Reportage: Wir sind keine Roboter

(C) Christian Fischer
Es gab zu viel Arbeit, zu viele Überstunden und zu wenig Spaß. Klaus Hochreiter plante drei Jahre an der Umstrukturierung seiner Firma. Ziel ist eine echte Work-Life Balance für alle MitarbeiterInnen.

Inhalt

  1. Seite 1 - Ein Unternehmen denkt um
  2. Seite 2 - Positive Zwischenbilanz
  3. Seite 3 - Kein Handy am Arbeitsplatz
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Seit 1. Oktober hat das oberösterreichische Unternehmen eMagnetix die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich eingeführt. So wurde die kleine Firma auch für Fachkräfte attraktiv.
Bad Leonfelden ist eine Mühlviertler Stadtgemeinde mit knapp über 4.000 BürgerInnen. Rund 28 Kilo­meter von Linz und bloß sechs Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt. Bekannt für Kuren und Wanderrouten, weniger für seine Innovationen. Doch der Schein trügt: Mit eMagnetix hat hier ein dynamisches Unternehmen seinen Sitz. Die MitarbeiterInnen des Unternehmens für Online-Marketing bezeichnen sich selbst als „eMagneten“: „Wir lieben, was wir tun – und das ist unser Erfolgsrezept“, heißt es auf der Internetseite. Eine der eMagnetInnen ist die 27-jährige Carina Hammer, die den Bereich Content leitet. Die Oberösterreicherin studierte Kommunikationswissenschaften in Salzburg und verfasst nun unter anderem Texte und Blog-Beiträge für die Webseiten von Kunden. Schlicht: Sie kümmert sich um das sogenannte „Futter“ für die Suchmaschinen (SEO, Suchmaschinenoptimierung). Obwohl das Internet niemals schläft, verlässt sie das Büro selbst im Winter, wenn es draußen noch hell ist. Die Kernarbeitszeit bei eMagnetix endet nämlich um 14 Uhr. „Ich gehe raus, wenn die Sonne scheint, und kann sogar noch Sport an der frischen Luft betreiben“, erzählt Hammer, die etwa begeistert Snowboard fährt. Die positiven Auswirkungen sieht und spürt sie auch bei ihren KollegInnen.

Zeit zu handeln

Bei ihrem Start bei der Firma 2015 war das noch ganz anders. „Wir hatten viel Arbeit und Überstunden, die Kunden mussten immer länger auf die Umsetzung warten. Das war in Summe eine sehr unbefriedigende Situation für alle“, erinnert sich Klaus Hochreiter, Geschäftsführer und Mitbegründer der Online Marketing-Firma. Auch der 37-jährige gebürtige Bad Leonfeldner frönt dem Sport – als Rennradler verbringt er zum Ausgleich gerne Zeit am Sattel, im Winter auf dem Ergometer. Das ist mit ein Grund, weshalb das heute 10-jährige Unternehmen großzügig umgeplant wurde. „In Wahrheit hat es keinem mehr richtig Spaß gemacht, keiner hatte mehr Zeit für einen Ausgleich, und die Perspektive fehlte.“ Gemeinsam mit Thomas Fleischanderl, ebenfalls Mitbegründer, Geschäftsführer und gebürtiger Bad Leonfeldner, startete 2015 der Umdenkprozess. Beiden war bewusst: „Wir müssen etwas gravierend ändern.“

(C) Christian Fischer
Projektmanagerin Birgit Tautscher absolvierte ihre Ausbildung zur zertifizierten Yogatrainerin, hier wird der Krieger gezeigt.

Es war Zeit zu handeln. „Für bestimmte Jobs haben wir keine Bewerbungen mehr bekommen, weil wir ganz stark vom Fachkräftemangel betroffen sind“, erinnert sich Hochreiter. Und: „Als Standort sind wir nicht so zentral.“ Gerade im Online-Marketing sind die Fachkräfte noch sehr jung, schließlich ist auch die Branche noch taufrisch. Das oberösterreichische Unternehmen bietet bezahlte Werbung auf allen möglichen Plattformen an: Google, Bing, Xing, LinkedIn, Facebook, Twitter, Instagram. Dafür braucht es Profis, und die sind bei eMagnetix jetzt im Durchschnitt 28 Jahre alt. Die Geschäftsführer nahmen im Vorfeld andere Unternehmen und internationale Arbeitsmodelle unter die Lupe. „Wir haben zuvor schon bei Bewerbungsgesprächen gemerkt, was die jungen Leute wollen. Da geht es viel um die Work-Life-Balance, da lockt man nicht mit einem Gehalt“, erklärt Geschäftsführer Hochreiter.

