Mit einem Lichtbogen sorgt voestalpine Donawitz für grünen Stahl

Das Stahlwerk der Voestalpine Donawitz unter blauem Himmel.
Das voestalpine-Werk in Donawitz ist das Herz der Region. | © Markus Zahradnik
Das voestalpine-Werk Donawitz steht vor einer großen Herausforderung: Stahl muss bis 2050 klimaneutral produziert werden. Deshalb entwickelt das Unternehmen neue Stahlgewinnungsverfahren. Gleichzeitig will man das wirtschaftliche Herz der Region bleiben – eine Mammutaufgabe für Firma und Belegschaft.
Die Legierung aus Eisen und Kohlenstoff ist hart, aber auch biegsam und kann auch in Kombination mit anderen Materialien eingesetzt werden: Stahl. Von der zarten Gabel bis zum massiven Brückenpfeiler: Aus unserem Alltag ist der langlebige und zu 100 Prozent wiederverwertbare Werkstoff nicht wegzudenken. Trotzdem steht voestalpine Donawitz vor einer Herausforderung.

Wie voestalpine Donawitz die Stahlproduktion neu denken will

Denn es gibt dieses eine riesige Aber: Die Stahlproduktion aus Eisenerz und Roheisen belastet die Umwelt. Damit das Eisenerz im Hochofen brennt, werden Koks und andere eingeblasene Kohlenstoffträger wie pulverisierte Kohle und Kunststoffabfälle beigegeben. Das etwa 1.600 Grad heiße Feuer löst das Eisen aus dem Eisenerz und macht es flüssig. Außer dem flüssigen Roheisen fallen aber auch riesige Mengen an Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Stickoxiden, Feinstaub und Schwefeloxiden an und landen in der Luft. Der größte Stahlproduzent Österreichs ist die voestalpine. Mit einem jährlichen Kohlendioxid-Ausstoß von mehr als zwölf Millionen Tonnen an den beiden Standorten Linz und Donawitz ist der Konzern der größte CO₂-Emittent Österreichs (mehr als 15 Prozent unserer gesamten CO₂-Emissionen).

Infografik: Die Stahlproduktion – unter anderem von voestalpine Donawitz – macht 15 Prozent der Co2-Emissionen Österreichs aus.

Bis zum Jahr 2050 muss die Industrie einen Weg finden, Stahl klimaneutral zu produzieren – so eine EU-Vorgabe, um gegen den Klimawandel zu kämpfen. Eine Herausforderung der dringlichen Art. Um den CO₂-Ausstoß in den kommenden Jahren drastisch zu reduzieren, setzt die voestalpine in einem ersten Schritt auf je einen Elektrolichtbogenofen in Linz und Donawitz.

Der steirische Riese

„Wer Stahl mit weniger oder ohne schädliche Emissionen, aber mit den gleichen Eigenschaften herstellt, dem gehört die Zukunft“, macht es Franz Jantscher deutlich. Am 1. Juli ist er in seiner neuen Funktion als Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats in der voestalpine Donawitz angetreten. Hier arbeiten 2.600 Menschen, davon vertritt Jantscher 1.100 Arbeiter:innen – 950 Arbeiter:innen und 150 in Ausbildung. Das Werk ist das wirtschaftliche Herz der Industrieregion Mur- und Mürztal. Die Tradition des Abbaus und der Verarbeitung von Eisenerz begann hier vor mehr als 1.300 Jahren.

Portrait Franz Jantscher, Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats, bei voestalpine Donawitz,
Franz Jantscher ist seit 1. Juli neuer Chef des Arbeiterbetriebsrats. Er sieht die Transformation positiv, denn sie sichert die Stahlproduktion langfristig ab. | © Markus Zahradnik

Arbeiterbetriebsratsvorsitzender Jantscher weiß freilich um die immense Bedeutung der angesiedelten Industrie. „Sie liefert rund 36 Prozent der steirischen Bruttowertschöpfung. Vom Schicksal der voestalpine sind aber viele Menschen auch außerhalb des Werks betroffen – egal, ob Zuliefer:innen, Bäcker:innen oder Friseur:innen. Dass es dieser Region gut geht, ist auch das primäre Anliegen von Franz Jantscher. Der Betriebsrat vermittelt das mittels kleiner, feiner Gesten wie der Weihnachtsgutscheine, die von der Belegschaft bei den Gewerbetreibenden der Region eingelöst werden können.

