Wie gemeinnützig ist das Internet?

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  1. Seite 1 - Problematische Monopole
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Die Wurzeln des Internets liegen im staatlichen oder staatlich geförderten Bereich. Ende der 1990er-Jahre sprangen private Konzerne auf den digitalen Zug auf.
Wie kann man unterschiedliche Computersysteme dazu bringen, miteinander zu kommunizieren? Dieses Problem trieb Ende der 1980er-Jahre den Wissenschafter Tim Berners Lee vom Forschungszentrum CERN um. Um das Problem zu lösen, entwickelte er 1990 die Programmiersprache HTML. Sie ist bis heute der grundlegende Baustein des modernen Internets.

Lee betrachtete seine Erfindung als einen Dienst für die Allgemeinheit. Er wollte, dass sich WissenschafterInnen weltweit miteinander vernetzen können, um an den Problemen der Menschheit zu arbeiten. Deshalb meldete er auch kein Patent an. Hier liegt der Gründungsmythos des Internets: eine Technologie, welche der Information zur Freiheit im Dienste aller Menschen verhelfen soll.

Schon in den vorhergehenden Jahrzehnten wurden Vorläufer des Internets entwickelt. 1960 arbeitete das US-amerikanische Militär an einem Computernetzwerk, um die Rüstungsforschung besser verknüpfen und koordinieren zu können. Die chilenische Linksregierung unter Salvador Allende bastelte in den frühen 1970er-Jahren an dem computergestützten Fernschreibernetzwerk „Cybersyn“. Dieses sollte der Regierung bei der effizienten Gestaltung einer sozialistischen Planwirtschaft helfen.

Die Wurzeln des Internets liegen also im staatlichen oder zumindest staatlich geförderten Bereich. Das gerät leicht in Vergessenheit, betrachtet man die schöne bunte Onlinewelt der heutigen Zeit. Spätestens Ende der 1990er-Jahre sprangen private Konzerne auf den digitalen Zug auf. Sie profitierten von der Vorarbeit, die der öffentliche Sektor geleistet hatte. Das Paradoxe an dieser Situation ist, dass nie zuvor in der Menschheitsgeschichte so viele Menschen über Computer miteinander vernetzt waren wie heute, während zeitgleich eine Handvoll Großkonzerne die weitgehende technologische Kontrolle über das Internet übernommen hat.

Problematische Monopole

Es ist ja so praktisch. Soziale Medien sind auch in der internationalen gewerkschaftlichen Arbeit nicht mehr wegzudenken. AUVA-Beschäftigte organisierten sich in Facebook-Gruppen, um für ihre Demonstration gegen die von der Regierung geplanten Einsparungen am 1. Mai zu mobilisieren. Als ebenfalls am 1. Mai in Großbritannien Beschäftigte von McDonald’s streikten, konnte man über Twitter weltweit live dabei sein. Auch Onlinepetitionen gehören inzwischen zum Standardrepertoire bei der Durchführung gewerkschaftlicher Kampagnen.

Doch wie immer, wenn es um Produkte privater Konzerne geht, gibt es auch hier einen Preis zu zahlen. Zwar verlangt Facebook von seinen NutzerInnen kein Geld, aber das weltgrößte soziale Netzwerk verdient seine Milliarden mit Werbung und Datenhandel. Der in London lehrende, aus dem Waldviertel stammende Medienwissenschafter Christian Fuchs sieht hier den größten Knackpunkt der „sozialen Medien“. In seinem Text „Internet, Kapitalismus und periphere Entwicklung im Waldviertel“ schreibt er: „Das Problem sozialer Medien ist, dass sie primär von kalifornischen Unternehmen betrieben werden, die die persönlichen Daten der NutzerInnen zur Ware machen und diese Daten nutzen, um Werbetreibenden personalisierte Werbung auf den Profilen der AnwenderInnen zu ermöglichen. Soziale Medien wie Facebook und Google sind keine sozialen Kommunikationsunternehmen, sondern die größten Werbeunternehmen der Welt, die an individueller Profitsteigerung orientiert sind und dazu die digitale Arbeit der NutzerInnen ausbeuten.“

Die so gesammelten Daten können auch noch ganz anderen Zwecken zugeführt werden. Fuchs erklärt dazu: „Die Aufdeckungen von Edward Snowden haben verdeutlicht, dass es einen überwachungsindustriellen Komplex gibt, in dem Geheimdienste mit privaten Sicherheitsunternehmen wie Booz Allen Hamilton und Kommunikationsunternehmen wie AOL, Apple, Facebook, Google, Microsoft, Paltalk und Yahoo zusammenarbeiten, um die Destinationen und Inhalte der Kommunikation von BürgerInnen zu überwachen.“ Das betrifft auch gewerkschaftliche Kommunikation in sozialen Medien, was vor allem dann bedacht werden sollte, wenn sich etwa eine Belegschaft unter klandestinen Bedingungen in einem gewerkschaftsfeindlichen Unternehmen organisiert.

