Überwachung am Arbeitsplatz
Welche Art von Überwachung am Arbeitsplatz zulässig ist und welche nicht, bestimmt der jeweilige Beruf. Wenn beispielsweise die kritische Infrastruktur (Lebensmittelversorgung, Stromversorgung, stationäre medizinische Versorgung etc.) betroffen ist, dann gibt es gesetzliche Vorgaben, wie diese zu überwachen ist. In der Privatwirtschaft, abseits der kritischen Infrastruktur, sieht es aber etwas anders aus. In betriebsratlosen Unternehmen dürfen Überwachungsmaßnahmen wie Videoüberwachung, GPS-Ortung von Außendienstmitarbeiter:innen oder auch die maschinelle Aufzeichnung der Arbeitszeiten nur mit Zustimmung der Arbeitnehmer:innen erfolgen. Eine schriftliche Zustimmung ist zwar nicht zwingend erforderlich, aber sie empfiehlt sich, um die Maßnahmen schwarz auf weiß dokumentiert zu haben.
Sollte es im Unternehmen einen Betriebsrat geben, dann müssen Überwachungsmaßnahmen durch die Betriebsrätin oder den Betriebsrat, mit dem oder der Betriebsinhaber:in in Form einer Betriebsvereinbarung getroffen werden. „Erste:r Ansprechpartner:in im Betrieb ist der Betriebsrat. Dieser hat ein Einsichts- und Kontrollrecht und kann bei Verdachtsfällen einer Überwachungsmaßnahme Informationen vom Arbeitgeber einfordern. Eine Kontrollmaßnahme, welche die Menschenwürde berührt, und durch keine Betriebsvereinbarung gedeckt ist – oder in Betrieben ohne Betriebsrat durch eine schriftliche Einzeleinwilligung – ist unzulässig“, sagt ÖGB-Datenschutzexperte Sebastian Klocker.
Drei Viertel glauben an mehr Überwachung
Einen nicht zulässigen Überwachungsfall in einem Wiener Unternehmen deckte Mitte Februar die PRO-GE auf. Ohne Erlaubnis der Beschäftigten installierte das Unternehmen Überwachungskameras, mit dem Ziel, das Personal auszuspionieren. Eine Mitarbeiterin meldete dieses Vorgehen der PRO-GE und die Produktionsgewerkschaft stattete allen elf Filialen der Wäscherei in Wien einen Besuch ab und informierte die Angestellten über das Vorgehen. Selbst in manchen Pausenräumen montierte das Unternehmen Kameras zum Bespitzeln der Mitarbeiter:innen. Ein klares Vergehen gegen die Menschenwürde. „Jede Person hat das Recht, wegen eines Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) oder dem Grundrecht auf Datenschutz die Datenschutzbehörde zu konsultieren. Wenn durch eine unzulässige Datenverarbeitung –beispielsweise eine unzulässige Überwachungsmaßnahme – ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, kann auch ein Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht werden“, erklärt Klocker.
Eine aktuelle IFES-Studie für die Arbeiterkammer Wien widmet sich der Digitalisierung am Arbeitsplatz und zeigt, dass Arbeitnehmer:innen zunehmend Bedenken hinsichtlich der digitalen Überwachung am Arbeitsplatz haben. Drei Viertel der 1.011 Befragten sind der Meinung, dass die fortschreitende Digitalisierung zu mehr Überwachung am Arbeitsplatz führt. 56 Prozent gaben außerdem an, dass durch die Digitalisierung die Dokumentations- und Berichtspflichten in ihren Unternehmen bereits zunehmen. „Die Ergebnisse der Umfrage zeigen uns als Arbeiterkammer, wo besonderer Handlungsbedarf besteht. Die AK ist auch die Stimme für eine gerechte Arbeitswelt von morgen. Die Ergebnisse zeigen, was geschehen muss, damit Arbeitnehmer:innen im Zuge der Digitalisierung nicht gläsern werden“, sagt AK Wien Direktorin Silvia Hruška-Frank.
Risikobewertungen und Leistungsbeurteilung
Software-Programme wie Forcepoint, Securonix oder Sneek sind oft die Instrumente zur illegalen Mitarbeiter:innenüberwachung. Eine Studie von Wolfie Christl, Public-Interest Technologe und Aktivist für digitale Rechte, zeigt, wie die Kontrolle durch diese Programme genau funktioniert. „Die Software von Forcepoint führt zum Beispiel Logdaten aus dem ganzen Betrieb zusammen, berechnet laufend Risikobewertungen für Arbeitnehmer:innen und verspricht, ‚ungewöhnliches“ Verhalten zu erkennen‘, schreibt der Experte. Bei Securonix handelt es sich um eine umfassende Überwachungstechnologie, die nicht nur überwacht, sondern auch eine Leistungsbeurteilung der Beschäftigten vornimmt. Und sehr gängig ist auch die Videoüberwachung im Homeoffice. „Bei dem Dienst Sneek werden alle Kolleg:innen über ihre Webcam auf einer Videowall eingeblendet“, so ÖGB-Datenschutzexperte Klocker.
Überwachungskameras, die Arbeiter während ihrer Tätigkeit filmen, sind eine Kontrollmaßnahme, die die Menschenwürde berührt. Dafür braucht es die Zustimmung des Arbeitnehmers oder Betriebsrats, erklärt #AK Arbeitsrechtsexpertin Martina Chlestil. #Amazon⬇️https://t.co/NeJFdCof2Z
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) February 4, 2021
Die AK fordert, dass die Auswirkungen des Einsatzes aller digitalen Anwendungen auf die arbeitenden Menschen und die Arbeitsbedingungen evaluiert werden und eine erhöhte Transparenz geschaffen werden muss. Außerdem brauche es eine der Regelung eines Beweiserhebungs- und -verwertungsverbots. „Arbeitgeber müssen sich an die gesetzlichen Vorgaben halten und dürfen keine Vorteile aus dem Einsatz rechtswidriger Kontrollmaßnahmen bzw. aus rechtswidriger Datenverarbeitung ziehen könne“, so die Forderung. Damit die Truman Show nur ein fiktionaler Film bleibt und nicht zur Arbeitsrealität wird, ist in Zukunft die Überwachung der Überwachung notwendiger denn je. Denn die Möglichkeiten zur Bespitzelung der Arbeitnehmer:innen werden durch die Digitalisierung weiter zunehmen.