Unterstützung für Inhaftierte: Nach dem „Häfn“ folgt das Leben

Ein Mann sitzt vor einem Fenster mit Gefängnisstäben. Symbolbild für Inhaftierte und Arbeit.
Damit der Einstieg bzw. Umstieg nach der Haftentlassung in den regulären Arbeitsmarkt gelingt, müssen Inhaftierte bereits während des Aufenthalts in einer Justizhaftanstalt unterstützt werden. | © feelimage/Matern/Verein NEUSTART
Über 9.000 Personen sind in Österreichs Justizhaftanstalten aktuell inhaftiert. Viele davon bereiten sich bereits für das Leben danach vor. Der Verein NEUSTART unterstützt bei der Rückkehr in die Arbeitswelt.

Wenn die Inhaftierung endet, taucht auf einmal das große „Wie?“ auf. Wie komme ich zu einer Wohnung? Wie finde ich wieder soziale Kontakte? Und wie komme ich wieder zu Arbeit? Fragen, die sich viele ehemalige Inhaftierte stellen. Damit sie den Schritt ins „normale“ Leben schaffen, braucht es deshalb bereits während der Haft mehr Unterstützung. Das fordern das Justizministerium (BMJ), der Verein NEUSTART und die Arbeiterkammer (AK) Wien.

Arbeit nach der Haftentlassung

Der Verein NEUSTART, der Resozialisierungshilfe für Straffällige, Unterstützung von Opfern und Prävention bietet, bezeichnet die Zeit der Haftentlassung als „kritische Phase“. Die Wiederkehrquote in die Haft liegt laut Erhebungen von Expert:innen bei 40 bis 50 Prozent. „Wir helfen Inhaftierten deshalb kurz vor ihrer Entlassung dabei, einen Wohnplatz zu finden, den Lebensunterhalt zu sichern und sich wieder an das Leben in Freiheit zu gewöhnen. Das klingt im ersten Moment banal, aber das Leben im Gefängnis ist stark fremdbestimmt“, sagt Christoph Koss, Geschäftsführer von NEUSTART.

Der Verein NEUSTART bezeichnet besonders die Zeit der Haftentlassung als „kritische Phase“. | © feelimage/Matern/Verein NEUSTART

Damit der Einstieg bzw. Umstieg nach der Haftentlassung in den regulären Arbeitsmarkt gelingt, sollten Inhaftierte bereits während des Aufenthalts in einer Justizhaftanstalt unterstützt werden, ließ Caroline Walser, Gruppenleiterin im Justizministerium, im Gespräch mit Ö1 Mitte August wissen. Diese Forderung stieß bei NEUSTART auf offene Ohren und auch die AK Wien begrüßt intensivere Unterstützung. „Ja, es ergibt Sinn, möglichst frühzeitig mit einer Reintegration von inhaftierten Personen zu beginnen und Maßnahmen zu setzen. Es braucht bspw. Pilotprojekte, um Maßnahmen auszuprobieren und hier gibt es sicher die Bereitschaft des Arbeitsmarktservice, daran teilzunehmen“, meint Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration in der AK Wien.

Einschulungs- bzw. Umschulungsmaßnahmen sind besonders bei Personen, die eine längere Haftstrafe antreten mussten, wichtig. Solche Maßnahmen sind bereits jetzt für Personen im gelockerten Vollzug möglich, doch der Verein NEUSTART fordert, dass diese Maßnahmen bereits früher für inhaftierte Personen möglich sind. „Einschulungs- bzw. Umschulungsmaßnahmen könnten an Schulungsstandorten des Arbeitsmarktservice stattfinden, die Inhaftiere im Rahmen ihrer Ausgänge aufsuchen können. Unabhängig vom gelockerten Vollzug sollten jene Maßnahmen spätestens mit der Fixierung des Entlassungstermins von Inhaftierten in Anspruch genommen können werden“, so Koss.

