Zum einen trägt der Arbeitgeber laut Paragraf 1157 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzesbuchs eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeiter:innen. Es liegt also nur in seinem Interesse, die Belegschaft beispielsweise durch eine Corona-Impfung vor Krankheit zu schützen und die dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen. Zum anderen ist das Recht auf Privatsphäre der Arbeitnehmer:innen in Paragraf 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert. Und persönliche Gesundheitsdaten zählen in den Bereich der persönlichen Privatsphäre.
Diese beiden Interessenpole gilt es im Einzelfall abzuwägen, um zu überprüfen, welches Interesse überwiegt. Dafür können verschiedene Faktoren ausschlaggebend sein. Etwa, ob es in einem Betrieb viele Kund:innen- bzw. Personenkontakt gibt, ob viele Besprechungen persönlich abgehalten werden, wie viele Mitarbeiter:innen im Homeoffice tätig sind etc. Der Arbeitsrechtsexperte hält zudem fest, dass die Frage nach dem Impfstatus für Arbeitgeber, in deren Unternehmen reger Kundenkontakt herrscht, einfacher zu argumentieren ist als beispielsweise für ein Unternehmen, das hauptsächlich Lkw-Fahrer:innen beschäftigt, die den Großteil ihrer Arbeitszeit allein in einer Fahrerkabine verbringen. Das sorgt vielerorts für Verunsicherung hinsichtlich der Impfstatus Abfrage: Viele Arbeitnehmer:innen wenden sich gerade in der aktuellen Phase an die Arbeiterkammer, um zu erfragen, ob sie ihren Impfstatus am Arbeitsplatz bekannt geben müssen. Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht, es kommt immer auf die Gegebenheiten im Unternehmen an.
Impfstatus am Arbeitsplatz: Klarere Bestimmungen in Deutschland
Anders sieht die Situation in Deutschland aus. Dort hat der Gesetzgeber für bestimmte Berufsgruppen – wie im Gesundheitsbereich bzw. in der Elementarpädagogik – das Fragerecht nach dem Impfstatus gesetzlich erlaubt. Das vereinfacht die Handhabung in der Praxis – in Österreich gibt es solche gesetzlich verankerten Bestimmungen ob man den Impfstatus bekannt geben muss jedoch nicht.
Egal, ob das Fragerecht des Arbeitgebers über den Impfstatus begründet ist oder nicht, Philipp Brokes rät Arbeitnehmer:innen vor allem eines: „Nicht lügen!“ Es gebe zwar keine dezidierte Antwortpflicht, jedoch könne eine Falschaussage in Bezug auf den Impfstatus zu einer fristlosen Entlassung führen, da bei Unwahrheiten die Vertrauenswürdigkeit der Arbeitnehmer:innen angezweifelt werden kann. Er rät daher dazu, die Frage wahrheitsgemäß oder auch gar nicht zu beantworten.
Corona-Impfung: Konsequenzen für Ungeimpfte
Da es in Österreich keine gesetzliche Impfpflicht gibt, kann der Arbeitgeber auch keine Impfung seiner Mitarbeiter:innen anordnen. Kommt es zu einer Kündigung ungeimpfter Arbeitnehmer:innen, ist auch dies im Einzelfall zu prüfen. Am Ende entscheidet das Gericht. Der Arbeitgeber wird in einem solchen Fall Argumente vorlegen müssen, weshalb in seinem Betrieb eine Impfung wichtig ist. Eine Kündigung anzufechten sei laut Brokes in Österreich jedoch schwierig, da hier ein sehr liberales Kündigungsrecht herrscht, das keiner Angabe von Gründen bedarf. In Betrieben mit Betriebsrat kann sich dieser aktiv einbringen und hat zudem ein Informationsrecht bei neu verhängten Maßnahmen. Er kann in Zusammenarbeit mit Arbeitsmediziner:innen Gespräche mit der Belegschaft führen und über die Impfung und die Regelung zur Impfstatus Abfrage aufklären, Vereinbarungen treffen, an welchen Orten eine Maske getragen werden muss, oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung ein 3G-Konzept für das Unternehmen verankern, um sichere Arbeitsbedingungen für alle Mitarbeiter:innen zu etablieren. Dies kann dabei helfen, arbeitnehmer:innenfreundliche Lösungen zu finden, die sich gut zur Bekämpfung der Pandemie eignen, ohne die Belegschaft vor vollendete Tatsachen zu stellen.