Wo Vollzeit arbeiten für Mütter unmöglich ist

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Illustration (C) Natalia Nowakowska
Arbeitende Mütter stoßen in vielen Regionen Österreichs noch immer auf viel Unverständnis. Doch wie ist es für eine Mutter Vollzeit zu arbeiten?
Daniela E. aus Oberösterreich erzählt: „Es war ein echter Glücksfall, dass ich einen 30-Stunden-Job gefunden habe und mir auch meine Arbeitszeiten frei einteilen kann.“ Die 40-Jährige ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 3,5 und 7 Jahren und lebt in einer kleinen Gemeinde im Bezirk Ried im Innkreis. Auch wenn sie als arbeitende Mutter mehr Stunden arbeiten wollen würde, hätte sie nicht die Möglichkeit dazu. „Seit der Einführung der Kindergartengebühren hat der Kindergarten nur noch vormittags geöffnet“, erzählt sie. Sie arbeitet im Sozialbereich, einmal in der Woche ganztags, und in dieser Zeit übernehmen die Großmütter die Kinderbetreuung.

Jobs für Mütter: Mütter stehen vor verschlossenen Türen

In Österreich gibt es bei Weitem nicht ausreichend Ganztagsbetreuungsangebote für Null- bis Vierjährige. Das macht Vollzeit arbeiten als Mutter nicht unbedingt einfach. Viele Kindergärten sperren vor 14 Uhr zu und bieten in den Ferien gar keine Betreuung an. Vollzeit arbeitende Eltern stehen in Österreich – vor allem wenn sie außerhalb Wiens wohnen – buchstäblich vor verschlossenen Türen.

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In der Steiermark und in Oberösterreich kommen auf ein Kindertagesheim etwa 1.200 EinwohnerInnen, in Wien weniger als 700. Nicht berücksichtigt in dieser Darstellung ist die Anzahl der Kindergruppen bzw. die Anzahl der betreuten Kinder pro Kindertagesheim.

Besonders problematisch ist die Situation in Oberösterreich. Das Bundesland gehört zu jenen mit dem größten Aufholbedarf in Sachen Kinderbetreuung. In manchen Gemeinden kann man aufgrund der Öffnungszeiten nicht einmal acht Stunden arbeiten gehen. Das ist für arbeitende Mütter und generell für arbeitende Eltern problematisch. Nur fünf von 1.247 Kinderbetreuungseinrichtungen haben mehr als 12 Stunden geöffnet und sechs von zehn Krabbelstuben, Kindergärten und Horten schließen noch vor 16 Uhr.

Als Mutter Vollzeit arbeiten: Nachmittagsbetreuung für viele zu teuer

Hinzu kommt, dass OberösterreicherInnen seit Februar 2018 für die Kinderbetreuung am Nachmittag zahlen müssen. Das hatte zur Folge, dass viele ihre Kinder aus dem Kindergarten abgemeldet haben und somit zahlreiche Nachmittagsgruppen nicht mehr zustande gekommen sind bzw. geschlossen werden mussten. Aus einer Befragung des Landes Oberösterreich geht hervor, dass im April (nach Einführung der Elternbeiträge) um 3.170 Kinder weniger als im Oktober (vor Einführung) in Nachmittagsbetreuung waren – diese Zahl umfasst gänzliche Abmeldungen ebenso wie Ummeldungen, also kürzere Betreuungszeiten.

Ohne Oma funktioniert es für arbeitende Mütter nicht

Dass wegen der vielen Abmeldungen zahlreiche Nachmittagsgruppen geschlossen werden mussten, hat Berufstätige und Vollzeit arbeitende Mütter, die keine Großeltern in der Nähe haben, besonders getroffen, sagt Daniela E. „Viele waren verzweifelt und mussten von heute auf morgen eine Lösung finden. Und das ist hier nicht so einfach.“ Das bestätigt auch Sylvia S.: „Manche mussten sich einfach damit abfinden, nicht mehr arbeiten zu können, oder haben eine Tagesmutter organisiert. Allein 30 Stunden zu arbeiten ist eigentlich nur mit Oma möglich. Keine Oma und keine Nachmittagsbetreuung bedeutet, dass Frauen nur drei Stunden am Tag arbeiten können – rechnet man die Wegzeit zur und von der Arbeit ein.“

