Schlechte Nachrichten

Illustration über die Chat-Affäre. Thomas Schmid bedankt sich bei Rainer Nowak, Rainer Nowak sagt, dass Schmid ihm beim ORF helfen soll.
Der Journalismus ist in der Krise: Skandale, wie die Chats zwischen Thomas Schmid und Rainer Nowak, schmälern das Vertrauen der Medienkonsument:innen.
Rufschädigende Chats, Kostenexplosionen und eine Bundesregierung, die die älteste Tageszeitung der Welt beerdigt: Österreichs Qualitätsjournalismus steckt in einer existenzbedrohenden Krise. Das Vertrauen in die Medien schwinde. Ein Gastkommentar von Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der österreichischen Journalist:innen-Gewerkschaft.
Mit den Worten „Das haben wir nötig gehabt wie einen Kropf“ bringt es ein Kollege dieser Tage auf den Punkt. Die Chat-Affäre, die die Chefredakteure Rainer Nowak („Die Presse“) und Matthias Schrom (ORF 2) zu Recht zum Rücktritt gezwungen hat, wirft ein extrem schlechtes Licht auf die Arbeit von Österreichs Journalist:innen. Während Schrom sich mit dem damaligen Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) zur inhaltlichen ORF-Berichterstattung und Personalwünschen der FPÖ austauschte, hatte Nowak mit dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, über seine mögliche Position an der ORF-Spitze gechattet. Kein Wunder, dass das Vertrauen in die Medien schwindet.

Vertrauen in die Medien: Jeden Anflug von „Verhaberung“ vermeiden

Klar muss hier aus Sicht der Journalist:innengewerkschaft in der GPA zweierlei sein. Erstens geht vernadern von Kolleg:innen gar nicht. Und eine rote Linie ist nicht erst bei strafrechtlich relevanten Handlungen überschritten. Denn das wichtigste Gut von Qualitätsjournalismus ist die Glaubwürdigkeit. Diese wiederum bedingt, zweitens, die Unabhängigkeit der Berichterstattung. Und in diese hatten viele Medienkonsument:innen schon vor dem Bekanntwerden der Chats nur noch wenig Vertrauen. Das zeigt sich regelmäßig im Vertrauensindex, in dem sich die Medien gemeinsam mit der Politik die hinteren Plätze teilen müssen. Dieses schlechte Abschneiden der Medien wird den vielen unabhängig und kritisch hinterfragenden Journalist:innen nicht gerecht. Damit diese Positionierung wieder besser wird, muss an mehreren Stellschrauben gedreht werden. Da muss klar sein und immer wieder klar gemacht werden, dass journalistische Arbeit nicht käuflich ist. Jeder Anflug von „Verhaberung“ ist daher zu vermeiden. Distanz zur Politik muss oberstes Gebot sein.

Viel ist in den vergangenen Monaten von der Inseratenaffäre, von frisierten Umfragen und gekauftem Journalismus die Rede gewesen. Dazu kam die Wortspende von höchster parlamentarischer Stelle, wonach es natürlich für ein Inserat auch ein Gegengeschäft gebe. Für Qualitätsjournalismus ist dies jedoch ein No-Go: Die einzige Gegenleistung, die es für ein Inserat in einem Qualitätsmedium geben kann, ist der Platz, den das Inserat im jeweiligen Medium einnimmt. Einfluss auf die Berichterstattung darf es nicht geben. Das gilt auch für sogenannte Medienkooperationen und dabei nicht nur für die Politik im Bund, in den Ländern und Gemeinden, sondern für jeden Bereich des gesellschaftlichen Lebens im Land. Für die Medienhäuser heißt es, dringend eine Hausaufgabe zu erledigen: Sie müssen glaubhaft machen, dass Inserate keinerlei Einfluss auf die Berichterstattung in ihren Redaktionen haben. Denn: Wo Propaganda gedeiht, stirbt die Pressefreiheit.

Grob vernachlässigte Unterstützung

Ebenso wichtig, um Vertrauen zurückzugewinnen, ist es, Fehler einzugestehen. Wo Menschen arbeiten, können Fehler passieren. Sie nicht zu benennen schmälert die Glaubwürdigkeit. Am besten ist es freilich, Fehler so gut es geht zu vermeiden. Dafür benötigt die Medienbranche unbedingt Rahmenbedingungen, unter denen unabhängiger und qualitätsvoller Journalismus gedeihen kann. Das ist aber nicht möglich, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in der Branche (Explosion der Kosten vor allem für Energie und Papier) die Redaktionen tot gespart werden. In den vergangenen Jahren ist – im Gegensatz zu den PR-Abteilungen in den Ministerien – die Zahl journalistischer Mitarbeiter:innen überall kleiner geworden – wenn schon nicht die Kopfzahl, so zumindest jene der Vollzeitäquivalente. Zugleich sind mehr Plattformen zu betreuen (Print, Online, Podcast, Radio, TV). Da ist qualitätsvoller Journalismus immer schwerer zu gewährleisten.

