Welche Schritte sind nötig, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch abzuwenden?
Noch während der Hitzetage hat die österreichische Gewerkschaftsbewegung den Faden in dieser Debatte aufgenommen. Mittlerweile bietet die Hitze-App aktive Unterstützung bei dem Thema. Am 17. Juli ging es bei den vom ÖGB organisierten Sommerdialogen um das Thema „Klimawandel und Hitze“. Dabei ging es auch um die größere Frage, welche Rahmenbedingungen einer effektiven Klimapolitik momentan im Wege stehen. So warf ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian die Frage auf, „ob die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung richtig ist“. Sein Fazit: „In einer Zeit, in der es angesichts der bedrohlichen Klimasituation Veränderung und Wandel braucht, ist die Innovationsbremse das falsche Signal.“
Was sind die richtigen Instrumente, um die Klimakrise zu bewältigen?
Doch was sind die richtigen Instrumente, um die Klimakrise zu bewältigen? Darüber wird heftig diskutiert. Klar ist: Es wird massive Investitionen brauchen. So sagt Franz Binderlehner von der Bundesgeschäftsführung der Gewerkschaft vida: „Wir müssen das öffentliche Verkehrsnetz ausbauen, sowohl Bus als auch Bahn.“ Doch derlei Investitionen sind aktuell nirgends zu sehen.
Sozial und ökologisch
Das Steuersystem soll gerechter und ökologischer zugleich werden.
Deshalb zählt auch die Einführung von Vermögenssteuern auf Privatvermögen von über einer Million Euro zum Ökosteuerkonzept, auch wenn diese oberflächlich betrachtet wenig mit Klimaschutz zu tun zu haben scheinen. Doch das täuscht, denn reiche Menschen belasten das Klima deutlich stärker als Menschen mit geringeren Einkommen – und gerade Vermögende leisten momentan einen sehr kleinen Teil zum Steueraufkommen. Der ÖGB bezieht sich bei dieser Forderung zudem auf Empfehlungen der EU-Kommission, welche eine Verlagerung des österreichischen Steuersystems auf Immobilien- und Vermögenssteuern bei gleichzeitiger Entlastung von ArbeitnehmerInnen vorschlägt. Laut ÖGB-Angaben könnten so sechs Milliarden Euro zusätzlich eingenommen werden, welche in Aus- und Weiterbildung, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und eben auch den Klimaschutz gesteckt werden könnten.
Reiche Menschen belasten das Klima deutlich stärker als Menschen mit geringeren Einkommen – und gerade Vermögende leisten momentan einen sehr kleinen Teil zum Steueraufkommen.
Das Gegenteil davon planen die ehemaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ. Sie möchten noch vor den Neuwahlen am 29. September ein Steuerreformgesetz durch den Nationalrat bringen, das Steuersenkungen vorsieht, die nicht gegenfinanziert sind. Deshalb ist nicht nur mit weiteren Einsparungen im Gesundheitsbereich, bei der Bildung und der Arbeitslosenunterstützung zu rechnen. Es stellt sich vor allem die Frage, wie unter solchen Vorzeichen Maßnahmen für den Klimaschutz finanziert werden sollen.
- Arbeit gerecht teilen
- Klima schützen
- Überfluss besteuern
Kein Widerspruch
- Steuern auf große Vermögen
- Abschaffung von Steuerprivilegien für Kapitaleinkommen und Konzerne
- Bekämpfung und Beendigung von Steuerflucht und -vermeidung
- Ökologisierung des Steuersystems
Wichtig ist den AutorInnen des „Zukunftsbudgets“, dass „Antworten auf die steigende Arbeitslosigkeit nicht im Widerspruch zu Antworten auf die Klimakrise stehen“. Das Gegenteil sei der Fall: „Klima schützen und Jobs schaffen gehen Hand in Hand.“ Denn durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, das Vorantreiben der Energiewende oder durch die Förderung ökologischer Landwirtschaft könnten viele Arbeitsplätze geschaffen werden. So schätzen die VerfasserInnen, dass durch zusätzliche Investitionen in die Pflege, in Bildung, eine gerechtere Verteilung von Arbeit u. a. durch Arbeitszeitverkürzung und weniger Überstunden „rasch mehr als 160.000 Arbeitsplätze“ geschaffen werden können. All diese Investitionen sind Teil einer ökologisch orientierten Arbeitsmarktpolitik, heißt es im Zukunftsbudget. Um diese umsetzen zu können, sind zusätzliche finanzielle Mittel nötig: „Das alles ist mit Steuern auf große Vermögen, der Abschaffung von Steuerprivilegien für Kapitaleinkommen und Konzerne, der Bekämpfung und Beendigung von Steuerflucht und -vermeidung sowie einer Ökologisierung des Steuersystems möglich.“
Beim Stichwort „Ökologisierung des Steuersystems“ machen sich bei vielen Menschen Ängste breit, dass hier wieder kleinere Einkommen die Hauptlast tragen sollen. Tatsächlich hatten Experimente mit sogenannten „Ökosteuern“, welche vor allem PendlerInnen betrafen, genau diesen Effekt gehabt. Schon jetzt werden viele Kosten auf VerbraucherInnen abgewälzt.