Inhaftierte sind besonders förderbar

Laut dem Strafvollzugsgesetz (StVG) ist jede:r arbeitsfähige Strafgefangene:r in Österreich während der Zeit der Inhaftierung verpflichtet, Arbeit zu leisten. Diese wird den Inhaftierten zugewiesen und durch die Justizhaftanstalten muss sichergestellt werden, dass diese nützlich ist. Die Tätigkeiten können von der öffentlichen Verwaltung, über gemeinnützige Arbeiten bis zur Erzeugung von Gegenständen zum Vertrieb reichen. Inhaftierte werden deshalb nicht als „langzeitarbeitslos“ eingestuft, was zu Problemen führen kann.

„Ohne diesen Status ist es ihnen nicht möglich, Kurse und Schulungen vom Arbeitsmarktservice zu besuchen und sie sind auch nicht in sozioökonomische Betriebe vermittelbar. Beides wäre aber dringend erforderlich, um Haftentlassene bei ihrer Resozialisierung zu unterstützen“, begründet Koss diese Forderung. Haftentlassene haben außerdem häufig das Problem, als schwer vermittelbar zu gelten und dadurch droht in weiterer Folge Langzeitarbeitslosigkeit. Ein Problem, das auch der AK bekannt ist. In Österreich gibt es jedoch keine Fördergarantie, dass jemand Anspruch auf einen Platz in einem sozialökonomischen Betrieb haben muss oder ihm:ihr Eingliederungsbeihilfe garantiert ist.

Um Eingliederungsbeihilfe können bspw. Arbeitssuchende über 50 Jahren oder Personen unter 25 Jahren, die länger als sechs Monate arbeitslos vorgemerkt sind, ansuchen. „Haftentlassene können aufgrund dieser fehlenden Fördergarantie nur in diesen Kreis aufgenommen werden. Genau deshalb würden kleinere Pilotprojekte für Maßnahmen sinnvoll sein, um zu sehen, wo man hier einen Schritt weitergehen könnte“, so Hofbauer. Langzeitarbeitslosigkeit und dadurch auch ein Stück Perspektivlosigkeit für Haftentlassene sind schlechte Voraussetzungen, um in Zukunft Straffälligkeit vorzubeugen, weiß NEUSTART. „Der Zugang zu Beschäftigung und Arbeitsmarkt hat eine große Bedeutung und ist ein wichtiger protektiver Faktor gegen eine neuerliche Straffälligkeit. Wünschenswert wäre es aber auch, dass das AMS auch innerhalb der Justizanstalten Weiterbildungen für Personen anbietet, die noch nicht im gelockerten Vollzug sind“, meint Koss.

Wie Inhaftierte im Berufsleben Fuß fassen

Genau deshalb betreibt der Verein NEUSTART in Wien und Linz zwei Werkstätten, um Klient:innen aufzufangen. Im Jahr 2022 waren in den beiden Werkstätten 400 Klient:innen beschäftigt und wurden zugleich betreut. „Viele Inhaftierte sind nach ihrer Haftentlassung schlecht ausgebildet und aufgrund von langer Arbeitslosigkeit oder persönlichen und sozialen Problemen den Anforderungen des Arbeitsmarkts nicht mehr gewachsen. Für ihre Resozialisierung sind eine Arbeit und die soziale Absicherung aber essenziell“, so Koss. Das Erlernen eines betrieblichen Alltags mit marktüblichen Bedingungen ist nur eine Komponente, das Erlernen von Teamfähigkeit, der Übernahme von Verantwortung oder der Umgang mit Stresssituationen andere.

Damit die geforderten Maßnahmen umgesetzt werden können, braucht es Geld. Ob die Finanzierung rein über das Budget des Justizministeriums möglich ist oder es eine gemischte Finanzierung von Justiz- und Arbeitsministerium braucht, muss noch geprüft werden. Die Verantwortung für neue und weiterführende Projekte und Maßnahmen liegt hingegen beim Justizministerium. Fakt ist aber: Menschen in Haft müssen bereits im Gefängnis unterstützt werden. „Es braucht Maßnahmen, die inhaftierten Personen auf allen Ebenen einen Wiedereinstieg in das Leben nach der Haft ermöglichen. Seien es Coachings und Seminare, die auf die Aufgaben und Herausforderungen nach der Enthaftung abzielen und natürlich ist Berufsorientierung sehr wichtig“, meint Hofbauer von der AK Wien.

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Über den/die Autor:in

Stefan Mayer

Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.

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