Die Geschichte vom zuvor unbekannten Pflasterer Günther, der in nur acht Stunden 3.400 Kilo heben muss, bewegt die Menschen. Sie ist ein schönes Beispiel dafür, dass Statistiken und volkswirtschaftliche Daten die Arbeits- und Lebensrealität nur eingeschränkt wiedergeben können, während die Aussagen der Beschäftigten ein genaueres Bild davon zeichnen, wie die Belastungen am Arbeitsplatz tatsächlich aussehen. Besonders wenn es um Arbeitszeit und Druck in der Arbeit geht, ist die persönliche Wahrnehmung aussagekräftiger als statistische Kennzahlen und Gesetze.
Tatsächliches Empfinden
Mit genau dieser Idee trat die Arbeiterkammer Oberösterreich 1996 an die Institute SORA und IFES heran: ein Instrument zu entwickeln, das das tatsächliche Empfinden der ArbeitnehmerInnen erheben kann – anders als etwa das Bruttoinlandsprodukt der Wirtschaftsforschungsinstitute, die Arbeitslosenrate des AMS oder die Arbeitszeitstudie der Statistik Austria. Überstunden, die nicht offiziell eingetragen werden, Krankentage, die nicht als Krankenstände aufscheinen, Erwartungen, die nicht mit den Prognosen der WirtschaftsforscherInnen übereinstimmen: All das sollte mit einem Instrument messbar gemacht werden. Das Ergebnis war der Österreichische Arbeitsklima Index, mit dem ArbeitnehmerInnen seit 1997 die gleichen Basisfragen gestellt werden.
Jedes Jahr werden rund 4.000 unselbstständig Beschäftigte zu Hause im Rahmen eines persönlichen Interviews befragt. Mit 25 Fragen zu Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen, Einkommen, Stress, Karriere, Arbeitsmarkt und einigen anderen Bereichen wird der Arbeitsklima Index erhoben. Die Befragung erfolgt in vier Wellen pro Jahr, ihre Ergebnisse sind repräsentativ für die unselbstständig Beschäftigten in ganz Österreich. So können seit mehr als 20 Jahren die Veränderungen in der Arbeitsrealität gemessen werden. Insgesamt wurden bis heute mehr als 100.000 Personen befragt. Im Jahr 1997 auf 100 Punkte gesetzt, zeigt der Arbeitsklima Index die Veränderungen im Laufe der Jahre. 2007 wurde mit 112 Punkten ein Höchstwert erreicht, bevor die Wirtschaftskrise und der Pessimismus den Wert im Jahr 2016 auf 105 Punkte fallen ließen. In den letzten zwei Jahren folgte eine Erholung bis auf 110 Punkte. Über die Jahre wurden weitere Fragen ergänzt und mit dem Arbeitsgesundheitsmonitor und dem Führungskräfte Monitor wurden auch zwei neue Instrumente geschaffen.
Überstunden machen unzufrieden
Die Folgen von Mehr- und Überstundenarbeit: Beschäftigte, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, sagen doppelt so oft wie jene mit weniger als 40 Stunden Arbeit pro Woche, dass sie Beruf und Privatleben nur schlecht vereinbaren können. Bei einer Wochenarbeitszeit über 40 Stunden sinkt auch die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeitszeit stark, während Teilzeitbeschäftigte zufriedener sind. Die Hälfte der Personen mit Überstunden ist unzufrieden mit ihrer Arbeitszeit, bei jenen ohne Überstunden ist nur jede/r Sechste damit unzufrieden.
Auch die Argumentation, die Beschäftigten mit längeren Arbeitszeiten könnten sich ihre Aufgaben und Zeiten besser einteilen, trifft nicht zu. Jene mit langen Arbeitszeiten sind sogar noch stärker durch Zeitdruck belastet. Wer häufig Überstunden leistet, gibt fünfmal so oft an, bei der Arbeit keine Zeit zum Verschnaufen zu haben. Die Belastung geht aber immer wieder auch über die Arbeitszeit hinaus. 16 Prozent der Menschen, die oft Mehrarbeit leisten, werden auch in der Freizeit mit beruflichen Anliegen gestört. 44 Prozent der Personen, die auch nach Dienstschluss noch arbeiten, fällt es schwer abzuschalten. Immer mehr ArbeitnehmerInnen nutzen Homeoffice oder Teleworking. So wird die Erholung, etwa am Wochenende, zusätzlich unterbrochen.