Hinzu kommt, dass hierzulande umweltschädliche Energieträger staatlich subventioniert werden. So profitiert die Luftfahrt von zahlreichen Förderungen und Steuererleichterungen. Kerosin wird nicht besteuert. Der seit einigen Jahren skandalumwitterte Dieseltreibstoff wird über das sogenannte „Dieselprivileg“ günstiger besteuert als herkömmliches Benzin.
Bei all den kommenden Veränderungen ist es essenziell, ArbeitnehmerInnen in die Veränderungsprozesse einzubinden, in neue und umweltfreundliche Technologien zu investieren sowie für Weiter- und Umqualifizierungen bei IndustriearbeiterInnen zu sorgen.
Beim ÖGB kennt man die Problematik. In einem Arbeitspapier für den Sommerdialog 2019 wird „Kostenwahrheit im internationalen Flug- und Schiffsverkehr“ gefordert. Außerdem heißt es dort, dass in Österreich „der Verkehr zu 70 Prozent für den CO2-Ausstoß verantwortlich“ sei. Die Forderung nach „Umweltsteuern mit Lenkungseffekt“ wird aber abgelehnt, solange „wir den Menschen keine ordentliche Alternative zum Auto anbieten können, etwa durch gute Infrastruktur und guten öffentlichen Verkehr“. Gefordert werden außerdem moderne Mobilitätskonzepte wie Car-Sharing oder Sammeltaxis sowie eine Umstellung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Bei all den kommenden Veränderungen sei es essenziell, ArbeitnehmerInnen in die Veränderungsprozesse einzubinden, in neue und umweltfreundliche Technologien zu investieren sowie für Weiter- und Umqualifizierungen bei IndustriearbeiterInnen zu sorgen.
CO2-Steuern machen dort Sinn, wo auch Lenkungseffekte zu erwarten sind. Die Energieversorger und die Schwerindustrie haben da einen größeren Hebel als die Verbraucher.
Dominik Bernhofer, AK-Steuerexperte
Vor falschen Hoffnungen in CO2-Steuern warnt indes AK-Steuerexperte Dominik Bernhofer. „Die Gewerkschaften und die AK müssen bei der Klimawende auf die Verteilungsgerechtigkeit achten“, sagt er. Das zeige auch das Beispiel Frankreich, wo eine Massensteuer auf Treibstoff die Massenproteste der Gelbwesten ausgelöst habe. „CO2-Steuern machen dort Sinn, wo auch Lenkungseffekte zu erwarten sind. Die Energieversorger und die Schwerindustrie haben da einen größeren Hebel als die Verbraucher“, so Bernhofer. Außerdem brauche es zielgerichtete Maßnahmen im Verkehrsbereich. Hier kann sich der AK-Experte unter anderem die Einführung einer flächendeckenden Lkw-Maut, einen Bonus für Öffi-PendlerInnen sowie eine Steuerbefreiung für Bahnstrom vorstellen. Die Bahn dürfe gegenüber der Straße nicht benachteiligt, sondern müsse bevorzugt behandelt werden. Steuerprivilegien für den internationalen Flugverkehr will er abschaffen und die Halbierung der österreichischen Flugticketsteuer zurücknehmen. Bei alldem ist eines klar: Solche Maßnahmen, wie auch Vermögens- und Körperschaftsteuern, werden den Widerstand der Industrie und ihrer Lobbyorganisationen hervorrufen. Aber Steuergerechtigkeit muss einfach sein. Denn es ist nicht nur so, dass Menschen mit geringeren Einkommen nicht zu den Hauptverursachern des Klimawandels zählen – sie sind auch jene, die viel stärker die Konsequenzen zu spüren bekommen.
Zukunftsbudget:
tinyurl.com/y268sad2
ÖGB-Sommerdialog zu Klima und Hitze:
tinyurl.com/y3nymbtc
Arbeiterkammer for Future:
tinyurl.com/y33ms49w
Christian Bunke
Freier Journalist
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/19.
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
christian@bunke.info
an die Redaktion
aw@oegb.at