Problematische Kürzungen
Den NMS werden künftig die Personalmittel für Teamteaching gekürzt – um circa 63 Millionen Euro, das ist ein Drittel des bisherigen Stundenkontingents. Gerade an den städtischen NMS sind die Herausforderungen meist am höchsten. Sie bräuchten deshalb dringend dieses zusätzliche Personal. Dies gilt besonders für NMS-Standorte mit einem hohen Anteil von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache, vor allem von solchen aus sozial schwächeren Familien und mit Fluchthintergrund. Außerdem wird der bisher jährlich mit 80 Millionen Euro dotierte Topf für Integrationsmaßnahmen (wie SchulsozialarbeiterInnen, IntegrationslehrerInnen, interkulturelle Teams) gestrichen. Das verschärft die Situation dieser Schulen, denn die Herausforderungen bleiben bestehen. Die Schulen bekommen aber keine Unterstützung mehr, um diese zu bewältigen.
Ein zentrales Motiv des Regierungsprogramms über viele Politikbereiche hinweg lautet: strafen und Druck aufbauen, statt fördern und unterstützen. Dieses Motiv findet sich auch in der Bildungspolitik wieder, wie etwa der Umgang mit dem Thema Schulpflichtverletzungen zeigt. Die Missachtung der Schulpflicht stellt zweifelsohne ein ernstzunehmendes Problem für einen (kleinen) Teil der SchülerInnen dar. Üblicherweise ist sie durch kindes- und jugendpsychologische Probleme begründet: Prüfungsangst, Über- oder Unterforderung, Unsicherheit, Mobbing, familiäre Schwierigkeiten oder die Pflegebedürftigkeit von Eltern oder Angehörigen (Young Carers). Die bisherigen Ansätze, die Ursachen für Schulpflichtverletzungen zu bekämpfen, werden nun aber gestrichen. Stattdessen wird eine Mindeststrafe von 110 Euro (maximal 440 Euro) verankert, die Erziehungsberechtigte bei Schulpflichtverletzung bezahlen müssen. Und diese Strafe muss spätestens nach drei Fehltagen ausgesprochen werden.
Finanzielle Sanktionen als letztes Mittel sind zwar zweifellos wichtig. Noch wichtiger wäre aber, Kindern und Jugendlichen zu helfen. Bevor verpflichtend finanzielle Strafen ausgesprochen werden, sollte man die Wurzel des Problems erkennen und dieses lösen. Eine gute Beziehung zwischen SchülerIn, Eltern und Schule ist ein besserer Garant für Schulerfolg in der Schule. Durch vorschnelle Strafen wird diese Beziehung zusätzlich belastet. Deshalb sollte weiterhin die Schulleitung die Entscheidung treffen, wann sie welche Maßnahmen setzt und welche Sanktionen (auch finanzielle) sie aussprechen will.
Stärkerer Druck = höherer Bildungserfolg: Das ist eine riskante Gleichung. Das Mehr an Tests und Strafen sowie die ungleiche Ressourcenausstattung der Schulen mündet letztlich in mehr Notendruck, Leistungsstress und Schulangst. Sie sind bereits heute eine Hauptursache für die Zunahme psychischer Erkrankungen. An ihnen leiden mittlerweile rund 80.000 Kinder und Jugendliche in Österreich. Verstärkt man diesen Ansatz bereits vom Kindesalter an, wirkt sich das noch stärker aus. Die Grenze zwischen förderlichem Ansporn und schädlichem Druck ist stets im Auge zu behalten. Sonst ist nur ein noch weiterer Anstieg der Nachhilfekosten die Folge, und das in einem Land, in dem bereits jetzt 23 Prozent der Kinder auf Nachhilfe angewiesen sind. Im Jahr 2017 gaben die ÖsterreicherInnen allein 103 Millionen Euro für private Nachhilfe aus. Leisten können sich dies freilich immer nur finanzkräftige Haushalte.
Enorme Folgekosten
Damit das Schulsystem also die soziale Ungleichheit nicht weiter erhöht, braucht es mehr Ressourcen für schulische Bildung – nicht weniger. An der Bildung zu sparen, produziert langfristig enorme gesellschaftliche Folgekosten. Budgetsorgfalt ist wichtig, deshalb sollten Zusatzmittel zu allererst jenen Schulstandorten mit den größten Herausforderungen zukommen. Entscheidend für die Qualität ist jedoch, dass die finanzierten Maßnahmen laufend wissenschaftlich evaluiert werden und Korrekturen sich daran orientieren, nicht nur an budgetären Überlegungen. Die chancengerechte Schulbildung aller Kinder ist nämlich eine der wichtigsten Zukunftsinvestitionen des Landes.
Oliver Gruber, Elke Larcher, Boris Ginner:
Abteilung Bildungspolitik der AK Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/18.
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