Vor fast 40 Jahren sang Herbert Grönemeyer: „Männer kriegen keine Kinder, Männer kriegen dünnes Haar, Männer sind auch Menschen, Männer sind etwas sonderbar.“ Mit seinem Lied „Männer“ sprach Grönemeyer ironisch das vorherrschende Männerbild in Westdeutschland an, das sich kaum von jenem in Österreich unterschied. Jahrzehnte später hat sich der gesellschaftliche Blick auf die Männerwelt zwar in vielen Bereichen geändert, doch manche Zuschreibungen halten sich hartnäckig. Etwa, dass Männer mutig, risikobereit und abenteuerlustig seien, Frauen hingegen einfühlsam, geduldig und mit angeborenem Familiensinn ausgestattet. Was soll das sein, ein Sinn für Familie? Fest steht, dass Männern eine wichtige Rolle in der Kindererziehung zukommt, aber nur wenige diese Chance nützen. In ernüchternden Zahlen ausgedrückt: 2018 gingen nur 13 Prozent der Väter in Elternkarenz, wie das Wiedereinstiegsmonitoring der Arbeiterkammer Wien zeigt. Die Argumente für kurze oder gar keine Karenz sind bekannt. Da wäre einerseits das Einkommen – viele Männer verdienen nach wie vor mehr als Frauen –, und zum anderen sind es verstaubte Rollenbilder, die Väter von der Elternkarenz „abhalten“.
Väter in Elternkarenz
„Wenn Männer Karenz oder den Papamonat beantragen, schlägt ihnen in Betrieben oft Widerstand entgegen“, sagt Nadja Bergmann, die bei L&R Sozialforschung zu den Themen Gleichstellung und Arbeitsmarkt forscht. Kindererziehung werde nach wie vor Frauen zugeschrieben, auch wenn die Österreicher:innen sich nach außen hin gerne offen zeigen. Erich Lehner ist Männerberater. In seiner Arbeit als Obmann des Dachverbands für Männer-, Burschen- und Väterarbeit sowie als Psychoanalytiker setzt er sich mit Rollen auseinander, die wir Männern und Frauen zuschreiben. Diese Klischees, aber auch wie unsere Erwerbsarbeit strukturiert ist, prägen unser Denken. „Trotz aller gesellschaftlichen Änderungen besteht nach wie vor ein sehr traditionelles Frauen- und Mutterbild, das die Versorgung von Kindern mit Frausein und Muttersein verbindet. Demgegenüber dominiert ein Männerbild, das eine dominante, konkurrenzorientierte Männlichkeit bevorzugt. Diese Männlichkeit soll am besten innerhalb der Erwerbsarbeit ausgelebt werden.“
Wenn Männer Karenz oder den Papamonat beantragen,
schlägt ihnen in Betrieben oft Widerstand entgegen.
Nadja Bergmann, Soziologin bei L&R Sozialforschung
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Das angesprochene Männerbild „harmoniert“ bestens mit den Faktoren Macht, Konkurrenz und Berufstätigkeit. Sorgearbeit für die Kinder zu leisten, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Das erschließt sich einem sofort, wenn man einen Blick auf die Zahlen zu den Karenzzeiten von Statistik Austria für das Jahr 2021 wirft. Bei 43,5 Prozent aller Paare mit Kindern unter 15 Jahren arbeiteten Männer in Vollzeit und Frauen in Teilzeit. Umgekehrt sind es nur 4,4 Prozent aller Fälle. „Unbezahlte und bezahlte Care-Arbeit haben in unserer Gesellschaft leider noch immer nicht den Stellenwert, den sie eigentlich haben sollten, und sind in Österreich nach wie vor eher weiblich konnotiert“, so Nadja Bergmann. Doch viele Männer wollen heute mehr für ihre Kinder da sein, als es beispielsweise ihre Väter bei ihnen waren.
Der Wunsch, es besser oder anders zu machen, lebt in vielen Männern. „Bei diversen Umfragen lässt sich diese Tendenz erkennen. Auch bekunden viele Männer, dass sie bereit wären, zugunsten ihrer Kinder Berufsarbeit zu reduzieren und in Karenz oder Elternteilzeit zu gehen. Allerdings stellt für all diese Absichten die berufliche Verfügbarkeit eine klare Grenze dar“, erklärt Lehner. Vorherrschende Männerbilder und Klischees sind Ursachen dafür, dass es am Ende dann oft bei einer Bereitschaft bleibt. „Problematisch sind die Strukturen der Arbeitswelt. Diese setzen auf den berufstätigen Mann, der seine Sorgeverpflichtungen, die er beispielsweise gegenüber den eigenen Kindern oder auch gegenüber kranken, alten und sterbenden Familienmitgliedern hat, vor allem an Frauen abgibt“, sagt der Psychoanalytiker.
Väter in Elternkarenz: Papa als Role-Model
Welche Vorzüge hätte es nun, würden mehr Männer das klassische Rollenbild aufbrechen? „Wenn Männer vermehrt der Verantwortung der Care-Arbeit nachkommen, dann schaffen sie dadurch ein modernes Männerbild“, meint Lehner. Papa kann ein Role-Model sein, und davon profitiert letztlich die ganze Familie: Kinder, Frauen und Männer. Die Vater-Kind-Beziehung würde sich vertiefen, und Männer würden soziale Kompetenzen erweitern, die auch im Berufsleben wichtigen sind. „Das Engagement von Männern in der Familie brächte ihnen vermehrte Lebensqualität, verbesserte Gesundheit, weniger psychische Erkrankungen wie Depression und Suizidgedanken sowie eine verbesserte Beziehungsqualität zu den Partnerinnen“, zählt Lehner auf. „Zudem ist erwiesen, dass Gleichstellung in der Familie Gewalt in der Familie reduziert.“ Und was hätten Frauen davon? Ihnen stünden mehr Möglichkeiten in der Berufswelt offen, wodurch sie auch in der Öffentlichkeit sichtbarer wären.
Damit zukünftig mehr Männer ihre Chance auf Elternteilzeit nutzen, muss sich das Männerbild ändern. Viele Männer trauen sich bereits, die Erwerbsarbeit eine Zeit lang ruhend zu stellen und die Kindererziehung in den Vordergrund zu rücken. Sie sind Role-Models für andere Väter. Das Schließen des Gender-Pay-Gaps, Imagekampagnen und ein breiter gesellschaftlicher Diskurs sind ebenso notwendig. „So kann sorgeorientierte Männlichkeit gesellschaftlich plausibel gemacht werden. Und ganz besonders braucht es Maßnahmen in den Betrieben, Unternehmungen und Institutionen. Sie sollten proaktiv ihre Mitarbeiter:innen hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützen“, rät Lehner.