Vorsicht vor den Nebenwirkungen!

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  1. Seite 1 - Belastungen durch lange Arbeitszeiten
  2. Seite 2 - Beschwerden und Erkrankungen bei langen Arbeitszeiten
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Als Faustregel gilt: Je anstrengender die Arbeit, desto kürzer die Arbeitszeit. Wenn dieser Zusammenhang ignoriert wird, steigt das Unfallrisiko und Fehler häufen sich.
Viele Studien zeigen, dass lange Arbeitszeiten die Gesundheit angreifen und auf Dauer krank machen. Und doch ist mit dem 12-Stunden-Tag der allgemeine Raubbau an unserer Gesundheit per Gesetz möglich geworden. Arbeitgebern eröffnet dies die Möglichkeit, um fast 100 Überstunden pro Jahr mehr anzuordnen als bisher.

Schon bevor die Gesetzesänderung verabschiedet wurde, gab es Beschäftigte mit 12-Stunden-Tagen. Aufschluss darüber gibt eine Auswertung des Arbeitsgesundheitsmonitors der AK Oberösterreich aus dem Dezember 2018. Demnach gibt es vier Berufsgruppen, in denen sieben von zehn Beschäftigten zumindest gelegentlich elf oder zwölf Stunden arbeiten: BauarbeiterInnen, TischlerInnen, DachdeckerInnen und FliesenlegerInnen. Bei fast einem Drittel von ihnen ist dies sogar jede Woche der Fall.

Besonders belastet

Auch in der Pflege und im Transportwesen sind überlange Arbeitstage besonders häufig. Belastende Arbeitszeiten werden derzeit also auf der Baustelle, im Pflegeheim oder im Lkw erbracht. Es sind Berufe, die körperlich und psychisch ganz besonders fordernd sind und oftmals schlechte Arbeitsbedingungen haben. Genau das ist aus arbeitsmedizinischer Sicht problematisch. Vielmehr verlangen ArbeitsmedizinerInnen, dass die Länge der Arbeitszeit an die psychische und körperliche Belastungsintensität bei der Arbeit anzupassen ist. In welchen Branchen die neuen Möglichkeiten des Arbeitszeitgesetzes in Zukunft verstärkt genutzt werden, werden erst zukünftige Studien zeigen.

Grundsätzlich gilt als Faustregel:
Je anstrengender die Arbeit, desto kürzer die Arbeitszeit.

Grundsätzlich gilt als Faustregel: Je anstrengender die Arbeit, desto kürzer die Arbeitszeit. Überlange Arbeitszeiten und lange Arbeitsphasen ohne Ruhezeiten sind zu vermeiden. Werden diese Zusammenhänge ignoriert, steigen die Fehlerhäufigkeit und das Unfallrisiko. Als weitere Folge stellen sich auf Dauer spezifische gesundheitliche Beschwerden und Erkrankungen ein.

Die gefährliche neunte Stunde

Daten zu Risiken verschiedener Arbeitszeitmodelle liefert der „Risiko-Index“, der von einem ForscherInnenteam aus den USA und Frankreich erstellt wird. Demnach nimmt ab der neunten Arbeitsstunde das Verletzungsrisiko im Vergleich zur achten Arbeitsstunde mit jeder Stunde zu, in der zwölften Arbeitsstunde liegt es um 70 Prozent höher. Bei mehr als zwölf Stunden Arbeitszeit ist von einer Steigerung von 170 Prozent auszugehen.

Ab der neunten Arbeitsstunde nimmt das Verletzungsrisiko im Vergleich zur achten Arbeitsstunde mit jeder Stunde zu.

Je anstrengender die Arbeit, desto kürzer die Arbeitszeit: Diese Faustregel sollte auch für Arbeiten im Freien im Sommer gelten. Aufgrund des Klimawandels müssen wir davon ausgehen, dass Hitzesommer mit 30 Grad Celsius und mehr keine Ausnahme mehr sein werden. Am Bau werden an solchen Tagen in Baugruben, auf Decken und neben Schalungen Werte über 40 Grad gemessen. Bei Asphaltierungsarbeiten steigen diese Werte sogar auf bis zu 60 Grad und mehr.

Die Gewerkschaft Bau-Holz fordert deshalb, dass Arbeiten am Bau im Freien an Hitzetagen mit mehr als 30 Grad im Sinne der Gesundheit der ArbeitnehmerInnen auf maximal acht Stunden beschränkt werden müssen. Weiters muss die bestehende Hitzeregelung am Bau adaptiert werden. Zukünftig sollen ArbeiterInnen am Bau ab 32 Grad einen Rechtsanspruch darauf haben, ihre Arbeit einzustellen, so eine weitere Forderung der Gewerkschaft Bau-Holz.

Ein weiteres Problem ergibt sich durch den 12-Stunden-Tag, wenn mit Schadstoffen gearbeitet werden muss. Im ArbeitnehmerInnenschutz sind für mehrere hundert gesundheitsschädigende Arbeitsstoffe Grenzwerte festgelegt: eine maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Werte) für gesundheitsschädigende und eine technische Richtkonzentration (TRK-Werte) für krebserzeugende Arbeitsstoffe.

