Wie – um es in den Worten Schmids zu formulieren – „geil“ diese Investition in die Kinderbetreuung gewesen wäre, kann so anschaulich gemacht werden: Hätten der damalige SPÖ-Kanzler Christian Kern und ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner 2016 ihre Pläne umsetzen können, „hätte heute jedes Kind ab dem ersten Lebensjahr seit 2020 einen Rechtsanspruch auf einen gratis Betreuungsplatz – und das maximal 20 Kilometer vom Wohnort entfernt“, sagt Christopher Berka. Er war als früherer Kabinettschef von Kanzler Kern in diese Verhandlungen involviert. „Weil da jetzt immer diese 1,2 Milliarden Euro kolportiert werden: Das ist eigentlich sekundär gewesen. Der springende Punkt war der Rechtsanspruch. Das Geld wäre die Anschubfinanzierung gewesen, damit dann 2020 ausreichend Plätze zur Verfügung gestanden wären.“
Es hätte heute jedes Kind ab dem ersten Lebensjahr seit 2020 einen Rechtsanspruch auf einen gratis Betreuungsplatz – und das maximal 20 Kilometer vom Wohnort entfernt.
Christopher Berka, ehemals Kabinettschef von Bundeskanzler Christian Kern
Damit hätten in den vergangenen Jahren viele Frauen weiter gar nicht arbeiten, andere nur Teilzeit erwerbstätig sein können. „Da geht es ja nicht nur darum, dass die Betroffenen – meistens Frauen – jetzt weniger verdienen. Das bedeutet ja auch einen Pensionsverlust“, betont Berka. Der Equal Pension Day gibt darüber bered Auskunft.
Riesige Lohnschere
Das Momentum Institut hat sich anlässlich des Equal Pay Day, der dieses Jahr auf den 25. Oktober fiel, den Zusammenhang zwischen dem Gender-Pay-Gap und den Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen angesehen und kommt dabei zum Schluss: Dort, wo es längere Öffnungszeiten gibt, ist auch die Einkommenslücke geringer. Demnach ist der Gender-Pay-Gap in Wien mit 18,8 Prozent am niedrigsten – und in Vorarlberg mit 47,5 Prozent am höchsten. Insgesamt zeigt sich ein großer Unterschied zwischen Wien und den anderen Bundesländern, wo die Einkommenslücke überall mindestens 36 Prozent beträgt.
Auch wenn das Großziehen von Kindern nicht nur Frauen-, sondern Familiensache ist, zeigt die Realität, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch weitgehend ein Frauenthema ist. Das führte die immer noch nicht überstandene Corona-Pandemie einmal mehr eindrucksvoll vor Augen. Die Wirtschaftsuniversität Wien sah sich 2020 im Auftrag der AK Wien an, wie sich in den Lockdowns Homeoffice und Kinderbetreuung vereinbaren ließen. Die Studie untermauerte einerseits, dass sich diese beiden Aufgaben schwer unter einen Hut bringen lassen. Sie zeigte aber vor allem auch, dass Frauen in dieser Situation mehr Betreuungsarbeit übernahmen und sich dadurch auch schlechter auf ihre Erwerbsarbeit konzentrieren konnten als Männer.
Fast 70 Prozent der befragten Frauen (Sample: 2.113 Beschäftigte) stimmten der Aussage zu: „Ich komme besser mit meinen Kindern zurecht, wenn ich für die Arbeit die Wohnung verlasse und nicht im Homeoffice arbeite.“ Bei den Männern waren es nur an die 40 Prozent.
„Das ist das Autonomieparadoxon“, erklärt Katharina Mader, Ökonomin in der Frauenabteilung der Arbeiterkammer Wien. Ähnliche Effekte hätten auch Studien zum Homeoffice aus der Vor-Corona-Zeit in Deutschland und Großbritannien gezeigt. „Mütter haben zwar das Gefühl von mehr Autonomie, am Ende leisten sie aber mehr Arbeit – bezahlte und unbezahlte –, als wenn sie im Büro wären.“ Der Schlüssel sei hier die funktionierende Kinderbetreuung. Gebe es diese, biete das Homeoffice einen Vorteil, da Wegzeiten wegfallen. In der besonderen Pandemiesituation habe es diese aber vielfach nicht gegeben.