Staatsschuldenquote – Österreich erfällt EU-Kriterien nicht
Laut den EU-Konvergenzkriterien, die ein Land zur Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) erfüllen muss, darf der öffentliche Schuldenstand 60 Prozent nicht überschreiten. Die Hälfte der EU-Staaten erfüllt diese Quote im Moment, die andere Hälfte liegt zum Teil deutlich darüber. Im Zuge der ersten Budgetrede von Magnus Brunner (ÖVP) wurde das Ziel vorgegeben, die Staatsschuldenquote bis 2026 auf 72,5 Prozent sinken zu lassen. Angeblich funktioniert das ohne Gegenfinanzierung. Gleichzeitig betonte Brunner in einem „News“-Interview, dass es in Österreich ein Ende der „Vollkaskomentalität“ braucht. Und das „Anspruchsdenken an den Staat seit Corona und der Teuerung zu hoch“ sei. Geht es also nach dem Finanzminister, müssen die Österreicher:innen zukünftig den Gürtel wieder enger schnallen. Auch wenn durch die Krise die Gruppe der armutsgefährdeten Menschen dank des Sozialstaats nur leicht angestiegen ist, so sind es doch immerhin 1,29 Millionen (14,7 Prozent), für die Sparen einfach nicht möglich ist.
Mit einem entsprechenden Wachstum ist es jedoch möglich, die Schuldenquote zu senken. Die nominelle Wirtschaftsleistung wird bis 2026 in Österreich deutlich ansteigen. Die Teuerung wird dabei ein Faktor sein. Doch der Staat muss gleichzeitig investieren, um zukunftsfit zu werden. „Es besteht akuter Investitionsbedarf für Bildung, Pflege und Maßnahmen gegen die Klimakrise, daher wären Gegenfinanzierungsmaßnahmen wie Übergewinnsteuer, Vermögenssteuer und die Aussetzung der Senkung der Körperschaftsteuer dringend notwendig“, sagt Tobias Schweitzer, Leiter des Bereichs Wirtschaft in der AK Wien. In Österreich besteht ein Verteilungsfehler. Der Sozialstaat wird über Abgaben und Konsum finanziert und nicht über vermögensbezogene Steuern, die fünf Milliarden einbringen würden, wie Berechnungen ergaben.
Mangelnde Verteilungsgerechtigkeit in Österreich
„Auf internationaler Ebene ist Österreich hier weit hinten. Wenn man als Vergleich eine Fußballtabelle heranziehen will, dann kann man sagen, wir spielen im unteren Abstiegsdrittel mit“, meint Oliver Picek, Chefökonom des Momentum Instituts. Weitere Milliarden lässt sich der Staat durch die Steuervermeidung großer Unternehmen entgehen – eine finanzielle Last, die am Ende wieder die Arbeitnehmer:innen und die kleinen Selbstständigen zu tragen haben. „Diese müssen zahlen, was die anderen nicht zahlen, das ist das Grundproblem“, so Picek. Aktuell sind die politischen Prioritäten in Österreich auf Steuersenkungen und keine neuen Steuern ausgerichtet. Kurzfristig kann das gut gehen, langfristig aber wohl nicht.
Denn irgendwoher muss das Geld kommen, das für die Pensionen, für die Pflege, die Kinderbetreuung und das Klima in den kommenden Jahren gebraucht werden wird. „Es hätte in der Vergangenheit mehr Investitionen in den Ausbau des Sozialstaats und in Richtung sozialökologischen Umbau der Wirtschaft bedurft, dies hätte unsere Ökonomie und das Budget widerstandsfähiger gegen die vergangenen Krisen gemacht“, ist Schweitzer überzeugt.
Kein Grund für ein Sparpaket
Könnte auf Österreich aber trotzdem ein Sparpaket zukommen? Kurzfristig wohl nicht, aber mittelfristig kann sich die Situation ganz anders darstellen. „Wenn die Zinsen weiter steigen, wird das Budget fragiler, und man geht das Risiko ein, dass die Schulden ein Problem werden“, sagt Picek vom Momentum Institut. Der Sozialstaat könnte unter einer höheren Schuldenlast ein Ziel für Einsparungen werden. Kürzungen oder zu wenige Investitionen wären ein durchaus mögliches Szenario. Ein weniger gewichtiges Problem stellt der höhere Zinsaufwand im Haushalt dar. Bis 2026 werden zwar elf Milliarden Euro mehr benötigt, jedoch ist das relativ zur Wirtschaftsleistung nur ein Anstieg von 1,1 auf 1,6 Prozent, was aber weiterhin deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt liegt. Und Österreich kann bei steigenden Zinsen beispielsweise seine Nullzinsanleihen aufstocken und somit rechnerisch das aktuelle Budget belasten, aber es würden in den folgenden Jahrzehnten weiterhin keine Zinsen anfallen.
Bei vermögensbezogenen
Steuern spielt Österreich
im unteren Abstiegsdrittel.
Oliver Picek, Chefökonom Momentum Institut
„Da es sich um langfristige Anleihen handelt, bezahlt man damit einmalig einen Abschlag, also eine Summe zu Beginn, und profitiert dann beispielsweise zehn oder 30 Jahre davon, je nach Laufzeit der Anleihe“, so Picek. Dieser Abschlag wird sofort verbucht, und damit kommen elf Milliarden Euro Mehraufwand an Zinsen zustande. Allerdings profitiert Österreich davon langfristig. Ein Fehler wäre es, wenn Österreich aktuell den Sparstift ansetzen würde, meint Schweitzer von der AK: „Es geht nicht ums Sparen in der jetzigen Situation, sondern um die Setzung der richtigen Schwerpunkte und darum, wie man die Maßnahmen gegenfinanziert.“ Die Experten von AK und Momentum Institut sind sich einig: Um die Herausforderungen der Zukunft zu stemmen, braucht es den Fokus auf Themen wie Bildung, Kinderbetreuung, Pflege und Klima – und darauf, wie die Gegenfinanzierung dieser Ausgaben aussehen kann.