Die JugendvertrauensrätInnen vertreten die Interessen der Lehrlinge und junger Beschäftigter im Betrieb. Sie kümmern sich darum, dass gesetzliche Bestimmungen zur Lehrlingsausbildung eingehalten werden, sind Ansprechperson bei schulischen und privaten Problemen, und sie dienen als Bindeglied zwischen Vorgesetzten und Lehrlingen.
Hineinversetzen
„Man kann sich als Jugendvertrauensrat viel besser in die Rolle der Lehrlinge versetzen, weil man selbst Lehrling war oder ist und sich auch im gleichen Alter befindet. Da weiß man einfach, mit welchen Problemen die Kollegen und Kolleginnen inner- und außerhalb des Betriebs zu kämpfen haben“, erzählt Amer Kaniza, Jugendvertrauensrat bei Anker Snack & Coffee in Wien.
Ähnlich dem Betriebsrat ist in jedem Betrieb mit mehr als fünf Lehrlingen und/oder Jugendlichen ein Jugendvertrauensrat zu wählen. Wahlberechtigt sind alle Beschäftigten unter 18 Jahren bzw. Lehrlinge unter 21 Jahren. Als Jugendvertrauensrat kandidieren können alle, die das 23. Lebensjahr am Tag der Wahlausschreibung noch nicht vollendet haben. Gewählt wird alle zwei Jahre.
Im Regierungsprogramm heißt es nun: „Das aktive Wahlalter bei Betriebsratswahlen wird von 18 auf 16 Jahre gesenkt (Harmonisierung mit ‚Wählen ab 16‘) und ersetzt den Jugendvertrauensrat.“ Dass das aktive Wahlrecht bei Betriebsratswahlen auf 16 gesenkt werden soll, ist grundsätzlich positiv. „Wir würden sogar weiter gehen und die Wahlalterbegrenzung für Betriebsratswahlen gänzlich streichen“, so Sascha Ernszt, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend. Gegen das Vorhaben, den Jugendvertrauensrat ganz abzuschaffen, bildet sich aber eine breite Front. „Wenn das Wahlalter für Betriebsratswahlen auf 16 Jahre gelegt wird und damit Jugendvertrauensräte angeblich abgelöst werden, verlieren alle 15-jährigen Lehrlinge ihr Mitspracherecht im Betrieb. Das ist circa ein Drittel aller Lehrlinge, die damit ihrer Stimme beraubt werden“, ärgert sich Theresa Öfner. Die 19-Jährige war bis vor Kurzem Jugendvertrauensrätin bei Sandoz in Tirol und hat sich dort für die jungen Beschäftigten starkgemacht. „Viele könnten dann auch den Betriebsrat nicht wählen, weil eine Lehrzeit zwischen drei und vier Jahre dauert, der Betriebsrat aber nur alle fünf Jahre gewählt wird“, ergänzt sie.
Auch René Pfister, Mitglied des Angestelltenbetriebsrates der Austrian Airlines, sieht in der Mitbestimmung von Jugendlichen nur Vorteile: „Die Interessen, Wünsche sowie Forderungen von Jugendlichen werden durch Jugendliche am besten artikuliert. Wie sollen die Jungen lernen, sich für Interessen einzusetzen, wenn sie selbst keine Möglichkeit dafür bekommen? Wenn es zum Beispiel ein Problem in der Lehrlingsausbildung gibt, ist es besser, wenn der Jugendvertrauensrat oder die Jugendvertrauensrätin direkt mit den Ausbildnern spricht, ohne mehrere Personen zwischenschalten zu müssen. Der direkte Weg ist der effektivste.“
Jugendvertrauensräte gebraucht
Die Ergebnisse des Lehrlingsmonitors 2015 der Österreichischen Gewerkschaftsjugend zeigen, dass es für den Jugendvertrauensrat viel zu tun gibt, vor allem in puncto Ausbildungsqualität. Weniger als die Hälfte der 6.000 Befragten gibt an, bei der Vorbereitung zur Lehrabschlussprüfung nicht vom Betrieb unterstützt zu werden. Nur zwei von fünf Lehrlingen haben über die Anforderungen der Lehrabschlussprüfung mit ihrem Ausbildner oder ihrer Ausbildnerin gesprochen. Ein Drittel der Lehrlinge leistet – nicht immer freiwillig – Überstunden und fast die Hälfte muss Arbeiten unter Zeitdruck durchführen.
