Rosen aus Ecuador zum Valentinstag
Man verlässt die ecuadorianische Hauptstadt Quito in nördlicher Richtung auf der Panamericana. Nicht ohne Grund liegt der neue Flughafen ganz in der Nähe. Rosen sind leicht verderblich. Händler transportieren sie deshalb per Flugzeug nach Europa oder die USA. Nach weniger als eine Stunde öffnet sich ein grandioser Blick auf ein riesiges Andental. Wenn man Glück hat, kann man den Cayambe sehen, mit 5790 Metern einer der höchsten Vulkane Ecuadors. Was man auf jeden Fall sieht: viel Plastik. An den Hängen kleine Gewächshäuser der indigenen Bauern, im Tal riesige Gewächshäuser, meist ehemalige Haciendas, die noch aus der Kolonialzeit stammen. Die reichen Landbesitzer haben von Viehzucht und Milchproduktion umgestellt auf Exportblumen, lange ein sehr lukratives Geschäft. Heute, trotz vieler Wettbewerber aus afrikanischen Ländern, immer noch lohnenswert.
Vor dem Valentinstag ist Hochsaison und es herrscht ein enormer Arbeitsdruck und unmenschliche Arbeitszeiten. „Oft müssen die Beschäftigten 10 oder 12 Stunden und mehr arbeiten. Leider werden die Überstunden nicht immer korrekt bezahlt, also mit einem Zuschlag von 50 Prozent, wie es das Gesetz vorschreibt,“ sagt Lorena Calagullin. Sie arbeitet in einem kleinen Rechtsanwaltskollektiv in der Stadt Cayambe, das auf die Unterstützung der Blumenarbeiterinnen spezialisiert ist. „Frauen bilden die Mehrheit der Beschäftigten. Für sie ist besonders problematisch, dass Überstunden oft sehr kurzfristig angeordnet werden. Das macht die Versorgung der Kinder ebenso schwierig wie die extrem langen Abwesenheiten. In unserer Kultur ist es nach wie vor so, dass die Frauen ganz überwiegend für den Haushalt zuständig sind.“ Ein merkwürdiger Widerspruch also, dass die der Liebsten oder der Mutter geschenkte Rose aus schwierigen Arbeitsbedingungen gerade von Frauen stammt.
Millionengeschäft zum Valentinstag
Ecuador erzielte zum Valentinstag 2023 mit dem Export von 25.000 Tonnen Schnittblumen einen Wert von mehr als 180 Millionen US-Dollar. Etwa drei Viertel davon machen Rosen aus. Das Land ist bekannt für seine großblütigen, langstieligen Rosen. In Europa landen sie nicht in günstigen Sträußen aus dem Supermarkt – die kommen meist aus Äthiopien oder Kenia – sondern als hochpreisige Rosen in Floristikläden. Die ecuadorianischen Rosen wachsen auf Höhen von 2800 bis 3000 Metern direkt am Äquator, mit einer enormen Lichtintensität und ganzjährig gleichen Temperaturen.
Diese klimatischen Vorteile lassen tatsächlich die Rosenproduktion in Ecuador in einer Gesamtökobilanz besser ausfallen als in den beheizten und beleuchteten Gewächshäusern der Niederlande, dem Giganten auf dem Weltblumenmarkt. Die Rosenproduktion bringt pro Hektar deutlich mehr Menschen in Beschäftigung als andere Agrarexporte wie Bananen, Palmöl oder Krabben. Auf den nur etwa 7000 Hektar Blumenplantagen finden 80.000 Menschen Arbeit. Gerade für junge Frauen auf dem Land ist die Blumenindustrie eine der wenigen möglichen Zugänge zum formalen Arbeitsmarkt. Der Monatslohn von 460 US-Dollar im Monat liegt unter der Armutsgrenze, doch in Cayambe zeigt sich ökonomischer Aufstieg.
