Bei einer Inflation steigen die Preise für Waren und Dienstleistungen. Die Konsument:innen kriegen also weniger für ihr Geld. Liegt diese Preissteigerung bei etwa zwei Prozent pro Jahr, können davon sowohl Wirtschaft als auch Bürger:innen profitieren. Doch im April 2023 betrug die Inflation in Österreich 9,8 Prozent. Also wieder leicht höher als noch im Vormonat. Auf diesem Niveau wird die Inflation zu einer Krise. Arbeit&Wirtschaft erklärt die Hintergründe.
Inflation in Österreich:
- April 2023: 9,8 Prozent
- März 2023: 9,2 Prozent
- Februar 2023: 10,9 Prozent
- Januar 2023: 11,2 Prozent
- Dezember 2022: 10,2 Prozent
- November 2022: 10,6 Prozent
- Oktober 2022: 11,0 Prozent
- September 2022: 10,6 Prozent
- August 2022: 9,3 Prozent
- Juli 2022: 9,4 Prozent
- Juni 2022: 8,7 Prozent
- Mai 2022: 7,7 Prozent
- April 2022: 7,2 Prozent
Was ist Inflation?
Inflation bedeutet, dass die Preise um einen bestimmten Prozentsatz steigen. Waren und Dienstleistungen kosten also mehr. Allerdings nur im Durchschnitt. „Gibt es einen allgemeinen Preisanstieg, heißt das nicht, dass alle Preise steigen. Es kann sogar einzelne Preise geben, die massiv fallen. Andere wiederum steigen extrem an. Auch die Gewichtung der Produkte und Dienstleistungen spielt eine Rolle“, erklärt Michael Ertl. Er ist Referent für Konjunktur- und Verteilungsfragen in der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer Wien.
Die aktuelle Inflation macht das besonders deutlich. Zwischendurch schossen Heizöl (plus 108 Prozent im Vergleich zum Vorjahr), Gas und Energie (plus 79 Prozent), Diesel (plus 66 Prozent) und Superbenzin (plus 59 Prozent) enorm in die Höhe und trieben die Preissteigerung an. Die Merit-Order zog dabei den Strompreis in die Höhe. Gleichzeitig gibt es auch Waren, deren Preise mitten in dieser starken Inflation gesunken sind. So bezahlen Kund:innen für Kleidung (minus 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) und Mobiltelefone (minus 6,7 Prozent) etwas weniger. Davon profitierten enorm – die Gewinn-Preis-Spirale setzte ein.
Jeder, der sagt, die Inflation ist größer als neun Prozent, spricht wahrscheinlich vom Miniwarenkorb. Dort sind die Produkte drinnen, die wöchentlich gekauft werden. Und die sind derzeit besonders von steigenden Preisen betroffen. Hauptsächlich die Treibstoffe.
Michael Ertl, Arbeiterkammer
Miniwarenkorb und Mikrowarenkorb: So wird die Inflation berechnet
Um die Inflation zu berechnen, braucht die Statistik Austria den sogenannten Warenkorb. Darin enthalten sind insgesamt 800 Waren und Dienstleistungen. Um zu ermitteln, was in den Warenkorb muss, dokumentieren tausende Haushalte aus Österreich ihre Ausgaben in allen Lebensbereichen. Kommt ein bestimmtes Gut häufig genug vor, landet es im Warenkorb. Wird es nicht mehr gekauft, fliegt es wieder raus. Das passierte beispielsweise dem Teddybären. Dessen Preisentwicklung beeinflusst die Inflation nicht mehr.
Die Statistik Austria analysiert monatlich die Preise dieser 800 Waren. Seit sich Barcodes und digitale Abrechnungen durchgesetzt haben, ist das vergleichsweise leicht. Früher mussten Preiserheber:innen tatsächlich in die Supermärkte gehen. Wichtig ist, dass kein Durchschnittspreis genommen wird, sondern der Preis der meistgekauften Marke. Bei Butter werden also nicht fünf verschiedene betrachtet, sondern lediglich die Butter, die am häufigsten in Österreichs Kühlschränken landet.
