„Für die Klimakrise ist das Ballungszentrum die Antwort“

Gregor Puscher steht für sozialen Wohnbau ein.
Sozialer Wohnbau kann viel, erklärt Gregor Puscher, Geschäftsführer der Wiener Wohnfonds. | © Markus Zahradnik

Inhalt

  1. Seite 1 - Breite Zugänglichkeit als Erfolgskonzept
  2. Seite 2 - Und die Klimakrise?
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Kommunikator zwischen verschiedenen Welten, leistbar und Teil der Lösung in der Klimakrise - der soziale Wohnbau vereint so einige Komponenten, die für modernes Wohnen wichtig sind. Gregor Puscher ist Geschäftsführer des Wohnfonds Wien und erklärt im Interview, wie der soziale Wohnbau die Brücke schlägt.
Stabil und das seit Jahren: Der soziale Wohnbau zeigt sich als Fels in der Brandung, wenn es um Leistbarkeit beim Wohnen geht. Und gleichzeitig soll soziale Durchmischung gelingen: Selbst in den Wiener Nobelbezirken Innere Stadt, Hietzing oder Döbling lassen sich Gemeindebauten finden. Im Interview erklärt Georg Puscher, wie  sozialer Wohnbau auf die neue Herausforderung Klimakrise reagieren will.

Zur Person
Georg Puscher (DI) studierte Architektur an der TU Wien. Seit 2018 ist er Geschäftsführer des Wohnfonds Wien.

Arbeit & Wirtschaft: Über den sozialen Wohnbau wird viel gesprochen – doch was kann er eigentlich?

Gregor Puscher: Sozialer Wohnbau ist der Hauptgrund, warum wir Stabilität im Bereich leistbarer Wohnbau haben. Im Vergleich zu den Bundesländern gibt es in Wien nämlich eine lange Tradition des sozialen Wohnbaus, Stichwort Rotes Wien. Und natürlich hat Tradition immer einen Beigeschmack, aber in diesem Fall ist sie Erfolgsgarant. Denn die Grundhaltung ist seit vielen Jahren, dass Wohnen ein Grundbedürfnis ist, und dem wird viel untergeordnet. Und diese Grundhaltung von vor hundert Jahren findet heutzutage im sozialen Wohnbau auf eine neue Art seine Fortsetzung.

Befürworter:innen des sozialen Wohnbaus sagen, dass die gesellschaftspolitische Funktion des sozialen Wohnbaus geschützt werden muss, Kritiker:innen werfen dem sozialen Wohnbau hingegen oft ein Spannungsfeld mit frei finanziertem Wohnbau vor. Was sagen Sie dazu?

Sozialer Wohnbau ist ein ganz relevanter Bestandteil des sozialen Friedens in Wien. Der geförderte Wohnbau ist breit zugänglich, das führt – kombiniert mit frei finanzierten Lösungen – zu einer starken Durchmischung in den Bezirken. Frei finanzierte Projekte sind aber per se nichts Böses, das Spekulative ist das Problem. Da geht es um Bodenverfügbarkeit, Baukosten- und Zinssteigerungen. In dieser Spirale muss sich der soziale Wohnbau neu definieren, aber unsere oberste Prämisse ist und bleibt die Leistbarkeit sowie die soziale Durchmischung. Es war 2018/19 ein mutiger Schritt, die Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ zu schaffen. Dazu brauchen wir aber als Wohnfonds kooperative und verlässliche Partner sowohl im freifinanzierten als auch im geförderten Bereich. Schließlich betreiben wir ja nicht nur Planung und Qualitätssicherung, sondern besitzen auch viel Boden, den wir für geförderten Wohnbau bzw. nachhaltige Stadtentwicklung zur Verfügung stellen.

Welche Ziele verfolgt der soziale Wohnbau aktuell?

