„Dein Kind gehört hier nicht her“
Was Klara erlebt, davon berichten so viele Arbeiter:innenkinder, Menschen, die als Erste in ihrer Familie maturiert oder gar studiert haben. Jenes bürgerliche Selbstverständnis, dass die Welt ihnen offenstehe und das Bildungssystem geradezu für sie gemacht sei, fehlt ihren Familien völlig. Jeder Rückschlag, jede Hürde fungieren als Platzanweiser: Dein Kind gehört hier nicht her.
Als ich selbst mit 16 von einer berufsbildenden Schule ins Oberstufengymnasium wechselte und Unmengen an Stoff in Mathe und Französisch nachholen musste, versemmelte ich die erste Schularbeit in beiden Fächern. „Ich bin skeptisch, ob du das schaffst“, habe ich meinen Vater noch im Ohr. Fieberhaft suchte ich nach Alternativen: eine Lehre in der Apotheke? Erst die guten Noten auf die zweiten Schularbeiten besiegelten meinen Weg zur Matura. Wie groß die Unterschiede in meiner Klasse waren, fiel mir erst viel später auf. Da war zum Beispiel der Architektensohn, der eine Klasse wiederholte und ein ganzes Team von Nachhilfelehrer:innen hinter sich versammelte. Auch ihr Sohn würde Architektur studieren, so die Haltung seiner Eltern von Tag eins an – der Lehrkörper im Gymnasium stand da bloß im Weg.
In Österreich wird #Bildung vererbt: 57 % der Kinder von Akademiker:innen erreichen einen Hochschulabschluss, bei Kindern von Pflichtschulabsolvent:innen sind es nur 7 Prozent. Ganztagsschulen könnten hier Abhilfe schaffen: https://t.co/o7RHvV2pra pic.twitter.com/wcpO2hVgVr
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) September 17, 2024
Bildungsabschlüsse als Erbgut
Geschichten wie diese erzählen auf subtile Weise davon, dass Österreich nicht nur im Hinblick auf Vermögen, sondern auch bei den Bildungsabschlüssen eine Erbengesellschaft ist. Schon seit Langem belegen Studien: Wer Akademiker:innen als Eltern hat, landet viel eher selbst auf einer Universität. Und das ist so gewollt. Gesamt- und Ganztagsschulen hingegen, ausgestattet mit ausreichend Personal, sorgen für deutlich mehr Chancengerechtigkeit – das zeigen zum Beispiel skandinavische Länder vor. Gesamtschulen schaffen ein gutes Umfeld für alle Schüler:innen, um sich zu entfalten, Stärken und Interessen zu entdecken – auch für jene, die eine andere Muttersprache haben als Deutsch und deren Eltern sich teure Nachhilfe schlichtweg nicht leisten können.
Ein Universitätsstudium ist freilich nicht „besser“ als eine Berufsausbildung. Dass Bildung nur versehen mit einem Titel als wertvoll gilt, ist zutiefst klassistisch. Und dennoch: Gegen ein Bildungssystem der Erben, das Kinder aussortiert, statt sie zu unterstützen, gilt es mit allen Mitteln anzukämpfen. Wer krampfhaft am Gymnasium festhält, sichert bloß eigene (Erb-)Privilegien ab. Und das geht auf unser aller Kosten.
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