Der Gesamtwarenkorb, mit dem die Inflation berechnet wird, lässt sich in zwei wichtige Unter-Warenkörbe unterteilen. Den Mikrowarenkorb und den Miniwarenkorb. Der Miniwarenkorb repräsentiert alle Waren und Dienstleistungen, die wöchentlich gekauft werden. Dazu gehört beispielsweise eine Tankfüllung für das Auto und die Lebensmittel für die Woche im Supermarkt. Die Preiserhöhungen für einzelne Produkte fallen dabei teils drastisch aus. Das liegt nicht zwangsläufig an steigenden Energiekosten. Den entscheidenden Einfluss haben Lebensmittelspekulationen.
Warum soll die Inflation zwei Prozent betragen?
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gibt an, dass der Zielwert für die jährliche Inflationsrate bei etwa zwei Prozent liegt. Das bedeutet, dass die Politik versucht, eine jährliche Preissteigerung in dieser Größenordnung zu unterstützen. „Das ist nicht extrem hoch, schafft aber einen gewissen Anreiz für Bürger:innen zu konsumieren und für Unternehmen zu investieren“, erklärt Ertl.
Steigen die Preise nicht, oder sinken sie gar, würden Konsument:innen ihre Anschaffungen immer weiter nach hinten verschieben, um Geld zu sparen. Würden das alle machen, käme die Wirtschaft zum Erliegen. Firmen würden nichts mehr absetzen, könnten selbst nicht investieren und würden niemanden mehr beschäftigten. So die Theorie.
Hat die Inflation auch gute Seiten?
Oft bringen Konsument:innen das Argument vor, dass mit der Teuerung die Kreditrückzahlung leichter wird. Wer im Jahr 2019 einen Immobilienkredit aufgenommen hat, jetzt aber durch Gehaltsverhandlungen während der Inflation mehr Lohn bekommt, tut sich theoretisch leichter bei der Rückzahlung. Zumindest bis zu dem Moment, bei dem die EZB Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung ergreift. Ertl: „Auf der einen Seite tue ich mir mit höherem Einkommen bei der Tilgung leichter, auf der anderen Seite sind die Zinszahlungen bei variabel verzinsten Krediten höher, weil die EZB in Rahmen ihrer aktuell restriktiven Geldpolitik die Leitzinsen erhöht.“ Dazu kommt, dass die Ausgaben des täglichen Lebens durch die Teuerung stark gestiegen sind.
Beim Staat gilt das Gleiche. Theoretisch sind dessen Schulden nicht mehr so schwerwiegend, da die Inflation sie entwertet hat. Auf der anderen Seite finanziert die Regierung Antiteuerungsmaßnahmen und dadurch Mehrausgaben. Es gibt jedoch kaum zusätzliche Einnahmen, um diese Ausgaben zu finanzieren. Entsprechend steigt die Verschuldung.
Wie kann die Inflation auf ein normales Maß reduziert werden?
Die Inflation zu beenden, ist gerade für die Regierung einzelner Nationalstaaten quasi unmöglich. „Man sieht, dass die österreichische Regierung wenig Möglichkeiten hat, die Inflation drastisch zu senken. Die Regierung ist jetzt gefragt, die Auswirkungen der Inflation zu verhindern. Die Inflation selbst wird woanders getrieben“, erklärt Ertl. Und auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian kennt im Interview mit Arbeit&Wirtschaft vor allem eine Maßnahme: „In Friedenszeiten gibt es weniger Inflation. Also den Krieg zu beenden, das wäre schon eine gute Sache. Daher steht auf der Agenda aller Gewerkschaften, weltweit, ganz oben: Frieden.“
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) geht davon aus, dass die Inflation in Österreich in diesem Jahr noch zweistellig wird. Das liegt vor allem daran, dass für Gas und die Fernwärme bereits massive Preiserhöhungen angekündigt sind. Zuletzt kletterte die Inflation im Juni 1974 auf einen solchen Wert.