Spannungsfeld Krankenhaus + Podcast

Inhalt

  1. Seite 1 - Spannungsfeld Psychiatrie
  2. Seite 2 - Konflikte auf der Covid-Station
  3. Seite 3 - Personalnot in der Pflege
  4. Seite 4 - Präventivarbeit
  5. Auf einer Seite lesen >
Wo Menschen in Krisensituationen aufeinandertreffen, kann die Lage rasch eskalieren. Das ist auch im Bereich Pflege so. Womit sind hier Patient:innen und Pflegekräfte konfrontiert? Arbeit&Wirtschaft sprach dazu mit dem Experten Harald Stefan.

Nun hat sich hier die Gesamtsituation auch insofern verändert, als im ersten Jahr Leute schwer erkrankt sind und dann gehofft haben, dass man sie heilen kann. Seitdem es die Impfung gibt, liegen zunehmend Leute auf den Intensivstationen, die nicht geimpft sind, die sich gegen alle präventiven Maßnahmen ausgesprochen haben. Wie verhalten die sich gegenüber dem Pflegepersonal?

Es gibt natürlich Menschen, die nicht geimpft sind, die auf der Intensivstation landen oder stationär aufgenommen werden auf den Normalstationen. Das ist eine schwierige Situation. Zu einem gewissen Anteil ist es das Recht von jedem, seine Meinung zu haben. Schwierig für das Personal natürlich, wenn man eine überwiegende Anzahl nicht Geimpfter betreuen muss. Aber da muss ich sagen: Hut ab vor den Pflegepersonen, die dort arbeiten, die machen da keine Unterschiede. Ich denke, man darf auch die Ungeimpften nicht alle in eine Lade werfen. Es wird immer so dargestellt, dass die Ungeimpften auf die Straße gehen und demonstrieren.

Es gibt aber auch viele Menschen, die keine rechts- oder linksradikale Einstellung haben, sondern die sich Sorgen machen in verschiedene Richtungen. Sorgen vielleicht um ihre Kinder, Sorgen, dass sie Schäden davontragen von der Impfung, es sind Menschen, die vielleicht eine Begleiterkrankung haben und sich Sorgen machen, wie sich das auf ihre Erkrankung auswirkt, und diese Angst ist für sie real. Da nützt es nichts, dass man da die Türen zumacht, sondern wir müssen weiter kommunizieren. Da ist es wichtig, dass wir, die vielleicht ein bisschen mehr Einblick haben in das Medizinische, auch aufklärend wirken und dass wir die wissenschaftlichen Daten, die vorhanden sind, so erklären, dass diese Menschen das verstehen können und dass man vor allen Dingen aufzeigt, man kann sich selbst schützen, mit der Impfung, mit dem richtigen Tragen der FFP2-Maske.

Das Nervenkostüm sei während der Pandemie bei allen dünn geworden, sagt Harald Stefan. Beim Spitalspersonal komme dazu, dass die Aussicht auf Verbesserung nicht gerade zugenommen habe. | © Markus Zahradnik

Gründe für Gewalt im Krankenhaus

Worin sehen Sie wiederum die Hauptursachen für Grenzüberschreitungen oder sogar Gewalt gegenüber Patient:innen?

Ich habe in den letzten 25 Jahren sehr viele Schulungen gemacht für Pflegepersonen, Ärzt:innen, Psycholog:innen, und ich konnte noch nie eine Person kennenlernen, die ins Gesundheitssystem gegangen ist, um gewalttätig gegenüber jemand anderem zu sein. Sie alle sind in diesen Beruf gegangen, um Menschen zu helfen. Dennoch schreiben die Medien immer wieder über Fälle, wo jemand umgebracht wurde, wo Gewalttaten verübt oder Videos gedreht worden sind, wo es Übergriffe gab. Das kennen wir aus der Schweiz, aus Österreich, aus Deutschland und auch aus anderen Ländern. Das heißt, das System hat mit diesen Menschen etwas gemacht. Und ich sehe die Verantwortung für diese Taten nicht nur allein bei den Täter:innen.

Solche Gewaltakte sind abzulehnen, und da müssen die Gerichte ihr Urteil sprechen. Ich sehe aber auch eine Mitverantwortung im Management. Das bedeutet, wenn Aggression und Gewalt vorhanden sind, dann müssen wir relativ bald darauf reagieren. Gewalt beginnt mit verbaler Aggression. Ich darf daher nicht erst tätig werden, wenn etwas passiert ist, sondern ich muss eigentlich schon wesentlich früher reagieren, mir anschauen, wie ist denn die Situation bei uns. Wenn es zu solchen kriminellen Handlungen gekommen ist, ist es wichtig, dass man sich anschaut, wie ist das System, wie schaut es mit der Personalsituation aus und wie gehen wir damit um. Das Management kann sich aus meiner Sicht nicht ganz herausnehmen, weil oftmals Personalknappheit und -engpässe zu Überforderung führen und Überforderung dann zu Übergriffen führt.

Personalnotstand ist allerdings etwas, worüber im Pflegebereich seit Jahren geklagt wird. Vor allem im Geriatrie- und Langzeitpflegebereich haben die Leitungen massive Probleme, Personal zu finden. Wie kommt man denn da heraus?

Herauskommen kann man nur, indem man auch wirklich analysiert, unter welchen Bedingungen diese Menschen arbeiten. Aus dem Management gehören für mich alle Etagen dazu. Wenn ich eine Mutter bin, die alleinerziehend ist, und ich arbeite in einem ländlichen Bereich in einem Pflegeheim und ich sehe, dass es da Missstände gibt, und ich spreche die Missstände an und es wird mir gesagt, sei froh, dass du einen Job hast und du kannst ja auch woanders hingehen, und wir wissen, diese Mutter mit zwei Kindern kann nicht so leicht woanders hingehen, weil der nächste Arbeitsort vielleicht 100 Kilometer weit weg wäre, dann hat sie zwei Möglichkeiten: entweder zu kündigen oder es hinzunehmen.

Wenn wir aber diese Situation, dass wir so arbeiten, wie wir es nicht gelernt haben, viele Jahre hinnehmen, dann kann es vorkommen, dass Fehlleistungen passieren, dass die Qualität nachlässt, und das gehört aufgehoben. Es gehört genauer hingeschaut, unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten, es gehören Bewohner:innen befragt, es gehören Angehörige befragt, und es gehört sicher der Personalschlüssel anders angesetzt. Wenn wir aber Situationen schaffen, wo nur Personal aus anderen Ländern engagiert wird, das vielleicht zu einem geringeren Einkommen arbeitet, werden wir aus dieser Lage nicht herauskommen.

Es gehört genauer hingeschaut, unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten, es gehören Bewohner:innen befragt, es gehören Angehörige befragt, und es gehört sicher der Personalschlüssel anders angesetzt.

Harald Stefan, Leiter des Bereichs Pflege
der psychiatrischen Abteilung des Klinikums Landstraße

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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