Jugendvertrauensräte vermitteln oftmals auch bei Streit zwischen Lehrlingen, helfen bei privaten und schulischen Problemen und dienen als Bindeglied zwischen Berufsschule und Ausbildung im Betrieb. „In der Welt der Lehrlingsausbildung verändert sich alles immer schneller und Betriebsräte haben oft keinen Einblick in die Berufsschule mehr. Es ist also essenziell wichtig, eine eigene Vertretung zu haben, die sich in der gleichen Situation wie die Lehrlinge befindet“, ist sich Theresa Öfner sicher. Die Erfahrung zeigt also, dass sich Jugendliche bei Problemen an gleichaltrige Vertrauenspersonen wenden und nicht an Betriebsräte, die meist deutlich älter als sie selbst sind. „Das Konzept ‚Jugendliche vertreten Jugendliche‘ hat sich voll bewährt. Denn nur der Jugendvertrauensrat vertritt ausschließlich die Interessen der jungen ArbeitnehmerInnen, daher muss der Jugendvertrauensrat bleiben“, so der Vorsitzende der Österreichischen Gewerkschaftsjugend. Auch von Wirtschaftsseite kommt Unterstützung. „Lehrlinge wenden sich naturgemäß lieber an gleichaltrige Interessenvertreter als an den ‚normalen‘ Betriebsrat“, meint auch Peter Buchmüller, Obmann der Bundessparte Handel, WKÖ.
Betriebe profitieren
Aber nicht nur bei zwischenmenschlichen Angelegenheiten ist der Jugendvertrauensrat von Bedeutung. Auch die Wirtschaft, in dem Fall der Betrieb, hat vom Einsatz eines Jugendvertrauensrates einen Vorteil, weil dieser als Schnittstelle zwischen Vorgesetzten und den Lehrlingen fungiert. Er übernimmt eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn es gilt auch schon mal zu verhandeln und sich in das Gegenüber hineinzuversetzen. „Der Jugendvertrauensrat trägt dazu bei, Jugendliche in ihrer politischen Bildung zu festigen und sich im Rahmen der Qualitätssteigerung im Betrieb zu engagieren“, so Buchmüller. „Der Vertrauensrat sucht Konsens und Lösungsansätze, dadurch kann schon in jungen Jahren sozialpartnerschaftliches Denken entwickelt werden. Als Mitglied des Jugendvertrauensrats scheint es sichergestellt, dass sich junge Mitarbeiter mit beiden Sichtweisen – der des Arbeitgebers und der des Arbeitnehmers – auseinandersetzen und Verständnis für die jeweilige Seite gewinnen.“
Auf mehr Mitbestimmung und Demokratie pocht auch die neue Regierung, und doch will sie die Stimme der Lehrlinge, den Jugendvertrauensrat, im Betrieb nun abschaffen. „Aber gerade in herausfordernden Zeiten, wo wir eine Situation am Arbeitsmarkt haben, die sich durch Digitalisierung enorm verändern wird, haben die Jugendlichen ein Recht auf eigenständige Vertretung und Mitbestimmung im Betrieb“, unterstützt auch ÖGB-Präsident Erich Foglar die Forderung der Gewerkschaftsjugend, den Jugendvertrauensrat unbedingt zu erhalten.
Weiterführende Links:
www.oegj.at
www.oegj.at/jugendvertrauensrat
www.lehrlingsmonitor.at
www.betriebsraete.at
Barbara Kasper
ÖGB Kommunikation
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/18.
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INFOBOX
Wo kann ein Jugendvertrauensrat gewählt werden? – In jedem Betrieb mit mehr als fünf Lehrlingen und/oder Jugendlichen.
Wer darf wählen? – Wahlberechtigt sind alle ArbeitnehmerInnen des Betriebs, die am Tag der Wahlausschreibung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie Lehrlinge, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die an diesem Tag sowie am Tag der Wahl im Betrieb beschäftigt sind (aktives Wahlrecht).
Wer darf kandidieren? – Als Jugendvertrauensrat kandidieren können alle ArbeitnehmerInnen, die das 23. Lebensjahr am Tag der Wahlausschreibung noch nicht vollendet haben und seit mindestens sechs Monaten im Betrieb beschäftigt sind (passives Wahlrecht).
Wie lange dauert eine Funktionsperiode? – Zwei Jahre.
Alle Regelungen zum Jugendvertrauensrat finden Sie in der Betriebsratswahlordnung (BRWO) ab § 49.