Ausgeblendete Männer
Beginnen wir am Anfang, also mit der Frage: Was ist denn für die neue Bundesregierung überhaupt eine Familie? „Die Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern“ steht da in der Präambel zu lesen. Die Gemeinschaft wird in der Folge auch konsequent durchgehalten: Eltern werden immer gemeinsam genannt, kein einziges Mal finden Väter explizit Erwähnung. Das ist bedauerlich, denn Väter und Mütter nehmen gesellschaftlich noch immer sehr unterschiedliche Rollen ein. Es bedürfte daher konkreter Maßnahmen für eine stärkere Einbindung der Männer in die Familienarbeit. Das bleibt aber ausgeblendet.
Ebenso ausgeblendet bleiben Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung oder Identität und auch Patchwork-Familien. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Bevölkerung homo- oder bisexuell sind. Zudem leben über 80.000 Paare mit Kindern in einer Patchwork-Konstellation. Der enge Fokus auf Familie = Mann + Frau mit eigenen Kindern geht somit an der Lebensrealität einer großen Zahl von Menschen vorbei.
Familiensteuer
Ein Liebkind der Regierung ist eine steuerliche Maßnahme, die schnittig „Familienbonus Plus“ getauft wurde. Künftig sollen Familien einen Absetzbetrag von 1.500 Euro pro Kind und Jahr bis zum 18. Lebensjahr erhalten. Satte 1,5 Milliarden Euro wird das kosten. Das ursprüngliche Modell sah vor, dass Familien mit geringen Einkommen, Teilzeit, prekären Lebensumständen wie Arbeitslosigkeit oder längere Krankheit sowie viele Alleinerziehende gänzlich leer ausgehen. Daher wurde nachgebessert, es bleiben aber weiterhin verteilungspolitisch einige unschöne Punkte:
- Arbeitslose und armutsgefährdete Familien bekommen weiterhin nichts;
- GutverdienerInnen bekommen mit 1.500 Euro sechsmal so viel pro Kind wie Alleinerziehende mit 250 Euro;
- für studierende Kinder gibt es nur ein Drittel des „normalen“ Bonus.
Das alles hätte sehr einfach vermieden werden können: Mit dem gleichen Geld hätte man die Familienbeihilfe generell für alle um 860 Euro im Jahr für jedes Kind anheben können – egal ob die Eltern zu den TopverdienerInnen gehören oder gerade einmal so über die Runden kommen. Es gäbe aber noch viel bessere Möglichkeiten, diese Mittel einzusetzen, etwa in der Kinderbetreuung und elementaren Bildung.
Dort gibt es nämlich eine Reihe von ambitionierten Vorhaben. Neben dem weiteren Ausbau soll es künftig eine Bundeskompetenz für Elementarbildung geben, die beim Bildungsministerium angesiedelt wird. Dabei soll auch ein österreichweiter Bildungsrahmenplan mit neuen Qualitätsstandards geschaffen werden.
Erfreulich ist zudem die geplante Reform des Finanzausgleichs in Richtung Aufgabenorientierung mit Pilotprojekten im Bereich der Elementarpädagogik und Pflichtschule. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass dort die notwendigen Mittel für die geplanten Verbesserungen zur Verfügung stehen. Allerdings braucht es dazu die Zustimmung der Länder, was erfahrungsgemäß überaus zähe Verhandlungen erfordert, die nicht immer von Erfolg gekrönt sind.
Besser wäre kluge Familienpolitik
Leichter wäre es für den Bund, seinerseits weiterhin Mittel für den Ausbau der Kinderbildung zur Verfügung zu stellen. Das hat er schon bisher gemacht, nur leider läuft die aktuelle Finanzierung 2018 aus. Unerfreulich, denn wie der internationale Vergleich deutlich zeigt, hinkt Österreich in diesem Bereich gegenüber anderen europäischen Staaten nach. Im Gegensatz zur Familiensteuer fehlen aber bei der Kinderbildung die konkreten finanziellen Vorgaben.
