Die Spirale der Ungleichheit: Vermögensverteilung in Österreich 

Vermögenskonzentration
Illustration (C) Adobe Stock / Montage
In Österreich sind Vermögen sehr ungleich verteilt. Durch Erbschaften verschärft sich diese Problematik und die Spirale der Ungleichheiten dreht sich weiter nach unten. 
Die obersten zehn Prozent haben mehr als die restlichen 90 Prozent der Bevölkerung gemeinsam.
Die Zahlen sind erschreckend: Das reichste Prozent der Haushalte in Österreich besitzt rund 40 Prozent des Nettovermögens. „Die obersten 10 Prozent haben mehr als die restlichen 90 Prozent der Bevölkerung gemeinsam“, analysiert Matthias Schnetzer, Referent für Verteilungsfragen sowie Sozial- und Wirtschaftsstatistik der AK Wien. Bei den Vermögen gibt es damit keine breite Mittelschicht, wie wir sie von den Einkommen kennen. Während die reichsten Haushalte vermehrt Unternehmensbeteiligungen, Wertpapiere und Zinshäuser besitzen, sind es in der ärmeren Hälfte meist nur ein Auto und ein Sparbuch – wenn überhaupt.

[infogram id=“aandw-online-vermoegen-01-1h8n6mdndjxj6xo?live“]

Sehr stark sieht man dieses Missverhältnis auch im Vergleich von Löhnen und Managergehältern. Die Lücke hat sich in den vergangenen Jahren rasant gesteigert: Lag das Verhältnis zwischen Löhnen und Managergehältern 2003 noch bei 1:24, so wuchs es 2015 auf 1:43 an und lag 2018 bereits bei 1:64.

[infogram id=“aandw-online-vermoegen-02-1h7k23zxzp1v6xr?live“]
Frauen haben weniger Vermögen – und zwar im Durchschnitt um 23 Prozent weniger als Männer.

Ein weiterer Aspekt, der in diesem Zusammenhang Besorgnis erregt: Frauen haben weniger Vermögen – und zwar im Durchschnitt sogar um 23 Prozent weniger als Männer. Während Männer durchschnittlich circa 165.000 Euro besitzen, sind es bei Frauen nur 127.000 Euro. Und innerhalb von Paar-Haushalten ist diese Lücke sogar noch größer.

Keine Besserung in Sicht

Aussicht auf Besserung gibt es kaum: „Die Vermögensungleichheit bleibt seit Jahren auf konstant hohem Niveau und zählt zu den höchsten in ganz Europa“, so Julia Hofmann, Referentin für soziale Ungleichheit und Verteilungsfragen der AK Wien. Durch die Zahlen der Household Finance and Consumption Survey der Oesterreichischen Nationalbank (HFCS 2017) gibt es handfeste Fakten für die zuvor von Mutmaßungen geprägte Diskussion über die Vermögensverteilung. „Das Fazit dieser jahrelangen Forschung ist allerdings ernüchternd. Die Vermögensungleichheit ist viel höher als ursprünglich angenommen“, sagt auch Michael Ertl, Referent für Konjunktur- und Verteilungsfragen der AK Wien.

Nicht zu vernachlässigen sind auch die Problemfelder der Erhebung: „Besonders reiche Haushalte sind darin nur unzureichend erfasst, womit die tatsächliche Vermögenskonzentration noch größer ist als die in den Daten gemessene“, erklären Benjamin Ferschli, Doktoratsstudent der Politischen Ökonomie an der University of Oxford, und Rafael Wildauer, der an der Universität Greenwich in London lehrt. „Ein zentrales Problem der Haushaltserhebungen von Einkommens- und Vermögensdaten besteht in der Schwierigkeit, die Vermögen der ärmsten und reichsten Bevölkerungsgruppen korrekt zu erfassen, da die Methode der Zufallsziehung bei einer kleinen Stichprobe nicht gewährleistet, den oberen und unteren Rand der Vermögensverteilung ausreichend abzudecken. Darüber hinaus besteht das Problem, dass reichere Haushalte oft weniger dazu bereit sind, an Befragungen dieser Art teilzunehmen, selbst wenn die Antworten anonymisiert werden.“

Erbschaften sind noch ungleicher verteilt

[infogram id=“aandw-online-vermoegen-03-1hxr4zvgvzdq2yo?live“]

Doch was genau bedeutet das und welche Konsequenzen ergeben sich aus der ungleichen Vermögensverteilung? „Wer viel Vermögen besitzt, kann sich politisch mehr Gehör verschaffen als andere und Vorteile auf Kosten der breiten Bevölkerung erlangen“, analysieren Schnetzer, Hofmann und Ertl. „Dazu kommt, dass hohe Vermögen einigen wenigen erhebliche Startvorteile gegenüber der breiten Bevölkerung ermöglichen. Diese Vorteile werden über Generationen hinweg weitervererbt und einzementiert. Die Ergebnisse des HFCS 2017 zeigen eindrücklich, dass Erbschaften noch deutlich ungleicher verteilt sind als Vermögen insgesamt. Nur etwa zwei Fünftel der Haushalte in Österreich haben (bisher) eine Erbschaft erhalten. Die meisten davon haben nichts Nennenswertes, einige wenige aber haben sehr viel Vermögen geerbt.“

Erbschaften sind damit ein zentraler Grund für die ungleiche Verteilung von Vermögen, durch die sich die Spirale der Ungleichheiten weiterdreht.

