Stadt – Land – Kindergarten
Welche Schlüsse lassen sich daraus für die Post-Pandemie-Zeit ziehen? Einerseits brauche es eben flächendeckende Kinderbetreuungseinrichtungen. Hier gibt es in Österreich noch ein massives Stadt-Land-Gefälle. „Wir sollten aber auch über eine Arbeitszeitreduktion für alle – Männer wie Frauen – reden“, sagt Mader. „Vollzeit sollte nicht 40, sondern 30 bis 35 Stunden pro Woche – bei existenzsichernden Löhnen – bedeuten. Da ginge sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für alle deutlich besser aus. Es geht also darum, Arbeit fairer zu verteilen.“
Wir sollten aber auch über eine Arbeitszeitreduktion für alle – Männer wie Frauen – reden.
Katharina Mader, Ökonomin
Jahrzehntelang stand die ÖVP auf der Bremse, wenn es um Ganztagsschulen und ganztägige Betreuung jüngerer Kinder ging. Doch die Realität hat hier die Ideologie inzwischen überholt – viele Familien kommen schlicht mit einem Gehalt finanziell nicht mehr zurecht. Schmid und Kurz war klar, als sie die Verhandlungen mit dem damaligen Koalitionspartner SPÖ über einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung schließlich torpedierten, dass es sich dabei um ein gutes Projekt gehandelt hätte. Sie gönnten Kern schlicht diesen politischen Erfolg nicht – ausbaden mussten und müssen das bis heute Eltern und dabei vor allem Frauen.
Diesen Herbst ließen nun die Sozialpartnerinnen aufhorchen: Gemeinsam mit der Industriellenvereinigung präsentierten ÖGB, Wirtschaftskammer, AK sowie die Landwirtschaftskammer einen Forderungskatalog zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Als gemeinsames Ziel wird dabei „ein Rechtsanspruch für Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag“ formuliert. Die Intention: „Mit dem vorliegenden Papier möchten die Sozialpartnerinnen und die Industriellenvereinigung den Weg zur Umsetzung eines Rechtsanspruchs konkretisieren, zeitliche Milestones aufzeigen und die notwendige Finanzierung transparent machen. Die ‚Roadmap Rechtsanspruch‘ zeigt, welche Schritte bis wann zu setzen sind, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Qualität in der Elementarpädagogik in Österreich maßgeblich zu verbessern.“
Gleichzeitig legen die genannten Institutionen in dem Papier auch ein gemeinsames Bekenntnis ab: „Die Sozialpartnerinnen und die Industriellenvereinigung bekennen sich zu einer bedarfsorientierten, flächendeckenden, flexiblen sowie leistbaren Kinderbetreuung und hochwertigen Elementarbildung als unverzichtbare Zukunftsbereiche. Deshalb setzen sie sich gemeinsam für Investitionen, nachhaltige Verbesserungen und die Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf qualitätsvolle Kinderbetreuung und -bildung ab dem ersten Geburtstag ein.“
Ist hier ein Paradigmenwechsel zu erkennen? Erkennen inzwischen auch konservativere Kreise an, dass Familien Kinderbetreuung brauchen, fragte Arbeit&Wirtschaft AK-Präsidentin Renate Anderl. „Egal, ob Vereinbarkeit von Familie und Beruf, faire Chancen für jedes Kind, bessere Arbeitsmarktchancen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mehr Fachkräfte für Unternehmen, die Stärkung des Standortes und des ländlichen Raumes oder die Gleichstellung von Frauen und Männern – Kinderbetreuung und Elementarbildung spielen dabei immer eine zentrale Rolle“, betont sie. Vereinbarkeit sei ein zentrales Zukunftsthema, bei dem Politik, Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen an einem Strang ziehen müssten. „Die diesbezüglichen gemeinsamen Forderungen der Sozialpartnerinnen und Industriellenvereinigung sind daher kein großer Widerspruch, denn gute Kinderbildungseinrichtungen und der Rechtsanspruch darauf nützen ja allen: Eltern können Vollzeit arbeiten, Betriebe haben ausreichend Personal, Kinder bekommen frühzeitig gute Bildung – auch der Kindergarten ist schließlich eine Bildungseinrichtung.“