Diese geltenden Grenzwerte sind für eine Arbeitsschicht von acht Stunden und eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden definiert. Bei den jetzt möglichen längeren Arbeitszeiten muss das Gefährdungspotenzial völlig neu beurteilt werden. Die Grenzwerte dürfen nicht einfach durch Hochrechnung an einen längeren Zeitraum angepasst werden. Am Beispiel der Toxinmenge im Blut wurde bereits 1997 wissenschaftlich nachgewiesen, dass bei länger als acht Stunden dauernden Schichten eine überproportional starke Aufnahme von krebserzeugenden Arbeitsstoffen über mehrere Wochen erfolgt ist. Nachdem einige Grenzwerte schon jetzt sehr hoch sind, müssen diese dringend gesenkt werden, um das Gesundheitsrisiko des 12-Stunden-Tages zu minimieren.

Die Liste an Beschwerden und Erkrankungen, die im Zusammenhang mit langen Arbeitszeiten stehen, ist lang.

Die Liste an Beschwerden und Erkrankungen, die im Zusammenhang mit langen Arbeitszeiten stehen, ist lang. Mehrere Studien zeigen deutlich den Zusammenhang zwischen überlangen Arbeitszeiten und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Beschwerden bzw. -Erkrankungen wie Bluthochdruck. Auch das Risiko eines Schlaganfalls steigt: Personen, die 55 Stunden oder länger in der Woche arbeiten, sind davon um 33 Prozent häufiger betroffen als jene, die nur 35 bis 40 Stunden pro Woche arbeiten. Dieser Zusammenhang lässt sich auch für Vorhofflimmern nachweisen.

Auch Untersuchungen zum Bereich der Muskel- und Skeletterkrankungen zeigen einen Zusammenhang mit überlangen Arbeitszeiten, dies betrifft besonders Rückenschmerzen, Muskelschmerzen im Schulterbereich und den unteren Gliedmaßen. Mit der Arbeitszeitdauer nehmen Magenbeschwerden zu, so das Ergebnis einer Befragung, allerdings unterschiedlich nach Altersgruppen. Bei Befragten unter 25 Jahren werden diese insgesamt weniger von der Arbeitszeitdauer beeinflusst als bei älteren Befragten. Bei Personen über 55 Jahren steigen die Magenbeschwerden mit zunehmender Wochenarbeitszeit stark an.

Arbeitsbelastungen
Schon im Jahr 2007 hat die Österreichische Gesellschaft für Arbeitsmedizin die „Grundlagen zur arbeitsmedizinischen Beurteilung von Arbeitszeitregelungen“ veröffentlicht. In dieser Unterlage werden drei verschiedene, spezifische Arbeitsbelastungen beschrieben:

  • physikalische Arbeitsbelastungen (Lärm, mechanische Erschütterungen und Vibrationen, klimatische Bedingungen, [schwere] körperliche Arbeit, manuelle Lastenhandhabung, repetitive Arbeit, Steharbeitsplätze)
  • chemische und biologische Gefährdungen (kanzerogene, sensibilisierende und biologische Arbeitsstoffe) sowie
  • psychomentale Belastungen.

Mehr: www.gamed.at

Lange Liste

Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus weisen ebenfalls einen Zusammenhang mit langen Arbeitszeiten auf. Eine Studie, in der kanadische ArbeitnehmerInnen in Ontario über zwölf Jahre beobachtet wurden, brachte folgendes Ergebnis: Frauen, die 45 oder mehr Stunden pro Woche arbeiten, haben ein um 63 Prozent höheres Risiko, an Diabetes zu erkranken, als jene, die nur 35 bis 40 Stunden pro Woche arbeiten. Die Liste an Risiken ließe sich lang fortsetzen.

Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind das Betriebskapital, das ArbeitnehmerInnen in den Arbeitsprozess einbringen.

Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind das Betriebskapital, das ArbeitnehmerInnen in den Arbeitsprozess einbringen. Nicht nur unsere Arbeitsfähigkeit, auch unsere Lebensqualität hängt davon ab, dass wir dieses möglichst lange erhalten können. Mit der Novelle zum Arbeitszeitgesetz hat es die Bundesregierung ArbeitnehmerInnen jedenfalls schwerer gemacht, ihre Gesundheitsinteressen im Betrieb wahrzunehmen.

Die Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen trägt die Krankenversicherung – sie werden somit zu einem guten Teil von den ArbeitnehmerInnen selbst bezahlt. Und sie sind enorm: jährlich 2,8 Milliarden Euro für körperliche und 3,3 Milliarden Euro für psychische Belastungen. Im Vergleich dazu sind die Behandlungskosten der AUVA für Freizeitunfälle ein Schnäppchen. Doch auch hier stehlen sich die Arbeitgeber aus der Verantwortung. Ab 2023 werden sie jährlich um 500 Millionen Euro weniger an die AUVA zahlen. Auf der VerliererInnenseite stehen wieder die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Für Prävention wird da nicht viel bleiben. Doch genau das sollte die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen wert sein.

Weitere Informationen:
www.gesundearbeit.at
Wifo: „Folgekosten langer Arbeitszeiten“:
tinyurl.com/y2rm96r4

Von
Ingrid Reifinger

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/19.

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ingrid.reifinger@oegb.at
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