Frauen in der Produktion

Gerade rattert Lisa Brosch auf einem Stapler beim Gebäude des Arbeiterbetriebsrates vorbei und winkt. Die 29-Jährige kam vor 18 Monaten zur voestalpine Donawitz und arbeitet dort im Legierungsmagazin. „Ich komme aus Leoben und wollte erst eine Lehre bei der voestalpine machen, lernte dann aber doch Bürokauffrau“, erzählt die Kran- und Stapler-Führerin, die gerade ihre Mittagspause antritt. Da sie mit ihrem vorherigen Job nicht ganz glücklich war, brachte eine Stellenausschreibung auf der voestalpine-Homepage die eingefleischte Leobenerin zum Umdenken. Brosch hat sich beworben, wurde aufgenommen und konnte dann durch die Unterstützung der voestalpine den Kurs für Hubstapler und Kran erfolgreich meistern.

Die Ausbildung war fordernd. Der Beruf verlangt viel logisches Denken und Präzision: „Ich muss wissen, welche Materialien ich transportiere und wohin ich sie bringen muss“, erklärt Brosch. Nun ist sie in der Frühschicht – von 6 Uhr morgens bis 14 Uhr. Sie übernimmt die Ware (etwa Stahlschrott) der Lkws und verfrachtet sie mit dem Kran oder dem Stapler in das Legierungsmagazin oder zu den Hochöfen. Zu ihren Aufgaben gehören aber auch die Überprüfung der Bestände und die Nachbestellung.

Portrait Lisa Brosch, Auszubildende bei voestalpine Donawitz.
Lisa Brosch war früher Bürokauffrau, bei der voestalpine machte sie den Stapler- und Kranführerschein. Ihr neuer Beruf verlangt logisches Denken und Präzision. | © Markus Zahradnik

Für Lisa Brosch bedeutet die Frühschicht auch eine Nachtruhe um 21 Uhr, der Wecker läutet sie ja bereits um 4.30 Uhr aus dem Bett. Laue Sommernächte kann sich die junge Frau nicht um die Ohren schlagen. Arbeiterbetriebsrat Jantscher bemüht sich, junge Menschen für eine technische Lehre zu begeistern und grundsätzlich mehr weibliche Arbeitskräfte in die Produktion zu bringen. Neben Lisa Brosch arbeiten mittlerweile drei Frauen im Legierungsmagazin. Wie bei anderen großen und kleinen Unternehmen hat sich die interne Arbeitskultur durch gemischte Teams verbessert. Franz Jantscher: „Die Arbeit macht jetzt auch mehr Spaß.“

Das Auf und Ab der Region

Mit der Industrialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelangte die Mur-Mürz-Region zu einigem Wohlstand. Doch die Stahlkrise und parallel dazu auch die Verstaatlichten-Krise ab Mitte der 1980er-Jahre verringerten deren wirtschaftliche Bedeutung. Rationalisierungsmaßnahmen und Strukturschwäche führten zum Abbau vieler Arbeitsplätze. Die Menschen verließen die Region und zogen vom Land nach Graz oder Wien. Leoben und Kapfenberg litten empfindlich unter dem Einwohner:innenschwund.

Wer Stahl mit weniger oder ohne schädliche Emissionen, aber mit den gleichen Eigenschaften herstellt, dem gehört die Zukunft. 

Franz Jantscher, Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrats

Doch seit der Jahrtausendwende geht es wieder aufwärts, der Erzberg in Eisenerz, von dem ursprünglich aller Wohlstand ausging, ist immer noch der größte Tagebau Mitteleuropas. Das voestalpine-Hüttenwerk Donawitz ist das zweitgrößte Eisenwerk Österreichs. Es produziert die längsten Eisenbahnschienen der Welt, aber auch zahlreiche andere essenzielle Bestandteile für diverse Branchen. Erst vergangenen Oktober eröffnete in Kapfenberg ein neues Edelstahlwerk. Außerdem wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe kleinerer Unternehmen in Leoben und Bruck an der Mur gegründet.

Zukunftsfitter Stahl von der voestalpine Donawitz

Eigentlich sind das gute Nachrichten! Doch um zukunftsfit zu bleiben, muss die voestalpine Donawitz umweltfreundlichen Stahl erzeugen. Dies soll durch besagte zwei Elektrolichtbogenöfen (Electric Arc Furnace, EAF) gelingen, die im Jahr 2027 bei voestalpine Donawitz und Linz in Betrieb gehen. Allein diese beiden Giganten werden knapp vier Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Immerhin würden dadurch auch die CO₂-Emissionen Österreichs um fünf Prozent sinken.