In Zahlen ausgedrückt: Die unteren 90 Prozent der Haushalte erben im Durchschnitt 124.000 Euro. Betrachtet man jedoch die Top-10-Prozent, so liegt das durchschnittliche Erbe bereits bei 828.000 Euro. Noch dramatischer wird der Unterschied, wenn man das oberste Prozent der Bevölkerung betrachtet: Hier werden im Durchschnitt 3.373.000 Euro geerbt. Erbschaften sind damit ein zentraler Grund für die ungleiche Verteilung von Vermögen, durch die sich die Spirale der Ungleichheiten weiterdreht.

Corona-Krise verschärft Ungleichheiten

Was bereits vor Beginn der Corona-Krise alles andere als rosig aussah, wird sich nun vermutlich noch weiter verschlimmern: „Der massive Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Einkommens durch die Corona-Krise wird die Frage der Einkommensverteilung in Zukunft noch mehr in den Mittelpunkt des wirtschaftspolitischen Interesses rücken“, geben Stefan Jestl, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), und Emanuel List, Ökonom am Forschungsinstitut Economics of Inequality an der WU Wien, zu bedenken.

Drei Fakten zum Thema Vermögensverteilung

Die obersten 10 % haben mehr als die restlichen 90 % gemeinsam
Eine kleine Anzahl sehr reicher Menschen besitzt einen großen Teil des privaten Vermögens in Österreich: Das reichste Prozent besitzt rund 40 Prozent des Nettovermögens, die obersten 10 Prozent haben mehr als die restlichen 90 Prozent gemeinsam. Damit zählt Österreich – zusammen mit Deutschland – zu den Ländern des Euroraums mit der höchsten Vermögensdifferenz.
Mehr Vermögen, mehr politischer Einfluss
Eine starke Vermögenskonzentration hat demokratiepolitische Konsequenzen: Durch die Zunahme sozialer Ungleichheit verstärkt sich die Machtasymmetrie. Wer über mehr Vermögen verfügt, hat bessere Chancen, sich politisch einzubringen.
Sozialstaat hebt Lebensstandard
Mit seinem öffentlichen Vermögen sorgt der Wohlfahrtsstaat für einen hohen Lebensstandard für alle – also auch für jene, die nicht auf große Ersparnisse und Erbschaften zurückgreifen können. Denn gerade für sie ist das öffentliche Vermögen (z. B. Schulen, Spitäler, öffentliche Verkehrsmittel, Seen, Wälder usw.) besonders wichtig. In absoluten Zahlen ausgedrückt verdoppelt das öffentliche Vermögen das Privatvermögen der unteren 90 Prozent.

Nicht alle Menschen sind im selben Ausmaß von der Krise und ihren Gegenmaßnahmen betroffen

Matthias Schnetzer, Referent für Verteilungsfragen sowie Sozial– und Wirtschaftsstatistik der AK Wien

Denn wenn die Corona-Krise eines gezeigt hat, dann das: „Nicht alle Menschen sind im selben Ausmaß von der Krise und ihren Gegenmaßnahmen betroffen“, so Schnetzer. Man denke nur an die dramatischen Arbeitslosenzahlen und die vielen Ein-Personen-Unternehmen, die aktuell ums Überleben kämpfen. Wer ein größeres Vermögen besitzt oder sogar von den Zinsen seines Vermögens leben kann, ist deutlich krisenresistenter als all jene Menschen, die über weniger bis kaum Vermögen verfügen.

Weiterführende Artikel auf dem A&W-Blog

Weshalb die Corona-Krise auch eine Verteilungsfrage ist 10 Beiträge zur Vermögensverteilung Vermögensverteilung in Österreich: Neue Daten, beständige Ungleichheit Gender Wealth Gap: Frauen besitzen weniger Vermögen als Männer

Über den/die Autor:in

Beatrix Ferriman

Beatrix Ferriman hat internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien, in Thailand, Montenegro und Frankreich studiert. Sie ist Autorin, Schreibcoach sowie freie Redakteurin für diverse Magazine und Blogs.

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.