Ein weiteres Problem ergibt sich durch den 12-Stunden-Tag, wenn mit Schadstoffen gearbeitet werden muss. Im ArbeitnehmerInnenschutz sind für mehrere hundert gesundheitsschädigende Arbeitsstoffe Grenzwerte festgelegt: eine maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Werte) für gesundheitsschädigende und eine technische Richtkonzentration (TRK-Werte) für krebserzeugende Arbeitsstoffe.
Diese geltenden Grenzwerte sind für eine Arbeitsschicht von acht Stunden und eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden definiert. Bei den jetzt möglichen längeren Arbeitszeiten muss das Gefährdungspotenzial völlig neu beurteilt werden. Die Grenzwerte dürfen nicht einfach durch Hochrechnung an einen längeren Zeitraum angepasst werden. Am Beispiel der Toxinmenge im Blut wurde bereits 1997 wissenschaftlich nachgewiesen, dass bei länger als acht Stunden dauernden Schichten eine überproportional starke Aufnahme von krebserzeugenden Arbeitsstoffen über mehrere Wochen erfolgt ist. Nachdem einige Grenzwerte schon jetzt sehr hoch sind, müssen diese dringend gesenkt werden, um das Gesundheitsrisiko des 12-Stunden-Tages zu minimieren.
Die Liste an Beschwerden und Erkrankungen, die im Zusammenhang mit langen Arbeitszeiten stehen, ist lang.
Die Liste an Beschwerden und Erkrankungen, die im Zusammenhang mit langen Arbeitszeiten stehen, ist lang. Mehrere Studien zeigen deutlich den Zusammenhang zwischen überlangen Arbeitszeiten und dem Risiko für Herz-Kreislauf-Beschwerden bzw. -Erkrankungen wie Bluthochdruck. Auch das Risiko eines Schlaganfalls steigt: Personen, die 55 Stunden oder länger in der Woche arbeiten, sind davon um 33 Prozent häufiger betroffen als jene, die nur 35 bis 40 Stunden pro Woche arbeiten. Dieser Zusammenhang lässt sich auch für Vorhofflimmern nachweisen.
Auch Untersuchungen zum Bereich der Muskel- und Skeletterkrankungen zeigen einen Zusammenhang mit überlangen Arbeitszeiten, dies betrifft besonders Rückenschmerzen, Muskelschmerzen im Schulterbereich und den unteren Gliedmaßen. Mit der Arbeitszeitdauer nehmen Magenbeschwerden zu, so das Ergebnis einer Befragung, allerdings unterschiedlich nach Altersgruppen. Bei Befragten unter 25 Jahren werden diese insgesamt weniger von der Arbeitszeitdauer beeinflusst als bei älteren Befragten. Bei Personen über 55 Jahren steigen die Magenbeschwerden mit zunehmender Wochenarbeitszeit stark an.
- physikalische Arbeitsbelastungen (Lärm, mechanische Erschütterungen und Vibrationen, klimatische Bedingungen, [schwere] körperliche Arbeit, manuelle Lastenhandhabung, repetitive Arbeit, Steharbeitsplätze)
- chemische und biologische Gefährdungen (kanzerogene, sensibilisierende und biologische Arbeitsstoffe) sowie
- psychomentale Belastungen.
Mehr: www.gamed.at
Lange Liste
Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus weisen ebenfalls einen Zusammenhang mit langen Arbeitszeiten auf. Eine Studie, in der kanadische ArbeitnehmerInnen in Ontario über zwölf Jahre beobachtet wurden, brachte folgendes Ergebnis: Frauen, die 45 oder mehr Stunden pro Woche arbeiten, haben ein um 63 Prozent höheres Risiko, an Diabetes zu erkranken, als jene, die nur 35 bis 40 Stunden pro Woche arbeiten. Die Liste an Risiken ließe sich lang fortsetzen.
Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind das Betriebskapital, das ArbeitnehmerInnen in den Arbeitsprozess einbringen.
Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind das Betriebskapital, das ArbeitnehmerInnen in den Arbeitsprozess einbringen. Nicht nur unsere Arbeitsfähigkeit, auch unsere Lebensqualität hängt davon ab, dass wir dieses möglichst lange erhalten können. Mit der Novelle zum Arbeitszeitgesetz hat es die Bundesregierung ArbeitnehmerInnen jedenfalls schwerer gemacht, ihre Gesundheitsinteressen im Betrieb wahrzunehmen.
Die Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen trägt die Krankenversicherung – sie werden somit zu einem guten Teil von den ArbeitnehmerInnen selbst bezahlt. Und sie sind enorm: jährlich 2,8 Milliarden Euro für körperliche und 3,3 Milliarden Euro für psychische Belastungen. Im Vergleich dazu sind die Behandlungskosten der AUVA für Freizeitunfälle ein Schnäppchen. Doch auch hier stehlen sich die Arbeitgeber aus der Verantwortung. Ab 2023 werden sie jährlich um 500 Millionen Euro weniger an die AUVA zahlen. Auf der VerliererInnenseite stehen wieder die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Für Prävention wird da nicht viel bleiben. Doch genau das sollte die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen wert sein.
Weitere Informationen:
www.gesundearbeit.at
Wifo: „Folgekosten langer Arbeitszeiten“:
tinyurl.com/y2rm96r4
Ingrid Reifinger
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/19.
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