Gleichzeitig wurde deutlich, dass das Versprechen nicht mehr hielt, dass bei hohen Wachstumsraten auch für die Ärmsten der Kuchen weiterhin größer würde. In vielen Industriestaaten stieg das Realeinkommen der ärmsten Menschen seit den 1990er-Jahren nicht mehr. Umweltpolitik verschob sich hin zu einer Suche nach einem sparsamen Umgang mit Ressourcen – einer Zielsetzung, für die das Modewort „Nachhaltigkeit“ geläufig wurde.
In Österreich wurde der Konflikt um die Erhaltung der Donau-Au bei Hainburg zum Symbol für diesen Wandel: Es ging nicht mehr um die Verbesserung der Gewässerqualität, sondern um die grundsätzliche Frage, ob der Erhaltung des Auwaldes der Vorzug vor der wirtschaftlichen Nutzung der Wasserkraft gegeben werden solle.
Zusehends wurde klar, dass es Instrumente brauchte, um in derartigen Interessenkonflikten zu vermitteln. Im Jahr 1985 wurde in der EU die erste Richtlinie über Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) erlassen. Heute muss bei allen größeren Infrastruktur- und Industrievorhaben eine UVP durchgeführt werden. An den Konflikten, die sich daran entzünden, lassen sich viele der heutigen umweltpolitischen Herausforderungen illustrieren. So lauten wichtige Fragen: Wer spricht für die Umwelt? Welche Umweltorganisationen, welche Bürgerinitiativen sollen gehört werden? Wie kann sichergestellt werden, dass ein UVP-Verfahren nicht bloß zur Verzögerung missbraucht wird? Sagt der Gesetzgeber klar genug, welches Schutzniveau erreicht werden muss? Wie ist abzuwägen, wenn durch ein Projekt manche Personen stärker belastet werden, während andere entlastet werden?
Gerade um Infrastrukturprojekte wie Bahnstrecken, Straßenbauprojekte oder Hochspannungsleitungen entspinnen sich regelmäßig anhaltende Streitigkeiten, die zu sehr langen UVP-Verfahren führen können. Die Betreiber wünschen sich, dass per Gesetz bestimmt wird, dass solche Projekte im öffentlichen Interesse liegen. Damit erhofft man sich einfachere UVP-Verfahren. Dieser Wunsch ist verständlich. Das bedeutet aber, dass der Gesetzgeber abwägen kann, welches Projekt realisiert werden soll und welches nicht. Mit einer solchen Planung gibt es in Österreich wenig Erfahrung. Sie hätte den Vorteil, dass sie auch in der Raumordnung berücksichtigt werden könnte. Doch diese ist Aufgabe der Länder, und die notwendige Koordination zwischen Bund und Ländern fehlt.
Mindestens ebensolche Schwierigkeiten macht die Klima- und Energiepolitik. Im Übereinkommen von Paris einigten sich die Staaten der Welt vor zwei Jahren darauf, dass in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts netto kein Kohlendioxid mehr ausgestoßen werden soll. Heute stammen etwa 80 Prozent der weltweit verwendeten Energie aus fossilen Quellen. Diese Energiemenge muss entweder eingespart werden oder durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden. Bisher ist der Versuch missglückt, eine Klima- und Energiestrategie zu entwickeln. Die neue Bundesregierung steht nun unter Zeitdruck: Wenn sie nicht entschieden handelt, wird Österreich die Treibhausgasziele für 2020 verfehlen. Die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 ist eine noch viel größere Aufgabe.