Gewalt vermeiden: was sich ändern muss
Sie plädieren also für bessere Arbeitsbedingungen, sowohl was den Schlüssel von betreuten Patient:innen und Personal betrifft, aber auch Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiten und Gehalt.
Ich plädiere für bessere Bedingungen für die Mitarbeiter:innen und auch für bessere Bedingungen für die betroffenen Patient:innen und Bewohner:innen und für die Angehörigen.
Was kann man präventiv machen, damit es erst gar nicht zu solchen Situationen kommt, damit sich Patient:innen gut behandelt und Pflegekräfte nicht überfordert fühlen?
Da gibt es eine Menge an Dingen, die man angehen kann. Wir haben schon kurz das Deeskalationsmanagement angesprochen. Ich kann mich erinnern, als wir begonnen haben, haben wir zunächst stark auf Sekundärprävention gesetzt. Sekundärprävention bedeutet: Wenn Aggression vorkommt, wie geht man auf beiden Seiten am besten damit um. Wenn jemand angegriffen wird, wie komme ich aus der Situation heraus. Wenn jemand randaliert, wie kann ich denjenigen am besten im Team festhalten, sodass dieser Mensch keinen Schmerz hat und niemand zu Schaden kommt.
Je mehr wir Sekundärprävention betrieben haben, desto mehr sind wir draufgekommen, dass es auch um Tertiärprävention geht. Das ist die Analyse, was danach passiert. Was macht das mit den betroffenen Patient:innen, was macht das mit den betroffenen Mitarbeiter:innen? Diese Nachbetreuung und Nachsorge muss man immens ausbauen. Wo können sich die Patient:innen hinwenden, wo können sich die Mitarbeiter:innen hinwenden, wenn sie traumatisierende Ereignisse miterlebt haben, wenn sie einen Schaden gehabt haben.
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— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) March 21, 2022
Was wir auch sehr ausbauen müssen, ist die primäre Prävention. Die primäre Prävention bedeutet, dass es erst gar nicht so weit kommt, dass jemand aggressiv werden muss. Gerade in der primären Prävention ist das Deeskalationsmanagement immens wichtig, da geht es wirklich um Ausbildung, Weiterbildung. Da geht es darum, die Mitarbeiter:innen zu schulen in Kommunikation, in Rhetorik, dass sie ihr eigenes Auftreten reflektieren. Das beginnt schon, wenn ich bei einem Schalter sitze und jemand dort steht und eine Notlage hat, und ich telefoniere und erzähle über meine Erlebnisse am Wochenende, dann wird der mir gegenüber viel nervöser.
Primäre Prävention bedeutet aber auch, dass wir die Mitarbeiter:innen fragen, welche Rahmenbedingungen sie brauchen? Einerseits geht es da um die Personalsituation, aber auch um die Architektur. Es reicht nicht, dass ich ein schönes Gebäude hinstelle und die Nutzer:innen es dann das erste Mal sehen, wenn sie übersiedeln, sondern sie gehören in die Planung miteinbezogen, wie etwas gebaut und eingerichtet werden soll, weil sie wissen, was die Bewohner:innen und Patient:innen brauchen. Sie haben auch gefragt: Wie kommt man zu genügend Personal? Das Personal wird zukünftig dort hingehen, wo es Sicherheit erlebt. Das bedeutet, dass wir in den Organisationen ein sicheres Umfeld für die Arbeitnehmer:innen gewährleisten müssen.
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