Wider die Auswüchse des Marktes

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Eine Reform des Mietrechts ist längst überfällig, um leistbares Wohnen auch in Zukunft zu gewährleisten - und um MieterInnen Rechtssicherheit zu geben.
In Wien werden rund sieben von zehn Mietverträgen jährlich im privaten Mietwohnungssegment abgeschlossen – insgesamt sind es 55.000. Dabei stechen zwei Fakten besonders hervor: Erstens sind die Mieten hier um durchschnittlich 41 Prozent höher als im sozialen Wohnbau, außerdem sind zwei Drittel dieser Verträge befristet. Dies wird von der Immobilienwirtschaft und den ihr nahestehenden politischen Kräften gerne damit gerechtfertigt, dass „die Privaten“ keine Steuervorteile hätten und keine Förderungen bekämen. Das ist falsch. Viele Sanierungen und Neubauten von privaten EigentümerInnen oder Bauträgern wurden und werden direkt aus den Mitteln der Wohnbauförderung unterstützt.

Vielfältige Förderungen für Private

Seit Beginn der sanften Stadterneuerung wurden etwa in Wien mehr als 2,5 Milliarden Euro Sanierungsförderung an private Vermieter gewährt, oft handelte es sich dabei sogar um nicht rückzahlbare Zuschüsse. Zusätzlich werden in Österreich jährlich etwa 400 Millionen Euro an Wohnbeihilfen ausbezahlt – auch diese kommen den privaten Vermietern finanziell zugute. Dazu kommt die indirekte Förderung durch die öffentliche Hand und damit letztlich der SteuerzahlerInnen. Der Wert von Immobilien und ihre Wertsteigerungen resultieren nämlich oft nicht aus der eigenen Leistung der EigentümerInnen, sondern aus den Investitionen und Entscheidungen der Allgemeinheit: Wohnungen können zumeist nur dort lukrativ vermietet werden, wo die öffentliche Hand für die Infrastruktur, für die Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen und den sozialen Frieden sorgt. Nicht vergessen werden darf das Steuerprivileg der privaten Vermieter, wonach sie den Herstellungsaufwand auf ein vorhandenes Gebäude in vielen Fällen nicht auf die Restnutzungsdauer verteilen müssen, sondern diesen auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verteilen können.

Im Moment bereitet das Mietrecht im rechtlichen Alltag große Schwierigkeiten, weil Mietverhältnisse in vielen Detailfragen keinen einheitlichen rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen. So kann es passieren, dass manche Mietverhältnisse in einem Haus dem Mietrechtsgesetz gar nicht unterliegen (z. B. Dienstwohnungen), manche teilweise (z. B. ein Dachbodenausbau aus dem Jahr 2004) und manche wiederum voll (z. B. die Wohnungen in den unteren Geschoßen). Oder es ist möglich, dass in ein und demselben Haus bestimmte MieterInnen keinen Anspruch auf Betriebskostenabrechnungen haben, andere MieterInnen aber schon.

Rechtsklarheit nötig

Ein weiteres Beispiel: Auf gefördert errichtete Mietwohnungen ist das Mietrecht voll anwendbar. Dies kann sich aber auf einen Schlag ändern, wenn dieselben Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden, denn in diesem Fall unterliegen sie nur zu einem geringen Teil dem Mietrechtsgesetz. Das Mietrechtsgesetz sollte prinzipiell einheitlich für alle Mietverhältnisse gelten – bis auf einige wenige sachlich begründete Ausnahmefälle wie etwa bei Beherbergungsbetrieben. So würde endlich die seit Jahrzehnten gewünschte Rechtsklarheit geschaffen werden. Eine weitere Differenzierung kann bei einzelnen Bestimmungen vorgenommen werden, etwa bei Geschäftsräumlichkeiten, Dachgeschoßausbauten oder frei finanzierten Neubauten, die nicht älter als 30 Jahre sind.

Untaugliches System

Eine „taugliche Mietenbegrenzung“ gegen die Auswüchse des Marktes: Dies war das Ziel des Richtwertmietensystems, das im Jahr 1994 eingeführt wurde. In der Praxis ist dieses System aber untauglich. So gibt es beispielsweise keine gesetzliche Definition oder Begrenzung der Zuschläge zum Richtwert, und zwar weder der Art noch der Höhe nach.

Des Weiteren ist die Höhe des Lagezuschlages ohne teure Sachverständige oder gar Gerichtsverfahren nicht überprüfbar. In der Praxis orientiert er sich überdies an den explodierenden Grundstückspreisen, nicht selten ziehen Sachverständige die Preise von Luxuseigentumswohnungen zur Berechnung dieses Zuschlages heran.