Dabei hätte man dort mit dem Geld für den Familienbonus unglaublich viel bewegen können: Flächendeckende Plätze für unter Dreijährige, Vollzeit-Öffnungszeiten in allen Kindergärten, ein kostenloses zweites Kindergartenjahr für alle und mehr qualifiziertes Personal in allen Gruppen hätten damit realisiert werden können. Man hätte beste Vereinbarkeit von Familie und Beruf und wirklich gute Frühförderung schaffen können. Ob sich das wirklich alles ausgegangen wäre? Aber ja! Denn 1,5 Milliarden wären ein Budgetplus von 67 Prozent für die Kinderbildung. Mit diesen Investitionen wären zudem Tausende Jobs geschaffen worden, was wiederum zu enormen Rückflüssen an die öffentliche Hand geführt hätte. Kurz: Es wäre kluge Familienpolitik in jeder Hinsicht gewesen. Leider hat die Regierung derzeit andere Prioritäten.
Ungleiche Verteilung
Wohin es künftig mit den Familien geht, wird nicht nur im Familienkapitel entschieden. Vor allem einige Maßnahmen aus dem Arbeitsmarktbereich werden spürbare Auswirkungen haben. Österreich hat schon jetzt eine sehr ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern: Fast die Hälfte der Paare mit Kindern folgt dem Muster Mann Vollzeit – Frau Teilzeit. Bei mehr als einem Drittel ist der Mann Alleinverdiener. Lediglich bei 13 Prozent teilen sich die Eltern die Erwerbs-Arbeitszeit relativ gleich auf.
Das Zusammenspiel von kurzen Öffnungszeiten von Kindergärten und Schulen und überlangen Arbeitszeiten macht es Eltern schwer, sich für eine ausgewogene Verteilung der Arbeitszeit zu entscheiden. Notwendig wäre also eine Politik, die eine Annäherung der Arbeitszeiten zwischen Frauen und Männern fördert. Stattdessen soll der Zwölfstundentag kommen, der viele Familien ins Schleudern bringen wird. Verschärft wird die Situation dadurch, dass künftig bei der Jobsuche ein Arbeitsweg von 2,5 Stunden täglich bei Vollzeit zumutbar sein soll. So können es fast 15 Stunden werden, bis man an solchen Tagen wieder zu Hause ist.
Es liegt auf der Hand, dass solche Tage mit Kinderbetreuung nicht einmal im Ansatz vereinbar sind. Es besteht die Gefahr, dass die Menschen auf ein altbekanntes Szenario zurückgreifen, um diesen Konflikt aufzulösen: Der Vater widmet sich voll der Erwerbstätigkeit, die Mutter konzentriert sich auf die Familienaufgaben und arbeitet maximal ein paar Stunden. Der Zwölfstundentag droht somit die traditionelle Arbeitsteilung zu verstärken.
Einkommensnachteile
Vielleicht ist das nicht ganz ungewollt, denn an anderer Stelle soll das längere Zuhausebleiben definitiv unterstützt werden, nämlich beim Kinderbetreuungsgeld (KBG). Der Plan ist, den versicherungsrechtlichen Schutz in Richtung der längsten möglichen Bezugsvariante auszudehnen. Was das genau heißen soll, bleibt unklar, aber es ist zu befürchten, dass damit eine Verlängerung der Karenz gemeint ist. Derzeit geht die maximale Karenzdauer bis zum zweiten Geburtstag des Kindes. Eine Verlängerung auf bis zu drei Jahre würde vor allem für Frauen Anreize zu langen Berufsunterbrechungen schaffen, die in der Folge zu Einkommens- und Karrierenachteilen führen.
Wirkliche Wahlfreiheit?
Auch hier kommt wieder der Ausbau der Kinderbildung ins Spiel. Derzeit haben nicht einmal drei von zehn unter dreijährigen Kindern einen Platz in einer Krippe oder bei Tageseltern. Notwendig wäre daher ein Recht auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr des Kindes, damit Eltern wirkliche Wahlfreiheit haben, wann sie in den Beruf zurückkehren wollen.
Blogtipp:
www.awblog.at/kluge-familienpolitik
Sybille Pirklbauer
Abteilung Frauen und Familie, AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/18.
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
ybille.pirklbauer@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at