Kehrt der Arbeitskampf zurück?

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  1. Seite 1 - Deutschland: „Es gibt eine große Solidarität“
  2. Seite 2 - Frankreich: „Wir verteidigen unsere Idee einer modernen Gesellschaft“
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Egal ob Transport-, Gesundheitswesen oder Bildung: In den vergangenen Jahren haben viele Beschäftigte alles gegeben, um die Wirtschaft durch die Krisen zu bringen. Nun schwappt eine Streikwelle über Europa. Wir haben bei Gewerkschaften aus Deutschland und Frankreich nachgefragt: Was ist da los bei euch? Ein Interview mit Martin Burkert und Pierre Coutaz.

Frankreich: Streiks gegen die Pensionsreform

Pierre Coutaz ist internationaler Sekretär der Confédération Générale du Travail (CGT), einem der größten Gewerkschaftsbünde Frankreichs. | © Miriam Mone

Arbeit&Wirtschaft: Wie kam es zu diesen historisch großen Protesten in Frankreich?

Pierre Coutaz: Es ging nicht nur um die Arbeitsbedingungen, sondern um das Anheben des Pensionsalters. Dieses Regierungsprojekt wurde Ende vorigen Jahres angekündigt, seit 19. Jänner gibt es die größten Streiks und Demonstrationen in den letzten 50 Jahren. Es waren teilweise mehr als dreieinhalb Millionen Menschen, die auf die Straße gingen. Wir erleben die größte soziale Bewegung seit 1968.

Im Kampf gegen die Pläne der Regierung Macron sind aber nicht nur Gewerkschaften beteiligt.

Das ist auf jeden Fall so. Man muss schon 55 Jahre in die Vergangenheit schauen, um so viel Beteiligung zu finden. Neben Demonstrationen sind es Streiks, etwa in der chemischen Industrie, in der Logistik, der Erziehung, dem Gesundheitswesen bis hin zur Müllabfuhr.

In anderen Ländern ist das Pensionsalter höher. Warum entzündet sich die Wut an diesen Regierungsplänen?

Natürlich benutzt die Regierung das höhere Antrittsalter in anderen Ländern als Argument. Aber man kann die Systeme nicht vergleichen. In anderen Ländern können Menschen früher in Pension gehen. Diese Wahlmöglichkeit gibt es in Frankreich nicht, wir müssen sowohl ein bestimmtes Alter als auch Beitragsjahre leisten. Wir können nicht früher gehen, nicht einmal mit weniger Geld. Das ist alles soziale Gewalt, der sich die Menschen nicht mehr länger aussetzen wollen. Es gibt zudem einige verborgene Gründe. In den letzten 30 Jahren mussten die Französ:innen eine lange Liste an Maßnahmen schlucken, die das Sozialsystem zersetzt haben. Diese Reform zerschlägt den nächsten Teil des Sozialsystems. Nun reicht es. Auch die Vorgänger von Präsident Macron tragen große Schuld.

Menschen lehnen also nicht nur diese Pensionsreform ab, sie wollen auch all ihre Rechte zurück, die ihnen in den vergangenen Jahren genommen wurden?

Wir verteidigen unsere Idee einer modernen Gesellschaft. Das ist eine fundamentale Frage, wie Leben und Arbeit in Zukunft verbunden werden können. Es sind sehr viele junge Menschen, die dafür eintreten – für sie ist die Pensionsfrage ja weit weg und wenig konkret. Sie wollen dieses Gesellschaftsmodell ändern, es geht um ein neues Verhältnis der Arbeitswelt zum Menschen.

Die Regierung geht dabei sehr hart gegen die Demonstrierenden und Streikenden vor, oder?

Das Verhalten der Regierung und der Ordnungskräfte ist ein direkter Angriff auf die Demokratie. Diese Elite interessiert sich nicht für die Wünsche der Menschen. 94 Prozent der arbeitenden Menschen wollen diese Reform nicht, in der Gesamtgesellschaft sind es 74 Prozent. Präsident Macron hat nicht einmal die notwendige Anzahl an Abgeordneten auf seiner Seite. Er nutzte eine Möglichkeit der Verfassung aus, die es ihm erlaubt, den Willen des Parlaments zu ignorieren. Aus einer sozialen Krise wird so eine Demokratiekrise. Sein Verhalten führt uns direkt in den Wahlsieg der extremen Rechten. Und die Polizeigewalt bei den vergangenen Kundgebungen ist schon jetzt entsetzlich. Wer die Gewerkschaft als Säule der Demokratie missachtet, ist faschistisch.

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Über den/die Autor:in

Georg Sohler

Freier Journalist im Bereich (Sport-)Journalismus, (Corporate) Blogging, Editing, PR

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