Die oberste Zielsetzung ist die Weiterentwicklung des Sozialen Wohnbaues. Beispielsweise ließ 2015 der Zuzug nach Wien etwas nach und die Stadtentwicklungsdynamik stagnierte kurzfristig. Seit einigen Jahren gibt es aber wieder intensiven Zuzug und wir müssen davon ausgehen, dass zumindest die bekannten Zuzugszahlen von 10.000 bis 12.000 Personen pro Jahr für Wien weiterhin gelten werden, für die sich unter anderem Binnenzuzug und Arbeitsplätze verantwortlich zeichnen. Dieser Wohnungsbedarf benötigt eine konkrete Stadtentwicklung, man muss Quartiere neu denken. So schafft man auch Arbeitsplätze, soziale Einrichtungen oder neuen Grünraum für alle. Außerdem müssen wir Antworten auf die Klimakrise liefern: Klimafitte neue Stadtteile zu planen und vor allem umzusetzen, stets mit einem Blick auf den Bestand, lautet die Herausforderung, für die die Stadt bestens aufgestellt ist.

Sie sprechen die Widmungsstrategie an. Warum kam es zu den Diskussionen?

Die neue Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ ermöglicht bei einem Drittel der Wohnbauflächen freifinanzierte Entwicklungen. Dass das für die Immobilienentwicklung sehr lukrativ ist, muss man sich bewusst sein. Boden ist ein heikles Thema – dieses Gut lässt sich nicht einfach vermehren – und deshalb ist der behutsame Umgang wichtig, auch aus ökologischer Sicht. Außerdem muss der Großteil leistbar und breit zugänglich sein, das schadet Renditenjäger:innen. Denn wenngleich ich deren Geschäftsmodell verstehe, darf es keine prioritäre Zielsetzung für eine nachhaltige Stadtentwicklung sein. Es ist wichtig, dass man sich bei Partnerschaften und Kooperationen ganz konkret ansieht, welche Motivation dahinterstecken. Manche Bauträger produzieren für die Nachfrage, andere für Pensionsfonds oder Anlagen. Im Sozialen Wohnbau kennen wir unsere Partner:innen. Die Kosten für die Bruttogeschossfläche betragen jetzt 188 Euro pro Quadratmeter, die Kostenangemessenheit muss schließlich nachgewiesen werden. Wer früher aus anderer Motivation Liegenschaften erworben hat, sieht das wohl als Eingriff ins Eigentum oder Wertminderung.

Es wird immer jene geben, die Situationen für ihren eigenen Vorteil nutzen.

Ich bin schon auch ein Freund des Marktes, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber mit dem Wohnbedürfnis der Menschen Geld machen zu wollen, ist etwas anderes. Aber der frei finanzierende Markt ist nicht per se unser Gegner. Es gibt aber eben auch Spekulant:innen und Glücksritter – wenngleich es für diese in der gegenwärtigen Zins- und Wirtschaftslage ohnehin schwieriger wird. Ich möchte aber betonen, dass es ausgezeichnete Partnerschaften gibt. Nur gemeinsam ist eine qualitativ hochwertige Stadtentwicklung möglich.

Sind die rechtlichen Rahmenbedingungen derzeit ausreichend?

Jein. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind vorhanden, die Planungsprozesse sind traditionell gut. Speziell im Wohnfonds ist es wichtig, konstruktive, verlässliche Partner sowohl mit den Planungs- als auch mit den Umsetzungsverantwortlichen zu haben und mit ihnen im Dialog zu stehen. Denn man kann viel rechtlich verankern, aber baukulturelle, soziale Haltungen können nur im Dialog weiterentwickelt werden. Im neuen Regierungsprogramm der Stadt wurde deshalb die Entscheidung getroffen, in größeren Quartieren wie beispielswiese Rothneusiedl oder Nordwestbahnhof, einen Qualitätsbeirat zu schaffen. Das neue dialogorientierte Prozedere wird dadurch vereinheitlicht, es soll einen Standardqualitätsbeirat geben, bei dem alle Entwicklungsbeteiligten eines Quartieres zusammenkommen. Beim Reden kommen d’Leut zam. Das klingt trivial, aber es geht nicht immer von oben herab. Stadtentwicklung muss auf Augenhöhe aller Beteiligter betrieben werden.

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