Starke Frauen für starke Anliegen

Inhalt

  1. Seite 1 - Engagement für Chancengerechtigkeit
  2. Seite 2 - Kritik an der Frauenpolitik der Regierung
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Ob es um mehr Chancengleichheit oder die Gleichberechtigung der Geschlechter geht: Für das und noch viel mehr setzen sich zwei starke AK-Frauen ein.

Käthe Leichters Erbin


Eine starke Frau prägt auch die Abteilung Frauen und Familie in der AK Wien. Die gebürtige Oberösterreicherin Ingrid Moritz leitet die Abteilung inzwischen seit 20 Jahren. Sie trat damit ein großes Erbe an. „Käthe Leichter hat das Frauenreferat 1925 begründet, zeigte die Lebenswelt von Arbeiterinnen und ließ diese selbst zu Wort kommen“, erzählt Moritz. Zurzeit arbeitet ihr Team mit der Stadt Wien an einer Studie über Lebens- und Arbeitsbedingungen heutiger Industriearbeiterinnen. „Das knüpft an den Fragebogen von Käthe Leichter an“, so Moritz. Die Abteilung Frauen und Familie beschäftigt heute sechs MitarbeiterInnen, eine Assistenz und einen Lehrling. Leiterin Moritz erinnert sich zurück, als sie 1991 in dieser Abteilung begann. Damals wurde zwar eine Juristin gesucht, aber die Politikwissenschafterin versuchte es dennoch. „Beim Vorstellungsgespräch ging es um Mutterschutz. Obwohl meine Expertise stärker in der Entwicklungspolitik lag, habe ich überzeugt.“ Anfangs arbeitete sie als Beraterin. Die Themen von damals sind heute noch aktuell: Mutterschutz, Väterkarenz und Kinderbetreuungsgeld. Die Beratungstätigkeit ist nun in der Abteilung Arbeitsrecht gebündelt, Moritz’ Abteilung forscht und analysiert. Der Fokus erweiterte sich über die Jahre um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den Gender-Pay-Gap, Diversität und Pflege, wofür es nun eine eigene Abteilung gibt.

Wer eine Stimme hat

An der Frauenpolitik der Regierung hat Moritz einiges zu kritisieren, so etwa Einsparungen bei Frauen- und Antidiskriminierungsprojekten. „Für den Familienbonus gab es 1,5 Milliarden Euro und bei einigen Projekten kürzt man 200.000 Euro. Viele Organisationen können so ihre Arbeit trotz ihrer wichtigen gesellschaftlichen Funktion nicht fortsetzen“, ärgert sich Moritz. Sie kritisiert, dass Schulungen von PolizistInnen durch MitarbeiterInnen von Gewaltschutzzentren gestrichen wurden. Das habe Symbolcharakter: „Es geht darum, wer hierzulande eine Stimme hat und wer nicht.“ Das spielt auch beim Thema Einkommen eine große Rolle – immer noch verdienen Frauen im Schnitt um 35 Prozent weniger als Männer.

Männer kommen unter Druck, länger zu arbeiten, und Frauen müssen Stunden reduzieren.Ingrid Moritz über den 12-Stunden-Tag

Seit Anfang September sind 12-Stunden-Tage möglich. Das hält Moritz für kontraproduktiv. „Männer kommen unter Druck, länger zu arbeiten, und Frauen müssen Stunden reduzieren.“ Das begünstige das Zuverdienstmodell. „Frauen brauchen eine eigenständige Existenzsicherung“, so die Expertin. Doch bisher arbeiten bei Paaren mit Kindern unter 15 Jahren vor allem Frauen in Teilzeit. „Stundenlöhne sind bei Vollzeit höher als bei Teilzeit und es gibt kaum Aufstiegschancen.“ Moritz plädiert für eine ausgeglichenere Arbeitszeit von Paaren. In Deutschland werde über ein Familienarbeitszeitmodell diskutiert, bei dem Eltern 30 bis 32 Stunden pro Woche arbeiten, samt einer Ausgleichszahlung.

Einkommenstransparenz

Ein wichtiger Schritt, um den Gender-Pay-Gap zu schließen, ist die Einkommenstransparenz. Doch über Geld wird nicht gerne gesprochen. „Nur wenn ich weiß, wie ein Kollege mit ähnlicher Tätigkeit bezahlt wird, kann ich vergleichen.“ Im Jahr 2011 wurde die Einkommenstransparenz gesetzlich verankert. In Stellenausschreibungen muss ein Mindestgehalt angegeben werden und Betriebe mit mehr als 150 ArbeitnehmerInnen müssen Einkommensberichte erstellen. Doch diese Berichte müssen nicht öffentlich gemacht werden. „Wichtig wäre es, dass Betriebe die Lohnschere nicht nur offenlegen müssen, sondern auch Pläne zum Abbau vorlegen“, betont Moritz.

Stolz ist Moritz, dass bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie viele Verbesserungen gelungen sind, insbesondere beim Ausbau der Kinderbetreuung. Ein weiterer Erfolg ist ein Paradigmenwechsel: Sie und ihr Team haben erreicht, dass in der AK Kinderbetreuung und Pflege als wichtige Investitionen und weniger als Kosten gesehen werden. Damit der Traum von Ingrid Moritz und Melitta Aschauer-Nagl von der Chancengerechtigkeit in Erfüllung geht, bräuchte es also ein Bündel an Maßnahmen: gerechtere Arbeitszeitverteilung, Einkommenstransparenz, einen weiteren Ausbau von Kinderbetreuung, Ganztagsschulen und mehr Förderungen für jene SchülerInnen, die es brauchen.

Von
Udo Seelhofer
Sandra Knopp
Freie JournalistInnen

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/18.

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Über den/die Autor:in

Sandra Knopp und Udo Seelhofer

Sandra Knopp ist freie Journalistin für verschiedene Radio und Printmedien, und hat die Themen Arbeitsmarkt, Soziales und Gesellschaftspolitik als Schwerpunkte. Udo Seelhofer war früher Lehrer und arbeitet seit 2012 als freier Journalist. Seine Schwerpunkte sind Gesellschaft, soziale Themen und Religion. Im Team wurden sie beim Journalismuspreis „Von unten“ 2017 für ihre Arbeit&Wirtschaft Reportage „Im Schatten der Armut“ ausgezeichnet.

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