Will man auf höherer Ebene grundsätzliche wirtschaftspolitische Ziele verankern, so sollten Wohlstand und Wohlergehen als Orientierungspunkte gewählt und in Folge konkretisiert werden. Auch gilt es, Mechanismen zu entwickeln, wie konkrete Prioritäten regelmäßig demokratisch festgelegt werden können. Über Jahrzehnte galt das magische Vieleck der Wirtschaftspolitik über Parteigrenzen hinweg als ein solcher Referenzrahmen. Es fokussierte vor allem auf Wirtschaftswachstum, aber auch auf Vollbeschäftigung, Preisstabilität und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Zwar müsste ein Vieleck heute breiter definiert werden, doch wäre es nach wie vor sinnvoll, einen allgemeinen Referenzrahmen – mit ausreichend Spielraum für die politische Auseinandersetzung um die aktuell adäquate Schwerpunktsetzung – zu definieren.
Wie soll Wohlstand?
Was wäre nun aktuell eine adäquate Prioritätensetzung? Ausgehend von der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit und im historischen Maßstab großen sozialen Unterschieden müsste eine wohlstandsorientierte Wirtschaftspolitik vor allem hier ansetzen. Angesichts der großen Herausforderung, unseren hohen materiellen Wohlstand auch ökologisch nachhaltig zu gestalten, ist zudem auch auf diesen Bereich ein besonderes Augenmerk zu legen. Der gut ausgebaute Wohlfahrtsstaat, der gute Gesundheitsleistungen und ein hohes Bildungsniveau sowie materielle Absicherung im Alter, bei Arbeitslosigkeit und anderen Schwierigkeiten bietet, ist weiter zu verbessern. Wenn die aktuelle Regierung den Sozialstaat nun zusammenstreichen will (mit dem Ziel der Steuersenkung vor allem für Bessersituierte bzw. der angeblichen Attraktivierung des Standortes), betreibt sie das Gegenteil einer wohlstandsorientierten Politik.
Welche konkreteren Maßnahmen wären nun geeignet, Wohlstand und Wohlergehen in Österreich zu fördern? Gesucht sind Initiativen, die die Arbeitslosigkeit reduzieren und die Arbeitsqualität fördern, die ökologische Nachhaltigkeit verbessern und eine faire Verteilungssituation schaffen – ohne die hohe ökonomische Stabilität zu gefährden. Leisten kann das ein weiterer Ausbau sozialer Dienstleistungen, eine verstärkte öffentliche Investitionstätigkeit mit ökologischem Schwerpunkt und eine Arbeitszeitverkürzung:
- Soziale Dienstleistungen – wie Kinderbetreuung, Ganztagesschulen, Bildungsangebote, Sozialarbeit und Pflege – sind sehr beschäftigungsintensiv, sodass zusätzliche Ausgaben von einer Milliarde Euro mit einem Beschäftigungseffekt von mindestens 20.000 Personen einhergehen. Frauen profitieren davon besonders, da vor allem sie diejenigen sind, die diese Dienstleistungen derzeit großteils unbezahlt erbringen.
- Die Herausforderungen der Ökologisierung und Digitalisierung unserer Lebensweise sowie das anhaltende Bevölkerungswachstum insbesondere in den Ballungsräumen erfordern eine Ausweitung der Investitionen, vor allem in den Bereichen sozialer Wohnbau, Energienetze, Forschung und öffentlicher Verkehr. Investitionen in Forschung sind darüber hinaus ein entscheidender Faktor, um Österreich fit für die Zukunft zu machen.
- Arbeitszeitverkürzung kann nicht nur die bezahlte Arbeit gerechter verteilen, sondern ermöglicht jenen, die Arbeit haben, steigenden Wohlstand in Zeitwohlstand umzusetzen. Besonders sinnvoll wäre eine Verkürzung überlanger Arbeitszeiten durch stärkere Kontrolle der Arbeitsgesetze und Anreize zum Abbau von Überstunden. Auch eine Ausweitung des Urlaubsanspruchs, die Erleichterung von Elternteilzeit, Sabbaticals, Qualifizierungsstipendien und Bildungskarenzen eröffnen neue Möglichkeiten für Beschäftigung und Lebensqualität.
Georg Feigl
Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/18.
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