Manche mussten sich einfach damit abfinden, nicht mehr arbeiten zu können, oder haben eine Tagesmutter organisiert. Allein 30 Stunden zu arbeiten ist eigentlich nur mit Oma möglich. Keine Oma und keine Nachmittagsbetreuung bedeutet, dass Frauen nur drei Stunden am Tag arbeiten können – rechnet man die Wegzeit zur und von der Arbeit ein.

Sylvia S.

Die 37-Jährige ist Produktmanagerin und hat zwei Söhne im Kindergartenalter. Neben ihrem Lehramtsstudium arbeitet sie 15 Stunden in der Woche, ihre Kinder werden in dieser Zeit von der Oma betreut. Und wenn sie freitags zur Uni fährt, springt ihr Mann ein, bringt die Kinder zum Kindergarten-Bus und verbringt mit ihnen die Zeit am Nachmittag. Sobald sie mit ihrem Studium fertig ist, möchte sie als Lehrerin in Vollzeit arbeiten.

Für viele arbeitende Mütter schnappt die Teilzeitfalle zu

Für die 38-jährige Silvia I. – auch aus dem Bezirk Ried im Innkreis – bedeutet die Einführung der Nachmittagsgebühren eine Diskriminierung von arbeitenden Müttern, die (trotz Teilzeit) nicht nur halbtags arbeiten. „Wenn man nur am Vormittag arbeiten kann, lässt sich der Arbeitsalltag nicht flexibel gestalten. In vielen Branchen, wie etwa dem Handel, ist das oft nur schwer umsetzbar.“ Silvia I. ist Mutter von drei Kindern, das Jüngste ist drei Jahre alt. Dass ihre Teilzeitbeschäftigung negative Auswirkungen hat, ist ihr klar: „Besser bezahlte und höhere Positionen kann man unter diesen Umständen nicht erreichen. Und ich möchte gar nicht wissen, wie hoch meine spätere Pension sein wird“, erklärt sie.

Besser bezahlte und höhere Positionen kann man unter diesen Umständen nicht erreichen. Und ich möchte gar nicht wissen, wie hoch meine spätere Pension sein wird.

Silvia I.

In diesem Zusammenhang gibt Sylvia S. auch zu bedenken, dass die Schließung der Nachmittagsbetreuung nicht nur arbeitende Mütter, sondern auch viele KindergartenpädagogInnen in eine Teilzeitbeschäftigung gedrängt hat. „Das Angebot für Vollzeit-PädagogInnen ist einfach nicht mehr vorhanden. Und wenn man bedenkt, dass sie ohnehin nicht zu den GroßverdienerInnen gehören, ist die Tatsache, dass sie jetzt nur ein Teilzeit-Einkommen beziehen umso problematischer.“ Gerade in diesem Bereich brauche es deshalb ganz dringend eine bessere Bezahlung.

Von schiefen Blicken und blöden Fragen

Frauen in Österreich verdienen rund 20 Prozent weniger als Männer. Ein Grund dafür ist, dass die unbezahlte Arbeit, unter anderem Haushalt und Kinderbetreuung, noch immer zum Großteil auf ihren Schultern lastet. Vielen bleibt daher auch nichts anderes übrig, denn Vollzeit arbeiten als Mutter ist oft unmöglich. Eher heißt es oft, den Job ganz aufgeben oder in Teilzeit zu arbeiten und sich somit mit einem niedrigeren Einkommen abzufinden. Männer hingegen arbeiten meist Vollzeit und machen viele Überstunden.

Im Unterschied zu den Vorzeigeländern Schweden und Frankreich wird genau dieses Familienmodell – „Der Mann ist der Ernährer und die Frau kümmert sich um die Kinder“ – von großen Teilen der Bevölkerung in Österreich noch immer präferiert. „Ich wurde schon schief angesehen, weil ich 20 Stunden gearbeitet habe. Ich wurde sogar gefragt, was das für ein Zustand ist, dass das Kind in die Krabbelstube geht“, erzählt Daniela E. So wie sie arbeitet auch ihr Mann im Sozialbereich. Zu Hause bleiben und kranke Kinder zu pflegen ist für sie kein Problem.

