächung von Arbeiterkammern und BetriebsrätInnen“, kritisiert Gewerkschafter Mum. „Sozialer Schutz und Unterstützung wurden denen entzogen, die dies am dringendsten benötigen: Armutsgefährdete, AsylwerberInnen und -berechtigte, ältere Arbeitssuchende und Jugendliche ohne betriebliche Lehrstelle. Das vorzeitige Ende der Regierung ist auch eine Chance für eine Kurskorrektur.“
Das gute Leben für alle ist keine Zielsetzung gewesen, die von der ehemaligen Regierung verfolgt wurde.
Bitter nötige Kurskorrektur
Diese Kurskorrektur ist auch bitter nötig. Der sozialpartnerschaftliche Dialog wurde unter Türkis-Blau mehr oder weniger aufgekündigt, als Gesetze ohne Begutachtung der Sozialpartner einfach umgesetzt wurden. So war es die Aufgabe der Gewerkschaften, die negativen Folgen der Reformen im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen abzufedern. Dabei wurde einiges für die Beschäftigten erreicht: eine bessere Bezahlung von Überstunden und Zuschlägen, neue Freizeitoptionen oder die Vier-Tage-Woche im Handel.
Die Kollektivvertragsverhandlungen sind generell ein wichtiger Bestandteil im Kampf um faire Arbeitsbedingungen.
Die Kollektivvertragsverhandlungen sind generell ein wichtiger Bestandteil im Kampf um faire Arbeitsbedingungen. In Österreich gehören sie zur Arbeitswelt dazu und sind mittlerweile zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Peter Schleinbach, Bundessekretär der Gewerkschaft PRO-GE, hebt hervor: „Für uns sind Kollektivverträge zum Normalfall geworden, aber wenn man bedenkt, dass es eigentlich keine gesetzliche Basis für jährliche Lohnerhöhungen gibt, ist es umso bemerkenswerter, dass die Kollektivvertragsarbeit kontinuierlich weitergeht.“
Die Lohnverhandlungen sind dabei ein zentraler Bestandteil, wenn auch keineswegs der einzige: „Kollektivver-träge sind ein Werkzeug, um Gesetze auszubauen, Gesetzesbestimmungen zu verbessern und an die jeweilige Branche mit ihren spezifischen Bedürfnissen anzupassen und zu individualisieren“, so Canan Aytekin, Leiterin der Fachbereiche der Gewerkschaft vida. Und dafür setzen sich die einzelnen Gewerkschaften Jahr für Jahr ein: das Arbeitsleben der unselbstständig Beschäftigten zu verbessern.
Diese Bemühungen haben mittlerweile bereits Tradition. In der Vergangenheit haben sich die Gewerkschaften immer wieder für ein gutes Leben der ArbeitnehmerInnen eingesetzt. Ein zentraler Bestandteil der Errungenschaften betrifft die Arbeitszeit. Mit Ausnahme der neuen Arbeitszeitregelung unter Türkis-Blau wurde diese im Sinne der Gesundheit und mit dem Ziel einer ausgewogenen Work-Life-Balance stetig reduziert. Wenn man bedenkt, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwölf- bis vierzehnstündige Arbeitstage die Regel waren und in manchen Branchen sogar bis zu achtzehn Stunden täglich gearbeitet wurde, sieht man, wie weit der Weg war, der hier bereits zurückgelegt wurde.
Riegel gegen Willkür
Seither wurden viele Bestimmungen gesetzlich verankert, um der arbeitgeberlichen Willkür einen Riegel vorzuschieben. Doch es gab immer jemanden, der noch mehr erreichen wollte: die Gewerkschaften. So wurde 1959 ein Generalkollektivvertrag zwischen dem ÖGB und der Bundeskammer vereinbart, der die damals gültige gesetzliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden auf 45 reduzierte. Auch die 1970 vereinbarte schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche – ebenfalls über einen General-KV – ist den Verhandlungen des ÖGB zu verdanken. Seit 1985 gab es zudem erste Kollektivverträge, die sogar Arbeitszeiten mit weniger als 40 Stunden vorsahen. Und das ist auch gut so, denn überlange Arbeitszeiten erhöhen das Unfallrisiko und gefährden die Gesundheit.
Überlange Arbeitszeiten erhöhen das Unfallrisiko und gefährden die Gesundheit.
Ein weiterer Bereich, in dem sich die Gewerkschaften starkmachen, ist der Urlaubsanspruch. Denn wer viel arbeitet, braucht auch entsprechende Erholungsphasen. Heute haben wir Anspruch auf fünf Wochen Urlaub pro Jahr. Doch das war nicht immer so. Bis 1973 betrug das jährliche gesetzliche Urlaubsausmaß lediglich zwei Wochen. Jedoch haben die Gewerkschaften erreicht, dass es zahlreiche Kollektivverträge gab, die günstigere Regelungen vereinbart hatten.
Obwohl der gesetzliche Urlaubsanspruch damals nur zwei Wochen vorsah, konnte dieser dank des 1964 abgeschlossenen Generalkollektivvertrags auf einen dreiwöchigen Mindesturlaub erhöht werden. Die vierte Urlaubswoche kam 1977 hinzu, die fünfte gibt es seit 1986. Aufgrund der gestiegenen Anforderungen, der beschleunigten, globalisierten Abläufe und des erhöhten Drucks wird nun die Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche laut. Wieder ein Vorhaben, bei dem noch ein langer Weg vor uns liegt. Doch zusammen sind wir stark.
Zusammen sind wir stark.
Aber auch für andere Personengruppen setzen sich der ÖGB und die Gewerkschaften ein: für die Menschen in Ausbildung, die Arbeitslosen und die PensionistInnen. Für mehr Gerechtigkeit. Als Gegengewicht zu Wirtschaftslobbys, Industriellenvereinigung und zuletzt auch gegen eine Regierung, die vornehmlich im Interesse der Wirtschaft handelte. Und das, damit andere Werte nicht untergehen: Die Freizeit. Die Familie. Die Gleichstellung. Die Mitbestimmung. Gesunde und gerechte Arbeitsbedingungen. Faire Einkommen. Für alle!
Beatrix Mittermann
ÖGB-Verlag
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/19.
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