Wachstum ist nicht gleich Wohlstand
- Gesundheit
- Bildung
- Gleichstellung
- Verteilungsgerechtigkeit
- ökologische Nachhaltigkeit
Anknüpfend an diese internationalen Diskussionen widmet sich auch die Statistik Austria seit 2012 mit ihrem Projekt „Wie geht’s Österreich?“ diesem Thema. Sie analysiert mit 30 Schlüsselindikatoren die drei Bereiche „materieller Wohlstand“, „Lebensqualität“ sowie „Umwelt“ und bewertet die kurz- und mittelfristige Entwicklung in der Vergangenheit mit Unterstützung eines ExpertInnengremiums. In ihrem jüngsten Bericht aus dem Jahr 2018 sah sie zwar Fortschritte beim materiellen Wohlstand, merkte aber an, dass langfristig ein Auseinanderklaffen von niedrigen und hohen Einkommen der unselbstständig Erwerbstätigen zu beobachten ist. Die Lebensqualität in Österreich entwickelte sich insgesamt positiv. Insbesondere die subjektiv empfundene Lebenszufriedenheit erreicht gute Werte. Im Umweltbereich überwiegen negative Entwicklungen aufgrund eines hohen Ressourcen- und Energieverbrauchs.
Wohlstand im Mittelpunkt
- fair verteilter materieller Wohlstand
- Vollbeschäftigung und gute Arbeit
- Lebensqualität
- intakte Umwelt
- ökonomische Stabilität
Dabei blicken wir nicht nur in die Vergangenheit, sondern analysieren auch aktuelle Entwicklungen und bieten eine Vorausschau in die nahe Zukunft aus einer interessenpolitischen Sicht. Als ArbeitnehmerInnenvertretung messen wir der Arbeitswelt eine besondere Bedeutung zu.
Insgesamt zeigt der AK-Wohlstandsbericht des Vorjahrs viele positive Entwicklungen auf. Bei der ökonomischen Stabilität steht Österreich im Vergleich zur Eurozone sehr gut da. Die Finanz- und Wirtschaftskrise zeigte auf, dass dies eine zentrale Voraussetzung für nachhaltigen Wohlstand und gesellschaftlichen Fortschritt ist. In diesem Bereich sehen wir vergleichsweise wenig Handlungsbedarf, um nachhaltigen Wohlstand voranzutreiben. Ebenfalls sehr positiv entwickelt sich die Lebensqualität. Dieser Bereich umfasst subjektive Indikatoren wie die individuell empfundene Lebenszufriedenheit, aber auch objektive Daten wie die Bildungsabschlüsse. Darüber hinaus haben wir in dieser Dimension bedeutsame Aspekte wie die Vermeidung von Armut, Wohnen und Gesundheit analysiert. Außer beim Wohnen waren überall Fortschritte zu verzeichnen. Dieses Ergebnis spiegelt auch den in Österreich nach wie vor gut ausgebauten Sozialstaat wider.
Hohe Vermögenskonzentration
In den Bereichen „fair verteilter materieller Wohlstand“, „Vollbeschäftigung und gute Arbeit“ sowie „intakte Umwelt“ orten wir allerdings Handlungsbedarf. Während sich die Arbeitsproduktivität und die real verfügbaren Einkommen höchst positiv entwickeln, gibt es bei der Einkommensverteilung und insbesondere bei der hohen Vermögenskonzentration sowie beim geschlechtsspezifischen Lohngefälle die Notwendigkeit, politische Maßnahmen zu ergreifen.
Um das Ziel Vollbeschäftigung und gute Arbeit zu erreichen, muss noch viel getan werden.
Um das Ziel Vollbeschäftigung und gute Arbeit zu erreichen, muss ebenfalls noch viel getan werden. Die Arbeitsqualität, die wir anhand des Arbeitsklimaindexes messen, und die Erwerbstätigenquote bewerten wir zwar positiv, aber bei der vorwiegend von Frauen geleisteten unbezahlten Arbeit, der Unterbeschäftigung und bei den Mehr- und Überstunden orten wir Probleme. Hinzu kommt, dass die abgewählte Bundesregierung mit der Einführung des 12-Stunden-Tages sowie dem stärkeren Druck auf Arbeitslose bereits bestehende negative Entwicklungen verstärkt.
Beim Ziel einer intakten Umwelt verbinden wir die ökologische Nachhaltigkeit mit der umweltbezogenen Lebensqualität und den Gesundheitschancen. Die Zielwerte für die notwendige Reduzierung der Treibhausgasemissionen werden 2020 voraussichtlich verfehlt werden. Für das 2030-Ziel wäre eine grundlegende Veränderung des österreichischen Wirtschaftssystems erforderlich, für die noch keine Weichen gestellt wurden. Darüber hinaus bedarf es Verbesserungen für Lärmbetroffene sowie einer aktiven Bodenschutz- und Raumordnungspolitik zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme.
Mehr Investitionen für alle
Mit dem „magischen Vieleck“ wohlstandsorientierter Wirtschaftspolitik sollen nicht nur möglichst alle Dimensionen für ein gutes Leben berücksichtigt werden, sondern auch Zielkonflikte zwischen diesen sichtbar gemacht werden. Dies ist die Grundvoraussetzung, damit politische Maßnahmen und Prioritäten evidenzbasiert verhandelt werden und ein Ausgleich bei Zielkonflikten im demokratischen Prozess stattfinden kann. Dabei gibt es auch Maßnahmen, die positive Wirkungen auf mehrere Dimensionen des Wohlstands haben.
Viele Maßnahmen für ein gutes Leben aller warten also „nur mehr“ auf ihre Umsetzung.
Eine Steigerung der öffentlichen Investitionen zur Dekarbonisierung, ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder ressourceneffizienter Wohnbau wirken sich nicht nur positiv auf die Umwelt und das Klima aus, sondern tragen auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität bei und sorgen für ökonomische Stabilität. Eine Verkürzung der Arbeitszeit würde mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ermöglichen und könnte gleichzeitig die Unterbeschäftigung sowie Arbeitslosigkeit reduzieren. Viele Maßnahmen für ein gutes Leben aller warten also „nur mehr“ auf ihre Umsetzung.
Dieser Beitrag basiert auf dem Wohlstandsbericht 2018 der Arbeiterkammer Wien sowie auf dem EU-Infobrief „Wohlbefinden auf der Ratsagenda“.
Der Wohlstandsbericht 2019 erscheint im Oktober 2019.
Pia Kranawetter
Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/19.
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