Es war Zeit zu handeln: Schrittweise wurde die 30-Stunden-Woche eingeführt.

Der Entschluss für die 30-Stunden-Woche war gefallen, sie wurde schrittweise eingeführt. Mit 1. Juli 2018 wurde die Arbeitszeit erst auf 34 Stunden verkürzt, im Oktober dann auf 30 Stunden. Das Gehalt ist gleich geblieben, bei den Teilzeitbeschäftigten wurde es nach oben angepasst. Pausen gibt es freilich nach wie vor, sie haben sich nicht verkürzt, und es wird auch nicht gefordert, das gleiche Arbeitspensum in weniger Stunden zu erfüllen. „Dann wäre es eine Frage der Zeit, bis alle ein Burn-out haben“, wissen die beiden Geschäftsführer.

Dabei gab es im Unternehmen durchaus klassische Arbeitsansätze: „Früher dachten wir: Du musst die Leute kontrollieren, sonst tut keiner etwas und jeder liegt auf der faulen Haut“, sagt Hochreiter. Es gab eine Reihe von Regeln für die Zusammenarbeit. „Die haben wir alle gelöscht. Wir haben drei Werte: Eigenverantwortung, Vertrauen und Mitspracherecht. Jeder weiß, was er zu tun hat. Wir laufen da nicht hinterher.“ Der neue Ansatz funktioniert. Inzwischen zählt eMagnetix 30 statt 15 MitarbeiterInnen – ein Wachstum auf das Doppelte innerhalb von nur eineinhalb Jahren. Die schöne Provinz ist nicht länger ein Hindernis. Hochreiter: „Nun bewerben sich wieder Top-Talente bei uns.“

Durch die 30-Stunden-Woche hat sich sehr viel geändert, das Feeling ist besser. Ich bin jeden Tag ausgeschlafen, ganz anders als früher.

Texterin Carina Hammer wohnt in Reichenau, etwa acht Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Im Winter fährt sie mit dem Auto zur Arbeit, ansonsten oft mit dem Fahrrad. Das kostet Hammer eine halbe Stunde, geduscht wird im Büro. „Durch die 30-Stunden-Woche hat sich sehr viel geändert, das Feeling ist besser. Ich bin jeden Tag ausgeschlafen, ganz anders als früher.“ Um Zeit einzusparen, werden Projekte lange im Vorhinein geplant und Arbeitsprozesse unter die Lupe genommen. Es werden „Tools“ verwendet, die gewisse Arbeiten obsolet machen, so wird etwa der Wochenbericht heute vollkommen automatisiert erstellt. Und auch die Leiterin des Bereichs Content weiß die Werkzeuge gut zu nutzen: Von ihr erstellte Vorlagen helfen unter anderem dabei, Mails mit ähnlichen Inhalten wesentlich schneller zu erstellen. Einen Text für Kunden formuliert sie deshalb allerdings nicht im Eiltempo, aber „ich bin allgemein effizienter geworden“.

Heute hat Hammer auch unter der Woche Zeit: für Familie, Freunde und Sport, fürs Einkaufen, Kochen, Lesen und so manches andere. In der 40-Stunden-Woche hat sie sich spätestens um 14 Uhr auf ihre Schokoladen-Schublade im Büro gestürzt, Süßes zum Aufputschen ist jetzt nicht mehr notwendig. Sind die Bedingungen für ihren Outdoor-Sport nicht ideal, geht Hammer ins nahe Fitnesscenter. Ihr bleibt morgens genügend Zeit zum Frühstücken oder auch, um ins Café zu gehen, wenn sie erst um 9 Uhr beginnt: „Die Gleitzeit ist ideal, weil sich das Privatleben gut abstimmen lässt.“ Carina Hammer scheint wirklich zufrieden zu sein.

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