Doch zurück zur Frage nach dem Gemeingut Internet. Fuchs nähert sich dieser Frage von seiner Kenntnis der Zustände im Waldviertel aus. Er beschreibt die Gegend als spärlich besiedelt, wofür er auch die De-Industrialisierung der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich macht. Viele Orte im Waldviertel hätten nur eine langsame, teilweise auch gar keine funktionierende Internetverbindung. Das wird von den Versorgern durchaus zugegeben. Fuchs zitiert Hermann Gabriel, den Unternehmenssprecher der A1 Telekom Austria AG: „Man muss sagen, dass das Waldviertel einerseits aufgrund seiner topografischen Situation und der dichten Bewaldung, andererseits durch die dünne Besiedelung sehr schwierig zu versorgen ist.“

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Menschen im Waldviertel zwar dieselben Preise für ihre Telekommunikationsversorgung zahlen wie anderswo auch, dafür aber geringere Dienstleistungen erhalten. Dieser Zustand erinnert an die immer noch schwelende Diskussion rund um die sogenannte Netzneutralität. Damit ist gemeint, dass alle Daten bei ihrer Übertragung im Internet gleichbehandelt werden müssen. Die großen Internetprovider wollen das jedoch ändern. Sie wollen, dass man zukünftig für schnelle Datenübertragung besonders viel Geld hinlegen muss. In den USA wird diese Frage gerade in Senat und Repräsentantenhaus heftig diskutiert. Das Beispiel Waldviertel zeigt allerdings, dass auch bei (noch) bestehender Netzneutralität längst nicht alle Gegenden von den Telekommunikationskonzernen gleichbehandelt werden.

Hier kommt das „Gemeingut“ ins Spiel. Trotz der Dominanz der großen Konzerne haben sich Elemente der Gemeinnützigkeit im Internet erhalten. Mit Wikipedia ist eine internationale, nicht kommerzielle Enzyklopädie herangewachsen. Gewerkschaftsnahe Webseiten wie der Blog der Arbeit&Wirtschaft veröffentlichen Beiträge mit der Creative-Commons-Lizenz, um diese der Allgemeinheit zugänglich zu machen. All diese Initiativen haben sich die Verbreitung frei zugänglicher Information über das Internet auf die Fahnen geschrieben.

Nichtkommerzielle Alternativen

Fuchs hält es für absolut vernünftig, hier anzusetzen. Für Österreich fordert er: „Es wäre durchaus sinnvoll, dass der ORF eine Art nichtkommerzielles YouTube entwickelt, während ein nichtkommerzielles Facebook und nichtkommerzielle WIFI-Netzwerke zivilgesellschaftlich organisiert sein sollten und durch eine partizipative Mediengebühr staatliche Hilfen bekommen könnten.“ Auf internationaler Ebene gibt es so etwas Ähnliches bereits. Die „Diaspora Foundation“ bietet eine gemeinnützige Facebook-Alternative an, die nicht auf Datenhandel beruht und anonyme Kommunikation ermöglichen soll. Weite Verbreitung fand sie allerdings nicht.

Für das Waldviertel entwickelt Fuchs die Idee lokaler und regionaler Freifunknetze, die von „nichtkommerziellen, gemeinwohlorientierten, selbstverwalteten Betrieben oder Gemeinden“ angeboten werden sollen. Hierin sieht er auch eine Chance für eine Wiederbelebung der Region, die seit Jahren durch starken Bevölkerungsrückgang gekennzeichnet ist: „Eine kommunalisierte oder selbstverwaltete Kommunikationsinfrastruktur kann Teil gemeinnütziger lokaler Strukturen in globalen Dörfern sein, die es für junge Menschen attraktiv machen, in Regionen wie dem Waldviertel zu leben und tätig zu sein.“

Ein ähnliches kommunalisiertes Internetsystem sei im Jahr 2005 infolge des Hurrikans Katrina in New Orleans in Planung gewesen. Allerdings habe es dagegen „großen Widerspruch der lokal einflussreichen Telekommunikationskonzerne“ gegeben, die versucht hätten, das Projekt „zu boykottieren“. Ohne eine Auseinandersetzung mit den Großkonzernen wird es auch im Internet keinen Fortschritt geben.

Weiterführende Links:
Der Text „Internet, Kapitalismus und periphere Entwicklung im Waldviertel“ von Christian Fuchs ist als kostenloser Download erhältlich
Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Formen von Creative Commons findet sich hier
Im Februar 2014 beschäftigte sich der Fernsehsender 3sat mit den gemeinnützigen Wurzeln des Internets
Der Verein „Wikimedia“ fühlt sich der gemeinnützigen Informationsverbreitung verpflichtet

Von
Christian Bunke
Freier Journalist

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/18.

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