Steuerlücke: Österreich wird um 15 Milliarden betrogen

Eine Luftaufnahme von Luxusyachten in Fort Lauderdale in den USA. Symbolbild für die Steuerlücke in Österreich, die durch Steuerbetrug entsteht.
Die Steuern sind nicht weg, es hat sie nur jemand anderes. | © Adobe Stock/Felix Mizioznikov
Wegen Steuertricks und Hinterziehung entgehen dem Staat jedes Jahr rund 15 Milliarden Euro. Ein Problem, das in Österreich weitestgehend ignoriert wird. Dabei gäbe es sehr einfache Lösungen.
Eine Steuerlücke gibt es in jedem Land. Dabei handelt es sich um „die Differenz zwischen dem, was laut Gesetz an Steuern gezahlt werden sollte und dem, was tatsächlich gezahlt wird“, erklärt Dominik Bernhofer im Ö1 Morgenjournal. Er ist Leiter der Abteilung Steuerrecht in der Arbeiterkammer Wien (AK). Die Zahl gibt wieder, um wie viel Geld der Staat durch Steuerhinterziehung und unerwünschte Steuergestaltungen betrogen wird. Während andere Länder diese Zahl längst regelmäßig berechnen und ihre Prüfsysteme darauf ausrichten, wird das Problem in Österreich weitestgehend ignoriert.

Wie groß ist die Steuerlücke in Österreich?

Die Steuerlücke in Österreich beträgt zwischen 12 und 15 Milliarden Euro. Pro Jahr. Zahlen, die von der AK stammen. „Wir haben die wissenschaftlichen Schätzungen zum Ausmaß dieser Steuerlücke zusammengetragen“, führt Bernhofer aus. „Die gehen von bis zu 15 Milliarden Euro aus. Das sind 8,5 Prozent des gesamten Steuer- und Abgabenaufkommens.“ Zwar seien diese Zahlen mit einer gewissen Unsicherheit belastet, da sie eben auf Schätzungen von Schattenwirtschaft und Steuerbetrug basieren, doch die Größenordnung stimmt.

Ein Polizist als Figur will Geldmünzen umleiten. Symbolfoto für die Steuerlücke in Österreich, die durch Steuerbetrug entsteht.
Wenn das Geld nur so einfach umgeleitet werden könnte, gäbe es keine Steuerlücke. | © Adobe Stock/Philipp

„Genau weiß es aber niemand. Nicht einmal der Finanzminister. Und das ist aus unserer Sicht das Hauptproblem“, mahnt Bernhofer. Denn in anderen Ländern sei die Berechnung der Steuerlücke durchaus üblich. In Großbritannien würde diese Zahl gar amtlich berechnet werden, damit die dortige Finanz ihre Prüfstrategie darauf ausrichten könne. Schweden und die USA würden die Zahl zumindest schätzen.

„Gerade in der jetzigen budgetären Situation sollte der Finanzminister das Thema Steuerbetrug und Steuertricks ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen. Das würde bedeuten, wie in jedem anderen Land auch, Zahlen zur Steuerlücke zu ermitteln“, urteilt Bernhofer.

Warum ist die Steuerlücke wichtig?

Eine große Mehrheit der Bürger:innen zahlt ihre Steuern regelkonform. Mit diesem Geld wird der Sozialstaat finanziert. Gerade in Zeiten der multiplen Krisen ist wichtig, dass dabei Fairness herrscht. Milliardenschwere Coronahilfen für Unternehmen oder großzügige Anti-Teuerungsmaßnahmen gegen die schlimmsten Auswirkungen der Inflation in Österreich müssen von allen Teilen der Gesellschaft mitgetragen werden.

Österreich hat in der jüngsten Vergangenheit durchaus versucht, die Steuerlücke zu minimieren. So haben die Finanzbeamt:innen eine ganze Reihe neuer Instrumente an der Hand:

  • Internationalen Informationsaustausch über Finanzkonten und Depots
  • Registrierkassenpflicht
  • Kontenregister und die Durchbrechung des Bankgeheimnisses im Abgabenverfahren
  • Base Erosion and Profit Shifting (BEPS): Maßnahmenpaket der OECD zur Minimierung der Steuertricks der Konzerne
  • Organisatorische Neuaufstellung der zuständigen Verwaltungseinheiten (Amt für Betrugsbekämpfung, Amt für Großbetriebsprüfung)

Wie kann die Steuerlücke geschlossen werden?

Die Steuerlücke von 15 Milliarden Euro pro Jahr in Österreich macht jedoch deutlich, dass die Maßnahmen nicht ausgereicht haben. Die AK hat deswegen drei Vorschläge, mit denen der Staat den Steuerbetrug weiter herunterfahren könnte. Schritt eins wäre es, die Steuerlücke amtlich festzustellen. Damit könnte die Regierung die Transparenz erhöhen und wie Großbritannien seine Ressourcen gezielter einsetzen. „Was wir wollen ist, dass der Finanzminister Licht ins Dunkel bringt und das Thema Betrugsbekämpfung und die Bekämpfung von Steuertricks ernst nimmt“, fordert Bernhofer.

Schritt zwei müsse sein, der Finanzverwaltung mehr Personal zur Verfügung zu stellen. Denn die Zahl der Firmen und die Wirtschaftsleistung in Österreich wächst stetig. Doch die Anzahl der Finanzbeamt:innen stagniert. Schritt drei ist die Einrichtung einer Expert:innen-Kommission, die mit einer amtlich ermittelten Steuerlücke klärt, welche Instrumente es braucht, um sie zu schließen. Ein großes Problem sind außerdem die Verfahrensdauern im Finanzstrafrecht. So gäbe es im Bundesfinanzgericht mittlerweile Fälle im Rahmen des CumEx-Skandals, die seit zehn Jahren anhänglich sind.

Sozialstaat statt Steuertricks

Durch die Inflation in Österreich und die Energiepreiskrise steht die Regierung vor enormen budgetären Herausforderungen. Die Steuerlücke zu schließen, sollte eine der ureigensten Aufgaben des Finanzministeriums sein. Schließlich geht es darum, den Sozialstaat fair zu finanzieren. Wie schon die immer lauter werdenden Rufe nach einer Abgabe auf Übergewinne deutlich machen.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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