Es bedarf daher unbedingt einer Unterstützung des Mediensektors. Diese Förderung ist in den vergangenen Jahrzehnten von den Bundesregierungen grob vernachlässigt worden. Dies bezieht sich nicht nur auf die Höhe der Beträge, sondern auch auf die konkrete Ausgestaltung, wofür es Förderungen geben soll. Immerhin ist hier positiv anzumerken, dass es mittlerweile ein bisschen Bewegung gibt. Das betrifft einerseits die Erhöhung der Beträge selbst, andererseits ist auch der Ansatz erkennbar, Förderungen endlich an Qualitätskriterien zu knüpfen – was die Journalist:innengewerkschaft in der GPA seit Jahren permanent eingefordert hat.

Fenster mit Blick in das neue Parlament für Besucher.
Die transparente Architektur täuscht über die Natur der Sache hinweg. Das neue Parlament gewährt Besucher:innen und Journalist:innen deutlich weniger Zutritt als früher. Deren Arbeit wird eher erschwert.| © Markus Zahradnik

Schwächliche Finanzspritze

Auch wenn, wie gesagt, endlich Bewegung zu registrieren ist, ist schon alleine der im neuen Bundesgesetz zur „Förderung des qualitätsvollen Journalismus in Medien des Print- und Online-Bereiches“ vorgesehene Finanzrahmen (20 Millionen Euro) vor dem Hintergrund der Bedeutung der Erfüllung gesellschafts- und demokratiepolitischer Aufgaben bei Weitem nicht ausreichend. Was aber müssen die Qualitätskriterien sein? Dazu gehört unabdingbar die Mitgliedschaft im Presserat (was sich leider nicht im Gesetzesentwurf der Bundesregierung findet). Die Selbstregulierungseinrichtung der Journalist:innen- und Verleger:innenverbände dient der redaktionellen Qualitätssicherung sowie der Gewährleistung der Pressefreiheit. Mit der Mitgliedschaft im Presserat, dessen Zuständigkeit übrigens auf alle Medienplattformen ausgeweitet werden muss, wird auch der Ehrenkodex der österreichischen Presse anerkannt. Dieser schreibt Regeln für verantwortungsvolles journalistisches Handeln fest, zeigt Missstände auf und wirkt diesen entgegen. Um eine Sicherstellung dieser ethischen Richtschnur und deren Überprüfung zu gewährleisten, muss der Presserat allerdings auch mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet sein.

Um qualitätsvollen Journalismus in den Redaktionen überhaupt gewährleisten zu können, bedarf es einer Mindestzahl an angestellten Journalist:innen – und zwar nach den Kriterien journalistischer Kollektivverträge – sowie der Anerkennung des Journalistengesetzes. Bei freien Journalist:innen muss zudem Schluss sein mit den derzeitigen Hungerlöhnen, es bedarf fairer Honorarsätze. Was die eingangs erwähnte Chat-Affäre rund um zwei Chefredakteure ebenfalls gezeigt hat, ist: Die Unabhängigkeit der Redaktionen und somit deren Immunität gegenüber jedweder Einflussnahme von außen müssen dringend gestärkt werden. Eines der wirksamsten und wesentlichsten Elemente für die Journalist:innengewerkschaft in der GPA ist die Verpflichtung zu Redaktionsstatuten. Diese müssen klare Richtlinien in Form von verbrieften Rechten der Redakteur:innen beinhalten und vor allem neben der Wahl von Mitgliedern der Chefredaktion auch die Abwahl derselben möglich machen. Im Übrigen ist es eine unzulässige Vermischung, wenn Chefredakteur:innen gleichzeitig Geschäftsführer:innen sind.

Existenziell wichtig für qualitätsvollen Journalismus ist auch eine professionelle Aus- und Weiterbildung. In Österreich gibt es gute und an der Zahl ausreichende Aus- und Weiterbildungsstätten. Allerdings haben diese allesamt das Problem, dass die Budgets der darauf spezialisierten Einrichtungen zu gering bemessen sind – nicht zuletzt deshalb, weil die entsprechenden Förderungen deutlich zu gering sind und die Medienunternehmen ausgerechnet in diesem so wichtigen Bereich sparen.

