Branchenabhängige Arbeitskonflikte
Traditionell können Arbeitskämpfe im Industrie- und Transportsektor verhältnismäßig einfacher organisiert werden als beispielsweise im Dienstleistungssektor. Die Organisationsmacht von IndustriearbeiterInnen ist aufgrund des gemeinsamen Arbeitsplatzes an meistens teuren Maschinenanlagen höher. Hausangestellte wiederum haben vergleichsweise weitaus höhere Hürden, um kollektive Arbeitskämpfe zu organisieren. Sie arbeiten getrennt voneinander in verschiedenen Haushalten und oft informell ohne Arbeitsvertrag. Dementsprechend ist die Organisationsmacht von Hausangestellten – überwiegend Frauen – sehr gering. Die branchenspezifische Verhandlungsmacht von ArbeiterInnen hängt weiters von der Positionierung innerhalb der globalen Produktionskette ab: Wenn Dockarbeiter im Hafen von Mumbai streiken, kann damit die Fertigung von Waren international beeinträchtigt werden.
Globale Verlagerung
Die Soziologin Beverly Silver analysierte Streikvorkommen im 19. und 20. Jahrhundert nach Branchen und Ländern. Ihre Analyse zeigt, dass sich mit der Auslagerung von Branchen in andere Länder ebenfalls die Streikvorkommen verlagern. Weiters nehmen Streiks in jenen Branchen zu, in denen die globale Profiterwartung am höchsten ist: Während im 19. Jahrhundert Streiks in der Textilindustrie sehr häufig waren, haben sie sich im 20. Jahrhundert in die Automobilindustrie verlagert.
Silver fasst ihre Untersuchungsergebnisse folgendermaßen zusammen: „Wenn sich Kapital verlagert (Land und Branche), verlagern sich auch Streiks.“ Arbeitskämpfe finden zunehmend in jenen Ländern statt, in denen die industrielle Produktion und Auslandsdirektinvestitionen gestiegen sind. Das sind beispielsweise China, Brasilien und Indien.
Die Ziele von Arbeitskämpfen sind je nach sozialer Ungleichheit sehr unterschiedlich. Wirtschaftliche Entwicklung, gesetzliche Regelung für menschenwürdige Arbeit und gesellschaftlicher Wandel nehmen Einfluss auf die Ziele von Arbeitskämpfen. Während 2018 GewerkschafterInnen in Kolumbien, Mexiko und Brasilien für die Einhaltung von kollektivvertraglich festgelegten Löhnen verfolgt und ermordet werden, wurde im selben Jahr in Kanada, Island und Neuseeland für die Lohngleichheit von Männern und Frauen gekämpft. Je nachdem welche Gesellschaftsgruppen wofür kämpfen, lässt sich der Ausbeutungsgrad von ArbeiterInnen ableiten.