Ich wurde schon schief angesehen, weil ich 20 Stunden gearbeitet habe. Ich wurde sogar gefragt, was das für ein Zustand ist, dass das Kind in die Krabbelstube geht.

Daniela E.

Schwierig wird es nur, wenn ihr Mann diese Aufgabe übernehmen soll: „Er muss für den Arbeitgeber immer verfügbar sein, so als hätte er keine Kinderbetreuungspflichten. Dass er bei den Kindern bleibt, ist keine Selbstverständlichkeit“, sagt sie.

Dass viele ihrer MitbürgerInnen konservative Ansichten darüber haben, wie Frauen und Mütter zu sein haben – nämlich dass eine Mutter nicht Vollzeit arbeiten sollte oder überhaupt gar nicht berufstätig sein sollte –, weiß auch Silvia I. Viel Verständnis dafür hat sie aber nicht: „Wenn alles passt, warum sollte eine Frau nicht arbeiten gehen? Es geht ja auch darum, sich in der Pension die Miete leisten zu können.“

Es braucht Investitionen …

Damit in Österreich Mütter künftig Vollzeit arbeiten gehen können und sich somit die Spirale aus Lohnschere, Teilzeitarbeit und Armutsrisiko im Alter nicht weiterdreht, braucht es ein Bündel an Maßnahmen, die auf Chancengleichheit für Frauen setzen. Auch und gerade für Mütter. Neben dem Aufbrechen eingefahrener Rollenbilder muss vor allem in die Kinderbetreuung investiert werden. „Ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz wäre wünschenswert, aber zuallererst braucht es ganz dringend einen raschen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen“, fordert Daniela E. „Denn erst dann, wenn jedes Kind die Aussicht auf einen Betreuungsplatz hat, wird es für berufstätige Eltern leichter, Beruf und Privatleben zu vereinbaren.“

Ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz wäre wünschenswert, aber zuallererst braucht es ganz dringend einen raschen Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen.

Daniela E.

Auch ganztägige Schulformen, bei denen Unterricht, Freizeit und Förderung über den Tag verteilt stattfinden, würden berufstätigen Eltern helfen und es Müttern ermöglichen Vollzeit arbeiten gehen zu können. Solche Schulen wünscht sich Sylvia S., allerdings sollen diese nicht verpflichtend sein: „Wenn ich einen Tag oder einen Nachmittag frei habe, möchte ich flexibel sein und die Möglichkeit haben, mein Kind auch früher abholen zu können und Zeit mit ihm zu verbringen.“

… und mehr Personal in Kindergärten

Neben der Quantität ist auch die Qualität entscheidend für eine gute Kinderbetreuung. „Derzeit kommen eine Pädagogin und eine Kindergartenhelferin auf 25 Kinder. Das ist viel zu wenig“, erklärt Silvia I. „Der Druck auf die Beschäftigten wird immer größer, und darunter leidet auch die Qualität der Kinderbetreuung. Wir Eltern möchten unsere Kinder gut betreut wissen, daher braucht es ganz dringend mehr Personal in den Kinderbetreuungseinrichtungen.“ Abschließend fügt sie hinzu: „Noch immer wird dieser Beruf fast ausschließlich von Frauen ausgeübt. Aus vielen verschiedenen Gründen wäre es wünschenswert, wenn sich auch mehr Männer dafür interessieren und entscheiden würden.“

Über den/die Autor:in

Amela Muratovic

Amela Muratovic, geboren 1983 in Bosnien und Herzegowina, seit 2009 Redakteurin in der ÖGB-Kommunikation. Zuständig unter anderem für die ÖGB-Mitgliederzeitschrift Solidarität und die Bereiche Frauen, Gleichstellung und Anti-Diskriminierung. Regelmäßige Beiträge für die Arbeit&Wirtschaft.

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