Portrait Florian Lagler, Vorarbeiter, vor dem Stahlwerk voestalpine Donawitz.
Florian Lagler ist Vorarbeiter bei der Instandhaltung. „Wir Schlosser versuchen auf allen Ebenen, die Sachen zu reparieren.“ | © Markus Zahradnik

Bei den Elektrolichtbogenöfen wird Schrott unter Einsatz von elektrischer Energie eingeschmolzen. Dazu kommen noch Roheisen und andere Eisenträger, zum Beispiel Eisenschwamm. Dieser wird in Form von Eisenbriketts zur voestalpine Donawitz geliefert. „Diese Briketts werden dann mit der Bahn zu uns transportiert“, erklärt Florian Lagler. Der Metalltechniker arbeitet in der Instandhaltung des voestalpine-Hüttenwerks Donawitz. Mit einem Förderband von mehr als einem Kilometer Länge (das sich zu einem Schlauch formt) werden die Briketts in den Elektrolichtbogenofen befördert.

Strom für den Lichtbogenofen

Die Wärmestrahlung von elektrischen Lichtbögen erhitzt leitfähiges Material auf bis zu 3.500 Grad. Doch bevor die grüne Produktion beginnen kann, muss etwa die Stromversorgung erneuert werden. Immerhin: Das Fundament für die neue Ofengeneration wurde schon gegossen. Zusätzlich wird auf einer Fläche von 75.000 Quadratmetern (rund zehn Fußballfelder) eine neue Schrotthalle nahe des Lichtbogenofens errichtet.

„Wir von der Instandhaltung werden dann wahrscheinlich mehr Arbeit bekommen“, schätzt Lagler und ist darüber selbstverständlich froh. Die Digitalisierung hat längst auch seinen Beruf als  Schlossers verändert. Die Arbeitsschritte werden elektronisch dokumentiert – die Schicht-Übergabe muss reibungslos funktionieren, jede:r muss genau wissen, welche Arbeit zuvor verrichtet wurde. „Der Kollege muss erfahren: Was habe ich erledigt, welche Ersatzteile und wie viele Leute habe ich dafür gebraucht?“, erzählt Lagler über die Dokumentation. Er arbeitet gerne in seiner Abteilung. „Wir sind eine dynamische Gruppe, wir sind sieben Leute, und mit meinen 32 Jahren bin ich bereits der Älteste“, schmunzelt der Metalltechniker.

voestalpine Donawitz: Sorgen der Belegschaft

Seit zweieinhalb Jahren ist Florian Lagler auch Vorarbeiter. Dabei muss er sich um die Wochenplanung kümmern und auch ein bisschen Vorbild für seine Mannschaft sein. „Ich muss auch etwas Stress vertragen, denn die verschiedenen Abteilungen erwarten immer, dass die Reparaturen ganz schnell erledigt werden“, erklärt Lagler. Er ist daneben auch im Betriebsrat engagiert. 2008 hat er als Jugendvertrauensrat begonnen, wurde 2012 zum Vertrauensmann und 2016 Ersatzbetriebsrat. Seit drei Jahren ist er nun der Betriebsrat, der die Arbeiter am Hochofen vertritt. „Wir sprechen ständig mit unseren Kolleg:innen. Ab und an reicht es auch aus, sich etwas von der Seele zu reden, und wir hören zu“, weiß Florian Lagler, der etwa 300 Leute betreut. „Wir Schlosser versuchen eben auf allen Ebenen, die Sachen zu reparieren.“

Für den Lichtbogenofen muss in Donawitz der Hochofen 4 weichen – er wird stillgelegt. „Ja, da ist auch Wehmut dabei“, muss Franz Jantscher eingestehen, der selbst seinen beruflichen Werdegang beim Hochofen begonnen hat. Die Arbeitsplätze verändern sich, es wird neue Beschäftigungen geben, und die Betriebsabläufe, wie sie bisher bekannt waren, verändern sich ebenfalls. „Da gibt es schon Menschen, die sich deswegen Sorgen machen“, sagt Jantscher. Trotz aller zukünftigen Herausforderungen und Veränderungen sieht der Arbeiterbetriebsratschef die Transformation positiv, da sie die Stahlproduktion in der Obersteiermark langfristig absichert. „Damit wird ein wichtiges Zeichen für die nächste Generation und für die Arbeitsplätze in der Region gesetzt.“

Investitionen in die Zukunft nötig

Für den Energiebedarf des Donawitzer Elektrolichtbogenofens wurden schon zwei Umspannwerke gebaut. Doch die Transformation hat damit erst angefangen. Um das Eisen umweltfreundlicher aus dem Eisenerz zu gewinnen, wurden inzwischen auch Verfahren mit Wasserstoff entwickelt. Damit würden dann im Laufe der Zeit auch die restlichen Hochöfen abgebaut werden. Doch der Energiebedarf dieser wasserstoffbasierten Stahlerzeugung ist sehr hoch. Dafür müssen weitere Kraftwerke gebaut werden. „Grüner Stahl ist aber nur mit grünem Strom realisierbar, und das geht nur, wenn ein politisches Gesamtkonzept umgesetzt wird“, fasst Franz Jantscher die Situation zusammen.

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