Bei jeder Verhandlung über einen neuen EU-Finanzrahmen stellen sich grundlegende Fragen wie: Wie viel darf die Europäische Union kosten? Wofür soll die EU überhaupt Geld ausgeben? Wer bezahlt und wer bekommt was zurück? Durch den für 2019 geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU ist die Herausforderung der Finanzierung des EU-Budgets dieses Mal noch delikater: Dadurch entsteht eine Finanzierungslücke von bis zu 14 Milliarden Euro jährlich für das EU-Budget. Wie soll diese Lücke also geschlossen werden?
Zusätzliches Geld
Außerdem haben Merkel, Macron und Co. die Kommission damit beauftragt, dass die EU zusätzlich zu den derzeitigen Aufgaben für Agrarpolitik, Forschung, sozialen Zusammenhalt etc. im kommenden Finanzrahmen auch für Migration, Sicherheit, Verteidigung und Grenzschutz Geld reservieren soll. Woher soll dieses aber kommen? Die Spielwiese für die Verhandlungen zum nächsten EU-Haushaltsplan ist also konfliktreicher als üblich.
Gekürzt oder erhöht?
Oettinger schlägt in seinem Plan vom Mai 2018 ein Budgetvolumen von 1.279,4 Milliarden Euro für 2021–2027 vor. Das sind 1,11 Prozent der europäischen Wirtschaftskraft (bzw. des Bruttonationaleinkommens – BNE). Zahlen sollten für sich sprechen, möchte man meinen. Aber dem ist nicht so, denn je nach Standpunkt bedeutet der Vorschlag für die einen eine Erhöhung, denn nominell sind es etwa 186 Milliarden Euro mehr als im Vergleich zum aktuellen Finanzrahmen. Die anderen wiederum argumentieren, dass der Kommissionsvorschlag tatsächlich auf eine Kürzung hinauslaufe: Denn die EU-27 (ohne Großbritannien) gibt aktuell 1,13 Prozent des BNE für ihr Budget aus.
Der Umgang mit den Zahlen zählt bereits zum politischen Kräftemessen. Im Kern geht es nämlich um die Untermauerung der eigenen Position: Für Bundeskanzler Sebastian Kurz ist der Entwurf nicht akzeptabel, die EU solle schlanker und effizienter werden. Er tritt für Kürzungen ein, ohne die Bereiche näher zu benennen. Skeptisch sind auch die Niederlande, Dänemark und Schweden. Die meisten anderen EU-Länder wie Deutschland und Frankreich können sich hingegen einen EU-Haushalt in der vorgeschlagenen Höhe durchaus vorstellen.
Deutliche Kürzungen soll es nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission mit einem um neun Prozent geringeren Budget für die EU-Agrarpolitik geben. Die für Landwirtschaft zuständige Bundesministerin Elisabeth Köstinger läuft dagegen jedoch Sturm. Für Österreich würde das ein Minus von bis zu 125 Millionen Euro pro Jahr bei den Subventionen für die Landwirtschaft bedeuten. Für Ministerin Köstinger sind diese Kürzungen inakzeptabel, wobei sie damit jedoch im Widerspruch zu ihrem Parteikollegen Bundeskanzler Kurz steht, der für ein schlankeres EU-Budget eintritt. Die Landwirtschaft beansprucht mit dem Kommissionsvorschlag immer noch einen Anteil von rund 30 Prozent am gesamten EU-Haushalt, obwohl die wirtschaftliche Bedeutung des Sektors rückläufig ist.