Führen Mindestlöhne zu höherer Arbeitslosigkeit?
Arbeitsplätze entstehen auch, wenn Mindestlöhne erhöht werden
Höhere Mindestlöhne schützen vor Armut und steigern die Kaufkraft. Mindestlöhne führen klar nachweisbar zu höheren Löhnen im Niedriglohnbereich, haben aber einen sehr schwachen bzw. keinen Effekt auf die Anzahl der Beschäftigten. Mindestlöhne sorgen also nicht dafür, dass die Arbeitslosigkeit steigt.
Das zeigen die Erfahrungen aus vielen Ländern, darunter die USA, Großbritannien, Portugal, Deutschland und Tschechien. (tinyurl.com/lfkmeor)
Werden Unternehmen ins Ausland abwandern?
Die betroffenen Branchen können nicht abwandern
Wenn man sich anschaut, welche Branchen hauptsächlich Niedriglöhne zahlen, wird klar: Die können gar nicht abwandern, weil sie überwiegend im Dienstleistungssektor zu finden sind und in Österreich bleiben werden, weil hier ihre KundInnen sind. Beispiele sind TaxifahrerInnen, FußpflegerInnen, FriseurInnen oder Beschäftigte in Pflege- und Kureinrichtungen.
Profitiert vor allem der Staat von höheren Mindestlöhnen?
Beschäftigte profitieren von mehr Netto und höherer Pension
Unternehmer, die keine höheren Mindestlöhne zahlen wollen, argumentieren so: Steigt der Lohn von 1.350 Euro auf 1.500 Euro brutto, also um 150 Euro, dann bleibt der oder dem Beschäftigten unterm Strich ein Netto-Plus von gerade einmal 83 Euro. Profitieren würde also hauptsächlich der Staat.
Sie dürften sich nur schwer vorstellen können, wie wichtig es für Menschen mit so niedrigen Einkommen ist, „nur“ 83 Euro mehr zu bekommen bzw. knapp 1.200 Euro mehr pro Jahr.
Und: Was davon abgezogen wird, bekommt nicht „der Staat“, sondern zum Beispiel die Sozialversicherung. Und von höheren Sozialversicherungsbeiträgen profitieren die Beschäftigten selbst: durch höhere Pension und falls nötig durch höheres Arbeitslosengeld.
Warum fordern Gewerkschaften in anderen EU-Ländern gesetzliche Mindestlöhne?
Beispiel Deutschland: Gesetzlicher Mindestlohn wegen niedriger KV-Abdeckung notwendig
In Deutschland hat der DGB erfolgreich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes gefordert. Dort ist die Situation aber grundlegend anders als in Österreich: Tarifverträge gelten (im Gegensatz zu den österreichischen Kollektivverträgen) nur in Betrieben, deren Arbeitgeber Mitglied in derjenigen Organisation ist, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat.
Will also ein deutsches Unternehmen den tarifvertraglichen Mindestlohn nicht mehr bezahlen, braucht er nur aus der Organisation auszutreten. Dies ist in Österreich dank der automatischen Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer nicht möglich. Folglich gelten die Tarifverträge in Deutschland nur für weniger als 60 Prozent der ArbeitnehmerInnen.
Es hat sich ein ausufernder Niedriglohnsektor entwickelt. Ein gesetzlicher Mindestlohn war daher notwendig, um die Flucht aus dem Tarifvertrag für die Unternehmer weniger lukrativ zu machen.
Linktipp
Nützliche Infos der Arbeiterkammer: „So viel Lohn steht mir zu“:
tinyurl.com/leh7dpe
Florian Kräftner
ÖGB Kommunikation
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/17.
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