„Eine Exxon-Projektion sagte sogar schon 1977 korrekt voraus, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe ein ‚kohlendioxidinduziertes Superinterglazial‘ verursachen würde“, so Studien-Koautor Stefan Rahmstorf vom PIK anlässlich der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. „Das ist eine Warmzeit, die nicht nur viel wärmer ist als alles in der Geschichte der menschlichen Zivilisation, sondern sogar wärmer als die letzte Warmzeit vor 125.000 Jahren. Durch den unaufhörlichen Ausstoß von Treibhausgasen sind wir heute schon weit auf dem Weg dorthin.“
Verleugnen der Klimakrise
Wie reagierte Exxon auf diese internen Erkenntnisse? Gar nicht. Viel mehr noch: Das Unternehmen fuhr über Jahrzehnte Kampagnen, um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Nutzung fossiler Brennstoffe und dem Klimawandel gäbe.
„Das Verleugnen der Klimakrise ist speziell in der Fossilindustrie ein großes Thema“, sagt dazu Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien. Die großen Öl- und Gasfirmen würden hier bewusst einen natürlichen Abwehrmechanismus bei Menschen aktivieren. Bei schlechten Nachrichten nähern sich viele Personen erst langsam der Realität. Ein Beispiel: Mit einem Todesfall konfrontiert, reagieren viele Angehörige zunächst mit einem „Nein, das kann nicht sein“. Ähnlich sei es mit der Klimakrise, ohne zu bemerken, dass unsere Zivilisation auf ein stabiles Klima angewiesen ist. „Unternehmen wie Exxon schüren Krisen-Verleugnung bewusst, indem sie falsche Informationen streuen.“
Aber nicht nur Energiekonzerne verleugnen die Klimakrise. „Die Autoindustrie in Deutschland hat noch bis vor Kurzem behauptet, Autos mit Verbrennungsmotor seien klimafreundlicher als das Elektroauto“, so Steurer. Verbreitet werden Informationen wie diese gerne über Studien, Steurer spricht hier von „Pseudo-Studien“, und diese fallen auf fruchtbaren Boden. „Autofahrer:innen haben dann kein schlechtes Gewissen mehr, das E-Auto ist ja eh nicht besser. Man füttert also das, was viele Konsument:innen hören wollen. Lobby-ist:innen gehen damit sehr geschickt um.“
Journalist:innen in der Pflicht
Steurer nimmt, um das Verleugnen der Klimakrise zu entlarven, vor allem den Journalismus in die Pflicht. „Journalist:innen sollten nur über seriöse Studien berichten und nicht über solche, die einen offensichtlichen Interessenhintergrund haben. Ja, oft ist der Hintergrund von Studien gut getarnt, aber das muss man genau prüfen. Hier ist Qualitätsjournalismus gefragt.“
Doch so leicht sei es auch für Journalist:innen nicht zu eruieren, wie seriös eine Studie ist, hält dem der Medienwissenschafter Fritz Hausjell entgegen. Abgesehen von unterbesetzten Redaktionen und einer Flut an Informationen, die zu verarbeiten sei, kämen solche Studien oft über Kanäle zu Journalist:innen, die die Herkunft verschleiern. „Es kann beispielsweise sein, dass solche Studien von der Politik lanciert werden.“ Abhilfe schaffen könnte hier nur ein Transparenzregister, in dem nicht nur Medienvertreter:innen, sondern alle interessierten Bürger:innen rasch abfragen könnten, wer eine Studie in Auftrag gegeben hat und finanziert.
Längst eine Existenzfrage
Zum Wechselspiel zwischen Politik und Medien merkt Steurer zudem an: Es sei in einigen österreichischen Medien immer noch so, dass der Kampf gegen die Klimakrise als grünes Projekt dargestellt werde und man sich hier um Abstand bemühe. „Das ist aber ein Missverständnis. Wir haben es hier längst mit einer Existenzfrage zu tun.“
Ja, es gebe immer Themen, die stärker oder weniger stark mit einer politischen Partei in Verbindung gebracht würden, sagt Hausjell. In Sachen Klimawandel sei aber inzwischen wissenschaftlich untermauert, „dass es nicht nur ein grüner Kassandraruf ist“. Er sieht umgekehrt die Politik in der Pflicht, durch eine umfassende Journalismusförderung Qualitätsjournalismus zu unterstützen. Dass vor allem den Printmedien Werbeeinnahmen wegbrechen, ist inzwischen hinlänglich bekannt. „Die klassischen Medien haben in den vergangenen 15 bis 20 Jahren versucht, dem mit einer großzügigeren Behandlung von Werbekund:innen zu begegnen, indem man ein entsprechendes publizistisches Umfeld bietet.“ Ein Beispiel sind hier etwa Motorseiten. „Ich habe das immer kritisiert, weil das am Ende den Journalismus ruiniert“, betont Hausjell. Wenn ein Unternehmen unsaubere Geschäfte mache, müsse darüber berichtet werden können. Das führe dann vielleicht zu Anzeigenboykotten. „Dem sollte der Journalismus solidarisch begegnen, indem solche Boykotte öffentlich gemacht werden. Das schadet dann den betroffenen Firmen.“
Profund statt PR
Um Qualitätsjournalismus zu fördern, brauche es also eine entsprechende Medienpolitik. Derzeit passiere das Gegenteil, die Regierung flute zudem ihre Social-Media-Kanäle, auch das eine massive Konkurrenz für klassische Medien. Gleichzeitig würden so die Medien durch ständig neue Themensetzungen getrieben. „Und diese mediale Parallelwelt wäre nicht so üppig, würde es nicht so viele Ressourcen von Regierungsseite geben.“
Hier spricht sich Hausjell für einen Bildungs- und Bewusstseinsprozess im Journalismus aus, der Mut zur Lücke propagiert. Um nicht nur auf von außen gesteuerte Anregungen wie eben unter anderem auch lancierte PR-Studien zu reagieren, bräuchten Journalist:innen Zeit, um eigene Themen zu finden. Nur so könne man die Rolle als vierte Gewalt im Staat gut ausfüllen. Diese Kontrollfunktion ist übrigens nicht nur für den Kampf gegen den Klimawandel wichtig. Sie ist auch eine wichtige Säule für die Demokratie insgesamt.