Verlorene Tage

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Warum der 12-Stunden-Tag negative Folgen für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Österreich hätte.

Fördert traditionelle Arbeitsteilung

Vor allem mit Kindern ist es wichtig, dass für beide Elternteile familienfreundliche Arbeitszeiten vorhanden sind. Ist das nicht der Fall, so fördert das eine ungleiche Aufteilung von Erwerbsarbeit, insbesondere vor dem Hintergrund ungünstiger zeitlicher Rahmenbedingungen von Kindergärten und Schule. Ohne familienfreundliche Arbeitszeiten und entsprechende Einrichtungen werden traditionelle Rollenmuster (re-)aktiviert. Das verdeutlichen auch die Ergebnisse aus der Online-Befragung. So gehen 39 Prozent der Männer davon aus, dass die Partnerin im Fall eines 12-Stunden-Tages die Kinderbetreuung übernehmen würde. Frauen würden aber viel seltener auf den Partner zur Bewältigung der Betreuungssituation zurückgreifen (17 Prozent), dafür geben sie häufiger an, sie hätten ein echtes Problem.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Arbeitszeiten von Frauen und Männern kontinuierlich angenähert. Während sich früher Frauen mit Kindern über viele Jahre von der Berufstätigkeit zurückzogen und sich voll auf Hausarbeit und Kinderbetreuung konzentrierten, ist mittlerweile ein Wiedereinstieg – zumeist in Teilzeit – nach Ende der Karenzzeit üblich. Das sogenannte Ernährermodell (Mann Vollzeit, Frau nicht erwerbstätig) ist zunehmend dem Zuverdienermodell (Mann Vollzeit, Frau Teilzeit) gewichen. Eine Angleichung der Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern ist ein zentraler Hebel, um die Einkommensschere im Erwerbsleben und in der Folge in der Alterspension zu schließen.

Halbe-halbe-Modell

Ziel sollte ein Halbe-halbe-Modell mit einer weitgehenden Annäherung der Arbeitszeiten von Frauen und Männern und einer partnerschaftlichen Aufteilung von Betreuungspflichten sein. Denn nur so ist eine eigenständige Existenzsicherung für beide Geschlechter möglich. Dazu braucht es aber auch entsprechende Rahmenbedingungen. Günstige Voraussetzungen dafür sind eine generelle Arbeitszeitverkürzung und familienfreundliche Arbeitszeiten für Mütter und Väter. Auch Erleichterungen beim Aufstocken von Teilzeitarbeit einerseits und die Begrenzung von Überstunden andererseits sind ebenfalls hilfreich, um die bezahlte Arbeit zwischen Frauen und Männern gerechter aufzuteilen. Der 12-Stunden-Tag hätte gegenteilige Effekte. Denn wie die oben angeführten Rückmeldungen zur Online-Befragung zeigen, steigt mit einem 12-Stunden-Tag der Druck, Kinderbetreuung, Hausarbeit und berufliche Arbeit bewältigen zu können. Und immer dann, wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schwierig wird, wird auf das traditionelle Muster der Arbeitsteilung zurückgegriffen: Die Väter konzentrieren sich auf die Erwerbsarbeit und die Mütter übernehmen die Versorgungsaufgaben und den Zuverdienst. Angesichts der Rahmenbedingungen in der Kinderbetreuung – laut aktueller Kindertagesheimstatistik sind 57 Prozent der Kinderbildungseinrichtungen bereits vor 17 Uhr (!) geschlossen und die Mehrzahl der Schulen wird nur halbtags geführt – haben überlange Arbeitszeiten negative Folgen für die Gleichstellung von Frauen und Männern und würden Strategien der partnerschaftlichen Aufteilung von Beruf und Familie entgegenwirken.

Konsistente Strategie nötig

Es braucht gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die eine Annäherung der Arbeitszeiten und damit der Einkommen fördern und nicht konterkarieren. Eine konsistente Strategie bei der Gleichstellung muss auch Arbeitszeitpolitik und ihre Wirkung auf die Geschlechter mitbedenken. Dazu braucht es kürzere und planbare Arbeitszeiten, ganztägige Betreuungsangebote und Anreize für eine ausgewogene Verteilung von Erwerbsarbeit zwischen Paaren.

Teile der Wirtschaft rufen nach dem 12-Stunden-Tag, um rasch auf die betrieblichen Anforderungen reagieren zu können. Allerdings könnte das zu kurz gedacht sein, wenn damit viele Beschäftigte unter Druck gebracht werden. Aus einer umfassenden ökonomischen Perspektive betrachtet, erscheint es doch sinnvoller, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass das gesamte Erwerbspotenzial gute Voraussetzungen vorfindet, um am Arbeitsmarkt teilzuhaben. Es wäre ein Fehler aus der Perspektive der Gleichstellung, aber auch der Wirtschaft insgesamt, Frauen in eine Randposition des Arbeitsmarktes zu drängen.

Linktipps:
AK-Umfrage zum 12-Stunden-Tag:
tinyurl.com/ycogx4ym
Väter-Barometer Deutschland:
tinyurl.com/hcpwcen

Von
Ingrid Moritz
Leiterin Abteilung Frauen und Familie der AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/17.

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