Weitreichende Folgen
Diese Ungleichheit bzw. die fehlende Anpassung der Einheitswerte sollte weitreichende Folgen haben. Im Jahr 2007 hob der Verfassungsgerichtshof die bis dahin geltende Erbschafts- und Schenkungssteuer auf. Die Begründung: Die latente Unterbewertung von Grund und Boden, in der das Gericht eine Gleichheitswidrigkeit bei der Besteuerung von Grundvermögen sah.
Auch die beiden Juristen Kofler und Schellmann halten das System für verfassungswidrig. Ihre Argumentation: „Der Gedanke der Pauschalierung von Steuerbemessungsgrundlagen widerspricht im Grunde den ‚steuerlichen Gerechtigkeitspostulaten, insbesondere dem Prinzip der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit‘.“ Zwar könne ein gewisses Maß an Steuerungerechtigkeit akzeptiert werden, wie auch die Steuerreformkommission erläuterte – allerdings nur dann, wenn diese „in einem vertretbaren Verhältnis zu der dadurch bewirkten Verwaltungsersparnis steht“. Genau hier setzt die Kritik der beiden Juristen an.
So sei die Gruppe, die unter eine Pauschalierungsregel gefasst wird, zu groß, als dass die steuerlichen Verhältnisse der verschiedenen LandwirtInnen vergleichbar wären. Deshalb erfasse die Pauschalierung nur einen „Bruchteil der tatsächlichen Gewinne“. Ihr Fazit: „Die Wahl des Einheitswertes als Pauschalierungsmaßstab ist nicht geeignet, eine dem tatsächlichen Gewinn nahekommende Größe zu ermitteln.“ Denn er sei eine „fiktive Bezugsgröße“, die „jeden signifikanten Bezug zur Ertragsrealität der landwirtschaftlichen Betriebe verloren hat“.
Oberflächlich betrachtet wirkt das System also in der Tat unfair. Kofler und Schellmann räumen allerdings ein, dass die geringen Einkünfte vieler LandwirtInnen vermuten lassen, dass die Pauschalierung für sie tatsächlich legitim ist. Denn auch bei einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung würde bei ihnen keine substanziell höhere Steuerlast herauskommen. Allerdings sei die Bemessung auf Basis der Einheitswerte zu ungenau und würde bestimmte Betriebe „erheblich begünstigen“. Hier müsse eine Reform ansetzen, so die beiden Juristen.
Kleinere stärker belastet
Nicht zuletzt die Arbeiterkammer machte daher Druck, damit die Einheitswerte den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Im Jahr 2012 war es dann so weit: Im Parlament wurde die Reform des Einheitswerts beschlossen. Aufseiten der Landwirtschaft zeigte man sich zufrieden. Es sei eine „nachhaltige Modernisierung“ gelungen, erklärte Gerhard Wlodkowski, damaliger Präsident der Landwirtschaftskammer. Auch der damalige Bauernbund-Chef Jakob Auer zeigte sich zufrieden, er sprach von einer „praxisnahen Regelung, die mehr Gleichbehandlung bringt“. Man habe eine „Bürokratielawine für die Landwirtschaft verhindert“, sagte der damalige Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich.
Anders sehen dies die Grünen BäuerInnen. Ihren Analysen zufolge haben kleine und mittlere Betriebe negative finanzielle Auswirkungen zu befürchten. Ein Betrieb mit einem „alten“ Einheitswert von 5.000 Euro müsse bei einer Einheitswerterhöhung um 1.000 Euro 788 Euro an zusätzlichen Steuern und Abgaben zahlen. Bei einem Betrieb mit einem „alten“ Einheitswert von 15.000 Euro schlage sich dies hingegen nur mit 468 Euro zu Buche, bei einem Großbetrieb mit 130.000 Euro Einheitswert gar nur mit 19 Euro jährlich. Der kleinere Betrieb werde also bei derselben Einheitswerterhöhung fast 40-mal so stark belastet wie der Großbetrieb, so die Kritik.
Kaum Veränderung
In der AK ist man vorsichtig bis skeptisch. Noch würden entsprechende Daten fehlen, erklärt Landwirtschaftsexpertin Maria Burgstaller. Sie verweist aber auf die Aussage Hermann Peyerls von der Universität für Bodenkultur in den Salzburger Nachrichten, wonach die neuen Einheitswerte nur wenig bringen würden. So stiegen die Einheitswerte durch die Reform zwar im Schnitt um zehn Prozent. Zugleich wurde die Grenze gesenkt, bis zu der Betriebe auf die Pauschalierung zurückgreifen können: Diese liegt nunmehr bei 75.000 statt bei 100.000 Euro. Das klinge fair, werde aber faktisch keine Auswirkung haben, erklärte Peyerl. Denn mehr als 95 Prozent der LandwirtInnen haben einen Einheitswert, der unter diesen 75.000 Euro liegt – für sie ändert sich durch die Reform also nichts. Zumindest nicht, was die Steuern betrifft. Auswirkungen ortet Peyerl allerdings bei den Sozialabgaben, denn diese würden durch die Anhebung der Einheitswerte sehr wohl steigen.
Fair sei dies nicht, wie er erläutert: „Die zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträge treffen kleine Bauern stärker als große Landwirte, die ja schon in der Höchstbemessung sind.“
AK-Studie zur Pauschalierung in der Landwirtschaft:
tinyurl.com/y8xu38ac
AK-Studie „Agrareinkommen in Österreich und in der EU“:
tinyurl.com/y9efcaqh
Sonja Fercher
Chefredakteurin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/17.
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