Verstaatlichung der Aus- und Weiterbildung

Die bestehenden Einrichtungen zur Aus- und Weiterbildung haben über viele Jahre und Jahrzehnte eine Expertise aufgebaut. Doch anstatt diese zu nutzen und mit entsprechenden Mitteln zu fördern, plant die Bundesregierung jetzt unter dem „Dach“ der „Wiener Zeitung“ einen neuen, großen Player aufzubauen. Wie für den Beruf selbst, so hat auch die Aus- und Weiterbildung in einem Rahmen zu erfolgen, der Unabhängigkeit gewährleistet. Eine Ausbildungsstätte im Eigentum der Republik kann dies nicht. Dieser „Media Hub Austria“ würde nämlich eine De-facto-Verstaatlichung der journalistischen Aus- und Weiterbildung bedeuten, da er direkt dem Kanzleramt unterstellt und weisungsgebunden wäre – eine weitere PR-Abteilung für die Politik, wofür die Bundesregierung sechs Millionen Euro Steuergeld jährlich zur Verfügung stellen will, ein Vielfaches von dem, was die bestehenden Aus- und Weiterbildungseinrichtungen (darunter die private, sozialpartnerschaftlich geführte Medienakademie) erhalten.

Die einzige Gegenleistung, die es
für ein Inserat in einem Qualitätsmedium
geben kann, ist der Platz, den das Inserat
im jeweiligen Medium einnimmt.

Zugleich fehlen besagte sechs Millionen Euro für den Weiterbestand der „Wiener Zeitung“. Diese wurde heuer 319 Jahre alt, ist damit die älteste bestehende Tageszeitung der Welt und steht im Eigentum der Republik. Von der Politik wird immer wieder auf die Bedeutung qualitätsvoller Medien für eine funktionierende Demokratie hingewiesen, gleichzeitig wird der „Wiener Zeitung“ aber von der Bundesregierung als Eigentümervertreterin die wirtschaftliche Basis dramatisch verkleinert.

Amtsgeheimnis ade

Die Bundesregierung stiehlt sich mit dem neuen Gesetz über die „Wiener Zeitung“ aus ihrer Verantwortung. Mit einem fast ausschließlich als Online-Ausgabe ins Netz verbannten Produkt entpuppen sich die Koalitionäre ÖVP und Grüne als Totengräber der „Wiener Zeitung“. Geflissentlich wird hier zudem negiert, dass es von privater Seite durchaus Interesse an einer – dann eben nicht mehr im Staatsbesitz stehenden – Tageszeitung gibt; eine Schande für diese Bundesregierung und den Medienstandort Österreich.

Ein besonderes Ärgernis, das nicht zuletzt dazu beiträgt, dass Österreich seit Jahren im internationalen Ranking der Pressefreiheit zurückfällt, ist das Amtsgeheimnis. Es bedarf daher endlich eines Informationsfreiheitsgesetzes, mit dem besagtes Amtsgeheimnis abgeschafft wird. Der bisher vorliegende Entwurf ist allerdings in vielen Punkten nicht auf der Höhe der Zeit. Hier sind Nachbesserungen dringend erforderlich. So können etwa bis zu zwei Monate vergehen, bis man die gewünschten Informationen erhält. Das ist nicht nur für Journalist:innen inakzeptabel – es arbeitet schließlich niemand für den 100-jährigen Kalender. Dazu kommt, dass jede Information noch damit steht und fällt, ob sie in irgendeiner Form der Geheimhaltung unterliegt. Um hier Transparenz sicherzustellen, bedarf es eines:einer von der Journalist:innengwerkschaft geforderten Informationsfreiheitsbeauftragten, der:die unabhängig agieren kann.

Vertrauen in die Medien: Dem ORF wieder glauben

Qualitätsjournalimus betrifft nicht nur private Print-, Online- und elektronische Medien. Er ist unabdingbar mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF) verbunden. Dieser muss auch in Zukunft gebührenfinanziert und auf diese Weise sichergestellt werden. Wir brauchen einen rechtlich unabhängigen Rundfunk und keinen am Gängelband irgendeiner Regierung hängenden Staatsfunk. Der ORF-Redaktionsausschuss hat folgerichtig als Konsequenz aus der Affäre rund um Matthias Schrom in einer Resolution einen „glaubwürdigen Neustart mit Journalist:innen an der Spitze der Redaktionen gefordert, die ohne parteipolitische Punzierung die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung wiederherstellen können“. Es dürfe keine Form der politischen Einflussnahme geben. Mit einem Stiftungsrat, der über sogenannte Freundeskreise de facto rein parteipolitisch besetzt ist, wird dies allerdings kaum möglich sein.

Die Berichterstattung – egal übrigens, auf welcher Plattform – darf durch nichts anderes geprägt sein als durch journalistische und damit unabhängige Kriterien. Nur so kann die Medienbranche das Vertrauen in ihre Arbeit zurückgewinnen.

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