Die Richtwertmieten sind daher bereits für Durchschnittshaushalte eine enorme finanzielle Belastung. Die gesetzlichen Vorschriften sind überdies so ungenügend, dass nicht nur die MieterInnen, sondern selbst fachkundige MietervertreterInnen, RechtsanwältInnen und sogar die Gerichte kaum beurteilen können, ob der Hauptmietzins korrekt berechnet wurde. Wenn VermieterInnen einfach die am freien Markt erzielbaren Mieten verlangen, gehen sie nicht einmal ein Risiko ein. Allenfalls „droht“ ihnen die Rückzahlung des rechtswidrig erhaltenen Betrages inklusive gesetzlicher Zinsen. Im Gegensatz dazu scheuen viele MieterInnen den Gang zu Gericht – aufgrund der unklaren Rechtslage und auch wegen des Kostenrisikos. MieterInnen mit befristeten Mietverhältnissen fürchten überdies um die Verlängerung des Vertrages.

Gravierende Verbesserungen nötig

Eine wirksame Mietzinsobergrenze soll freilich „echte“ Investitionen zur Neuschaffung von Wohnraum nicht verhindern. Eine intelligente Regelung könnte Investitionen in den Neubau sogar gezielt anregen. Das am Markt befindliche Kapital würde dann dorthin ausweichen, wo es schrankenfrei verdienen kann: in zusätzliche Wohnbauproduktion. Damit das Richtwertsystem auch ein effektives Mietenbegrenzungssystem ist, muss es gravierend verbessert werden. Folgende Änderungen sind notwendig:

  • Bundesweit einheitlicher Richtwert/Basismietzins von 6 Euro/m²,
  • Geltung der Mietpreisbegrenzung für alle Mietverhältnisse über Wohnungen, ausgenommen frei finanziert errichtete Neubauten, die nicht älter als 30 Jahre sind,
  • eine klare gesetzliche Nennung der zulässigen Zuschläge zum Richtwert, der Art und der Höhe nach,
  • jedenfalls eine wirkungsvolle Begrenzung des Lagezuschlages beispielsweise mit 20 Prozent des Richtwertes für beste Lagen – mit diesem Zuschlag erhält der Vermieter ja nicht für eigene Leistungen ein Entgelt, sondern für Leistungen von aus Steuermitteln finanzierten öffentlichen Infrastruktureinrichtungen; z. B. U-Bahn Bau,
  • bei gesetzeswidrigen Mieten, sollten Vermieter den MieterInnen das Doppelte des verlangten Betrages zurückzahlen müssen.

Befristete Mietverhältnisse bedeuten nicht nur eine enorme Rechtsunsicherheit und damit weniger MieterInnenschutz – sie verteuern die Wohnkosten durch regelmäßig fällige Übersiedlungs- und Maklerkosten etc. Weiters ist der Verlust sozialer Netze und Bezugspunkte sehr problematisch, insbesondere für Familien mit Kindern. Befristungen werden noch dazu sehr oft zum Lukrieren von „windfall profits“ benutzt.

MieterInnen unter Druck

Ein typisches Beispiel sind MieterInnen, die bei Ablauf der Mietdauer vor die Wahl gestellt werden: Entweder sie müssen mit ihrer Familie die Wohnung und meist auch die gewohnte Wohnumgebung aufgeben – oder sie stimmen einer Verlängerung des Mietvertrages zu einem um z. B. 20 Prozent höheren Mietzins zu (weil das der Markt jetzt hergeben würde). Die MieterInnen sollen also dem Vermieter mehr Leistung erbringen, obwohl der Vermieter keinerlei Mehrleistung selbst erbringt. Deshalb sollten Befristungen für Mietverhältnisse über Wohnungen nur bei sachlicher Rechtfertigung zulässig sein. Eine Ausnahme könnte sein, wenn der Vermieter oder die Vermieterin bereits bei Mietvertragsabschluss einen konkreten zukünftigen Eigenbedarf für sich oder Verwandte in gerader Linie absehen kann.

In Österreich sind Mietrecht, Wohnbauförderung und der gemeinnützige Sektor als Instrument aktiver Wohnungspolitik zumindest weitgehend anerkannt. Es ist aber wohl verkürzt, dies als bloße Sozialpolitik zu sehen. Wenn Mieten stärker als das allgemeine Preisniveau steigen, wie dies in den Ballungsräumen bei praktisch jedem Neuvertragsabschluss der Fall ist, hat dies negative Effekte auf den Konsum – und somit auf Wachstum und Beschäftigung.

Überproportionale Steigerungen der Mieten bedeuten zudem verstärkte Ausgaben für die Wohnbeihilfe, also für die öffentliche Hand. Diese Steuereinnahmen fehlen der Allgemeinheit dann an anderer Stelle, etwa für den Bau von Schulen und Spitälern. Das Mietrecht in seinen vielschichtigen Auswirkungen muss daher auch als Instrument der Wirtschaftspolitik bezeichnet werden.

AK-Studie „Mietensteigerungen in Österreich und in Wien
AK-Analyse „Wohnst du schon oder suchst
du noch?“

Von
Walter Rosifka
Abteilung Konsumentenschutz der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/17.

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