Das Ende der Gewerkschaften
Problematisch bleiben zwei Konstanten in der 40-jährigen Geschichte der ecuadorianischen Blumenindustrie. Erstens die Missachtung der Gewerkschaftsfreiheit und zweitens der massive Einsatz von Pestiziden. In den 1990er-Jahren gab es noch ein Dutzend Gewerkschaften, heute ist eine Einzige geblieben. „Wir stehen unter Druck. Das Management ist sehr bemüht, dass wir keine Mehrheit der Beschäftigten stellen, damit wir keinen Tarifvertrag abschließen können,“ erläutert José Guatemal. Er ist der Generalsekretär der Betriebsgewerkschaft von Ponte Tresa. „Viele Kolleginnen und Kollegen schätzen unsere Arbeit. So haben wir zu Beginn der Pandemie vermeiden können, dass es zu Entlassungen gekommen ist wie in fast allen Betrieben. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir drei Monate nur halbtags arbeiten und bezahlt werden. Danach lief der Betrieb normal weiter.“
Trotzdem steht Sozialpartnerschaft bei Unternehmern in Ecuador nicht hoch im Kurs. „Das Management von Ponte Tresa hat eine Vereinigung gegründet, die sich ausschließlich um soziale Zwecke wie Feste oder Ausflüge kümmern darf. Alle neu Eingestellten werden quasi gezwungen, dort Mitglied zu werden und dürfen sich nicht gleichzeitig unserer Gewerkschaft anschließen,“ empört sich Luis Colcha vom Gewerkschaftsvorstand. „Wir haben mehrfach die Kontrolleure des fairen Handels darauf hingewiesen, aber bislang hat sich an dieser Diskriminierung nichts geändert.“ Auch in den anderen Fair-Trade-Betrieben im Land scheint es keine Stärkung von gewerkschaftlicher Organisation zu geben.
Die schönen Rosen dürfen keinen Makel haben. Deswegen werden sie regelmäßig mit einem toxischen Pestizidmix besprüht. „Von wenigen Ausnahmen fortschrittlicher Unternehmen abgesehen, fehlen oft Schutzmaßnahmen und Ausrüstungen bei der Anwendung der Chemikalien in den Gewächshäusern. Die Wiederbetretungsfristen nach der Anwendung werden nur selten eingehalten“, sagt Jaime Breilh. Er ist einer der führenden Sozialmediziner Lateinamerikas und langjähriger Rektor der renommierten Anden-Universität Simon Bolívar in Quito. „Die Folgen sehen wir nicht nur in Auswirkungen auf die Gesundheit, sondern auch auf die sensiblen Ökosysteme in der Andenregion.“
Lukrativer Valentinstag: Rosenzucht der indigenen Bevölkerung
Mit Sorge blickt Breilh, der die Thematik seit mehr als 20 Jahren verfolgt, auf die Ausweitung der Rosenproduktion in den Gärten der indigenen Bevölkerung selbst. Mehrere hundert kleine Gewächshäuser sind in den letzten Jahren in den Gemeinden Cayambes entstanden, manche nur 1.000 oder 2.000 Quadratmeter groß, andere bis zu einem Hektar. Meist sind es nur wenige Meter bis zu den Wohnhäusern.
Valentinstag ist bekanntlich der Tag der Liebenden, und Liebe macht auch nicht vorm Arbeitsplatz halt. Aber Vorsicht:#Valentinstag https://t.co/7SlrMJu69V
— ÖGB (@oegb_at) February 13, 2024
Die Rosen werden an Mittelsmänner verkauft, das ist lohnenswerter als der Anbau von Nahrungsmitteln, für die jedwede staatliche Agrarpolitik fehlt. Zumindest wenn die Kleinstproduzenten keine Lizenzgebühren für die patentierten Rosensorten zahlen müssen. „Das würde etwa 1,40 Dollar pro Rose bedeuten. Man braucht mindestens 10.000 fürs Geschäft, das wären fast mehr als alle Investitionskosten“, erläutert Agustín Cachipuendo. Er ist der langjährige Vorsitzende des Pueblo Cayambi. „Es gab große Proteste dagegen, die Firma Plantec hat jeden Dialog mit uns verweigert.“ Er bezieht sich auf den größten Lizenzinhaber von Rosensorten in Lateinamerika.
Die ecuadorianische Verfassung gibt indigenen Völkern eine gewisse Autonomie in ihren Territorien, wie in Cayambe. Die indígene Justiz entschied, dass die Kleinstproduzenten nicht mehr als drei Prozent des Nettogewinns an Plantec zu zahlen haben. Das Unternehmen weigert sich, das anzuerkennen. Der Konflikt liegt nun beim Verfassungsgericht. „Unsere Mobilisierungen und das Urteil waren große Erfolge“, resümiert Cachipuendo. „Aber letztendlich haben wir auch eine große Schuld auf uns geladen,“ ergänzt er nachdenklich mit Blick auf die gesundheitlichen Risiken, die damit noch näher in die Dörfer gerückt sind. Armut und ein schwacher Staat sind keine guten Grundlagen für eine alternative Entwicklung.