Unzureichendes Universitätsgesetz von 2004
„Immer weniger Spezialist:innen suchen ihren Arbeitsplatz an Universitäten. Und immer mehr vom Stammpersonal sucht sich Alternativen außerhalb des Bildungssektors“, erklärte Marion Polaschek in einem Posting auf LinkedIn. Sie ist Vorsitzende der Unabhängigen GewerkschafterInnen im ÖGB und Biologin. Im Interview mit Arbeit&Wirtschaft führt sie aus: „Seit wir 2004 mit dem Universitätsgesetz ausgegliedert wurden, fährt man einen rigorosen Sparkurs. Der Kollektivvertrag hat eine deutliche Reduzierung des Personalbudgets bewirkt. Die Lebensverdienstkurven im Vergleich zu Vertragsbediensteten und Beamt:innen ist eingebrochen. Versprochen wurde uns, dass man überbezahlt wird. Das hat sich in der Breite nicht erfüllt.“
Kurios ist außerdem, dass es eine Leistungsvereinbarung zwischen den Ministerien und den Universitäten gibt. Es braucht also Output. Doch der ist schwer quantifizierbar. Wissenschaft funktioniert nicht entlang marktwirtschaftlicher Logiken. Das Problem illustriert Karl Reiter, Wissenschaftler und Betriebsratsvorsitzender für das wissenschaftliche Universitätspersonal an der Universität. „Anton Zeilinger hatte eine Vision und konnte forschen. Unter den aktuellen Zuständen wäre er wohl heute nicht Nobelpreisträger, sondern ein älterer Physiklehrer, der von Quanten träumt.“ Am Ende geht es vor allem um die Finanzierung.
Grund eins für Streik an Universitäten: Das Geld
Zwar rühmt sich der ehemalige Universitätsrektor und Bildungsminister Martin Polaschek Anfang 2022 mit einem „Rekordbudget“, aber, so seine Namensvetterin Marion Polaschek, „die Wertschätzung dem tertiären Bildungssektor gegenüber ist fragwürdig. Die Forderung von zwei Prozent des BIPs gibt es schon lange.“ Nun gewährte er zwar 650 Millionen Euro statt 500 Millionen, der Sektor hätte jedoch 1,2 Milliarden Euro benötigt. Die Gehälter im öffentlichen Dienst steigen zwischen 7,15 Prozent bei hohen Löhnen und 9,41 Prozent bei niedrigen.
Gewerkschaftlerin Polaschek erhofft sich das als Minimum: „ Die Regierungen kommen und gehen. Es geht um den Stellenwert der Bildung in Österreich. Wir machen keinen Gewinn, wir verkaufen Bildung. Da kann man keine Rückstellung machen.“ Die Strategie sei mangelhaft. An der Universität Wien gebe es neue Professuren, diese benötigen allerdings Forschungsmittel, Assistent:innen und Hilfskräfte. Das könne man nicht mit einmaligen Erhöhungen abfangen. Die Teuerung, meint sie, käme da noch on top.
„Wir wollen mindestens das, was der öffentliche Dienst hat. Wenn das nicht erreicht wird, dann wird es Kampfmaßnahmen geben“, stellt Reiter klar. Schließlich betreffe der Kollektivvertrag (KV) an den Universitäten alle. Nicht nur die Professor:innen, sondern auch Hilfskräfte, Verwaltung, IT oder Facility-Management. Da gibt es eben auch niedrige Gehälter, auch in der Lehre selbst. Wenn das Unipersonal streikt, verzögern sich Abschlüsse. Etwa im Bereich Lehrer:innenausbidlung, wo Personal dringend gebraucht würde.
Noch dazu, weil nur fünf bis zehn Prozent, so seine Schätzung, richtig gut verdienen würden. So manche Uni-Lehrkraft verdiene aktuell weniger als das Einstiegsgehalt bei den erwähnten Lehrer:innen wäre. Da kann sich die Politik für Erfolge rühmen. Aber: „Für uns als Gewerkschaft steht das Einkommen der Kolleg:innen an erster Stelle, nicht Leuchtturmprojekte.“ Man könne auch Zahlungen aussetzen, etwa monatliche Überweisungen an die Bundesimmobiliengesellschaft. „Die Unis zahlen Millionen an die BIG. Dann soll die sich das untereinander ausmachen.“
Grund zwei für Streik an Universitäten: Kettenverträge
Zwar nicht im KV enthalten, aber im Universitätsgesetz (UG): Kettenverträge. Diese sind ein großes Problem. Wieso soll Unipersonal für höhere Löhne eintreten, wenn man nicht einmal weiß, ob man weiterverwendet wird? „Ein Verbot von Kettenverträgen ist eine gewerkschaftliche Errungenschaft“, weiß Reiter. Der § 109 im Universitätsgesetz erlaube dies, woanders gibt es derartige Verträge nicht. Ursprünglich waren sie als Entlastung gedacht. Arbeiten doch vor allem junge Wissenschaftler:innen oftmals an verschiedenen aufeinander folgenden Projekten an derselben Universität. Mittlerweile sind die Verträge auf alle Branchen an den Universitäten ausgedehnt. „Das System der Kette ist von den Wissenschafter:innen auf alle übergeschwappt“, so Polaschek. Gesplittete Verträge – etwa einige Stunden in der Bibliothek, dann 20 oder 30 Stunden in Projekten – wären die Norm.
„Die UG-Novelle 2021 ist völlig schiefgegangen“, ergänzt Reiter. „Wir sind in einem Dilemma. Die Gesetze, die der Staat sich gibt, verhindern Innovation.“ Die Universitätsrektor:innen hätten schon die Möglichkeit, unbefristete Verträge herzugeben. Tun es aber nicht, weil sie kein Risiko tragen wollen. Die Einstufung orientiert sich zudem oftmals am KV-Minimum, eine Überbezahlung gibt es kaum. Dazu müssen immer weniger Menschen dieselbe Leistung produzieren, wer kann, macht den Absprung in die Privatwirtschaft. Dort gibt es aber keine Garantie, dass Innovationen erbracht werden können. Marion Polaschek „Ohne diese Expertise wird der Laden weder für Wissenschaftler:innen noch Studierende laufen.“
Unis nutzen derzeit #Kettenverträge zur Abdeckung eines dauerhaften Personalbedarfs. "Das ist nicht der Sinn und Zweck eines befristeten Arbeitsvertrags", sagt AK Präsidentin Renate Anderl. Hier ein Artikel zu dem Thema in den @sn_aktuell https://t.co/xhNX9qK8fG
— AK Österreich (@Arbeiterkammer) October 3, 2019
So kommt kein zweiter Anton Zeilinger
Für Karl Reiter hängen diese Themen zusammen. Als KV-Verhandler steht nun einmal der Abschluss im Vordergrund, auch wenn er für beide aktiv ist. Aber die Demonstration am 6. Dezember werde eben von der Basis getragen. Los geht es in der Teinfaltstraße, wo Dienstgeber und Gewerkschaft die Gehälter verhandeln, dann geht es zum Ministerium – und um ein Zeichen gegen Kettenverträge, für mehr Sicherheit. Es hänge eben alles zusammen und jetzt müssten endlich Lösungen auf den Tisch. Sonst wird der Nobelpreis für Anton Zeilinger auf viele, viele Jahrzehnte der einzige sein, auf den Österreich stolz sein kann. Der Streik an Universitäten soll genau darauf hinweisen.